brand eins 06/2019

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Titel: Ich war immer Punk.

Schwerpunkt: Unabhängigkeit

 

• „Wer mir folgen will, soll das gerne tun.“: Das sagt T. C. Boyle, Rockstar der amerikanischen Literatur. Ein Gespräch über Drogen, Kunst und das Ende der Welt.
Der Rastlose: Hermann Ophardt baut mit 84 noch immer Firmen auf. Porträt eines passionierten Unternehmers.
• Der Architekt der Obdachlosen: 
Rex Hohlbein baut Häuser für jene, die gar nichts haben. Die Geschichte eines Sinneswandels.

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Erscheinungsdatum:
 31. Mai 2019
Umfang: 130 Seiten


 

Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Chefredakteurin Gabriele Fischer:

Am Schwarm vorbei

• Es ist schön, wenn man frische und noch nicht zum Hashtag verfestigte Meinungen hört. Es kommt nur nicht mehr allzu oft vor. Das Internet, auch als Paradies der freien Meinungsäußerung gefeiert, scheint eher zu einem Übermaß an Anpassung geführt zu haben.

Dabei wird unabhängiges Denken gebraucht wie selten zuvor. Herausforderungen, wohin man sieht, und immer öfter die Erkenntnis, dass es mit den Rezepten von gestern nicht geht. Neue Ideen müssen her, das kann inzwischen fast jeder herbeten. Nur wie stellt man das an?

Vielleicht könnte ein erster Schritt sein, sich mehr auf sich selbst zu verlassen und so etwas wie Zuversicht zu entwickeln. Das mag verwegen erscheinen, angesichts der politischen und ökonomischen Verwerfungen. Aber ist Aufgeben die bessere Option (S. 34)?

Für T. C. Boyle sicher nicht. Der amerikanische Autor hat sich in seinen Büchern immer wieder mit Abhängigkeiten beschäftigt – von Gurus, Drogen, Ideologien. Und hat sich dennoch seine heitere Weltsicht bewahrt: „Ich bin in New York aufgewachsen und habe von Anfang an gelernt, infrage zu stellen, was andere mir sagen, und offen zu sein für die Welt.“ Hermann Ophardt wuchs im Ruhrgebiet auf, noch dazu in der Kriegs- und Nachkriegszeit. Doch auch er hat sich seinen eigenen Weg gesucht, der ihn von der Maschinenschlosser-Lehre bei Krupp zum eigenen Unternehmen führte. Inzwischen hat sein Sohn die Firma übernommen, und er grün-dete mit gut 70 Jahren eine Werft. Warum auch nicht (S. 42, 68)?

Argumente, etwas zu lassen, finden sich immer. Interessanter sind Gründe, etwas zu tun. Zum Beispiel eine Zeitung zu entwickeln, unzensiert und unabhängig, unter schwierigen Bedingungen, nämlich im Gefängnis. Oder als Betriebsratsmitglied die Stimme zu erheben, auch wenn die Kollegen das nicht gern hören. Und auch dann bei seiner Linie zu bleiben, wenn es den Job kostet: Das Gespräch mit Karsten vom Bruch, Ex-Betriebsrat bei Bosch, ist ein eindrucksvoller Fall von geistiger Unabhängigkeit (S. 50, 64).

Denn ja, natürlich unterliegt nahezu jeder Mensch Zwängen, ein Betriebsrat genauso wie ein Unternehmer oder Wissenschaftler. Entscheidend ist, wie man damit umgeht, seine Freiräume erweitert, die Abhängigkeiten minimiert. Wie das ganz praktisch geht, erklärt Peer Pasternack, einst Berufskraftfahrer in der DDR und heute Direktor des Instituts für Hochschulforschung. Was es bedeutet, wenn man darum ringt, erzählen die Sozialunternehmer von Weserholz. Und wie man sich aus Abhängigkeiten herauswinden kann, die helfen sollen und doch nur gut gemeint sind, lässt sich in Palästina lernen (S. 92, 54, 100).

Wer nicht die Zustimmung des Schwarms sucht, sondern sich auf die eigene Idee verlässt,  kann Großes schaffen, wie der Architekt Rex Hohlbein, der in Seattle zum Anwalt der Obdachlosen geworden ist. Oder er kann verstören, wie Raphael Samuel: Der junge Inder verklagt seine Eltern, weil sie ihn geboren haben. Was nach Wahnsinn klingt, ist hochinteressant (S. 110, 76).

So geht das oft, wenn neues Denken beginnt.

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