brand eins 01/2013

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Titel: Sei nicht so neugierig

Schwerpunkt: Neugier

Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Gabriele Fischer in ihrem Editorial:

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• Es fällt mir schwer, die dunkle Seite zu sehen. Neugier - das ist für mich ein Wort mit hellem Klang. Der Antrieb, mehr wissen zu wollen, tiefer zu bohren, sich nicht so schnell zufriedenzugeben. Dunkler wird es erst bei Stichworten wie Paparazzi oder Leserreporter. Da ist das Neu plötzlich verschwunden und nur noch die Gier da. Und auch wenn jeder weiß, dass Klatsch und Tratsch zur Sozialhygiene gehören und durchaus Spaß machen können, solange die Grenze zur Spitzelei nicht überschritten wird: Das ist nicht die Neugier, die Neues eröffnet, eher eine, die gut ist zur Erhaltung des Status quo (S. 108, 116). Die Lust am Wissen dagegen, die Asmae Bachbachi vorantreibt, ist revolutionär. Mit Geduld und sanfter Hartnäckigkeit eröffnet sich die junge Marokkanerin eine Welt, die ihr viele Männer gern vorenthalten hätten. Und damit hat sie erstaunlich viel gemein mit dem Rockmusiker Manne Pokrandt. Auch er hat sich in der Enge der DDR nicht an dem Platz halten lassen, der ihm zugedacht war. Wollte sich ausprobieren, an Grenzen stoßen - auch, als es die Mauer nicht mehr gab. Heute sieht man den noch immer stilechten Rocker schon mal bei Investorentreffen: Er hat da so eine App entwickelt. Oder besser, zwei (S. 70, 140). Dass Neugier und Unternehmertum zusammengehören, ist nicht überraschend, eher schon, dass das immer noch so ist. Seit sich aus guten Ideen mit wenig Aufwand Millionen machen lassen, wird dem Gründer eher Gier als Wissensdurst unterstellt. Doch ohne die Lust am Neuen und die Bereitschaft zum Risiko geht auch Gründung im 21. Jahrhundert nicht. Dafür funktioniert sie früher: Im Silicon Valley drücken sich Investoren inzwischen auf der Teens-in-Tech-Konferenz herum, wo 14-Jährige ihre Unternehmensideen präsentieren. Warum auch nicht: Kinder haben sich immer schon fragend die Welt erobert und aus jeder Antwort eine neue Frage destilliert. Eltern und Lehrer bringt das bisweilen an den Rand des Wahnsinns. Das Internet dagegen ist geduldig (S. 64, 132, 120, 128). Aber ist das, was die digitale Welt eine Innovation nennt, tatsächlich eine? Was ist heute überhaupt noch Fortschritt? Was der Mensch braucht, hat er längst erfunden, was jetzt noch kommt, ist Dekoration. Das könnte vermuten, wer die Anstrengungen der Werbung betrachtet, Lust auf eine Frikadelle zu machen. Oder wer sich fragt, was die Forscher bei Beiersdorf zur Suche nach immer neuen Cremevarianten treibt. Aber was vielen von uns so langweilig scheint wie die Vegetation in der Wüste, ist für andere faszinierend. Und wer glaubt, dass kaum noch wesentliche Fragen offen sind, der sollte die beiden brandeins-Autoren Jakob Vicari und Bertram Weiß auf ihrer Forschungsreise begleiten: Dem, der wissen will, so haben sie erfahren, bleibt noch genug zu tun (S. 50, 82, 58, 96, 88). Und was, wenn der Geist schwindet und das Vergessen beginnt (S. 150)? Dann, da sind sich Demenzforscher einig, versiegt auch die Neugier, die schon zu Alter und Weisheit schlecht passt. "Kennen wir schon! Wissen wir schon!", sagt der auf Alzheimer spezialisierte Molekularbiologe Konrad Beyreuther. "Das halte ich für ganz gefährlich." Das könnte doch ein ganz guter Vorsatz für 2013 sein: neugierig zu bleiben. Und erst mal die Frage zu überlegen, bevor man die Antwort weiß.

Gabriele FischerChefredakteurin

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