Titel: Stop it!
Schwerpunkt: Geduld
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Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Chefredakteurin Gabriele Fischer:
In der Zeit
• Wenn Manager nach ihren Schwächen gefragt werden, nennen sie gern: Ungeduld. Das wirkt ein klein wenig selbstkritisch, lässt sie aber vor allem als energische, entscheidungsstarke Macher erscheinen. Langmut? Gilt nicht als Führungseigenschaft.
Überhaupt scheint Geduld nicht mehr zeitgemäß zu sein. Wartezeiten nimmt man bestenfalls beim Arzt, zähneknirschend im Möbelhandel und ganz gewiss nicht beim Laden einer Website hin. Wer etwas sieht, will es gleich haben. Und wenn eine Firma wie einst brand eins sieben Jahre braucht, ehe sie in die schwarzen Zahlen kommt, ist sie heute mit ziemlicher Sicherheit vorher tot oder verkauft (S. 88).
Das sind eben die Folgen der Digitalisierung, sagen die einen und nehmen die Hektik hin. Entschleunigt euch!, rufen die anderen und veranstalten Achtsamkeitsseminare. Dazwischen aber existieren weiterhin Orte, an denen Geduld weder unzeitgemäß ist noch ein Kampfbegriff. Wohlschmeckende Äpfel zum Beispiel gäbe es nicht, nähmen sich Züchter nicht jahre-, manchmal jahrzehntelang Zeit. Handwerkskunst wäre Geschichte. Und den alten Philosophen würde wohl kaum jemand eine moderne Übersetzung angedeihen lassen, gäbe es nicht den Hamburger Felix Meiner Verlag, eine Institution in Sachen Ausdauer und Beharrlichkeit (S. 74, 58, 68).
Das mag etwas antiquiert klingen. Doch die Geduld werden wir künftig mehr brauchen als je zuvor. Denn eine Gesellschaft, die mit Wissen gewinnen will, kommt mit dem Aktionismus des Industriezeitalters nicht weit (S. 38).
Der technische Fortschritt hat nicht nur unseren Alltag beschleunigt, er eröffnet ganz neue Möglichkeiten, vorausgesetzt, er wird mit Entschlossenheit und Durchhaltevermögen kombiniert. Ohne modernstes Gerät wäre der Atomphysiker Randolf Pohl nie der wahren Größe des Protons auf die Spur gekommen – aber auch nicht ohne die Bereitschaft, immer wieder Rückschl.ge zu verkraften. Und obwohl noch offen ist, ob es Douglas Lenat jemals gelingt, einer Maschine gesunden Menschenverstand beizubringen: Dass er es seit 34 Jahren versucht, ist für die KI-Forschung und die Beurteilung der bisherigen Erfolge durchaus von Belang (S. 92, 114).
Und in der Ökonomie? Haben die Macher schwere Zeiten vor sich. Denn wer sich heute gegen die mit atemberaubender Geschwindigkeit gewachsenen Plattformen durchsetzen will, braucht Verstand und die Bereitschaft, in kleinen Schritten voranzugehen, immer wieder den Kurs zu wechseln, innezuhalten. Und seine Mitstreiter zu motivieren, Rückschläge als Lerneinheit zu verstehen: Anders hätte es Zalando nie zum drittgrößten Einzelhändler nach Amazon und Otto in Deutschland gebracht, anders wäre Thomas Rebmann mit seiner Lampenwelt ein kleiner Onlinehändler geblieben. Und das Biotechunternehmen Morphosys? Hätte sich erledigt (S. 80, 48).
Mit Entschleunigung hat das wenig zu tun. Es geht nicht darum, langsamer zu fahren – sondern überlegter. Für den Philosophen Armen Avanessian gehört das ganze Denkmodell „Zeit ist Geld“ komplett ins 20. Jahrhundert. Heute hätten wir es eher mit einer „Verkehrung der Zeit“ zu tun: Wir müssten lernen, aus der Zukunft über die Gegenwart zu denken – und sollten aufhören, wie die Politik aus der Gegenwart auf die Vergangenheit zu starren (S. 130, 84).
Es lohnt sich, darüber nachzudenken. Gern auch länger.
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