Titel: Cool bleiben.
Schwerpunkt: Reset
Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Chefredakteurin Gabriele Fischer:
Neu starten
• Wünschen Sie sich das auch manchmal? Einfach nur eine Taste drücken oder eine Nadel in das kleine Loch seitlich am Gerät stecken, und das System läuft wieder? Der Reset ist die letzte Möglichkeit – und eine Hoffnung. Gibt es die im richtigen Leben auch?
In Unternehmen gelingt das immer wieder, wenn auch mit weit mehr Mühe als einem Tastendruck. Jean-Claude Biver ist auf diesem Gebiet ein wahrer Meister, gerade arbeitet er daran, seine fünfte Uhrenmarke wieder auf Spur zu bringen. Aber auch für ihn bleibt es jedes Mal ein Abenteuer – in das sich nur stürzt, wer gute Gründe hat. Bei den Uhren schwächelte der Absatz, die Tanzschule Gutmann in Freiburg verhedderte sich im eigenen Wachstum und brauchte einen Befreiungsschlag. Und Alexander Fackelmann, Unternehmer aus dem Nürnberger Land, stellte irgendwann fest, dass in China zu produzieren eine Lösung von gestern ist (S. 42, 130, 124).
„Der Reset ist der Versuch, ein System, das man hat, neu in Gang zu bringen“, schreibt Wolf Lotter. „Technisch gesehen ist es ein Neustart mit den Mitteln, die vorhanden sind – zur Lösung oder Umgehung der Probleme, die den Stau verursacht haben.“ Das ist immer anstrengend und auch im Unternehmen nicht ohne Risiko. Wie aber soll ein Reset gelingen, wenn es um die großen Fragen geht (S. 32)?
Die Elektromobilität zum Beispiel, seit Jahren ein Thema, aber seit dem Diesel-Skandal wächst die Dringlichkeit. Doch am alten System hängt so viel, dass niemand den Knopf drücken mag. Und damit, warnt der Mobilitätsexperte Andreas Knie, vergibt man Chancen. Oder das Gesundheitssystem: immer wieder repariert, an vielen Stellen gekittet und spätestens mit dem demografischen Wandel dem Kollaps nah. Der Neustart scheint undenkbar, aber hilft es, wenn wir weitermachen wie bisher? Am augenfälligsten wird das Problem beim Flughafen Berlin Brandenburg: 2006 erfolgte der erste Spatenstich, bis heute ist unklar, wann er eröffnet wird. Augen zu und weiterwursteln? Oder das System andernorts neu starten (S. 96, 102, 64, 50)?
Vielleicht hätte der Bregenzer Unternehmer Hubert Rhomberg einige interessante Antworten: Er ist gerade dabei, der Bauwirtschaft zu zeigen, was alles anders geht. Und er ist nicht allein. An vielen Orten denken Architekten, Planer, Wissenschaftler darüber nach, wie die Baustelle Bau endlich von der Digitalisierung profitieren kann (S. 104).
Es nützt ja nichts, zu hoffen, dass sich Probleme von allein lösen. Sie werden gravierender – das zeigt sich zum Beispiel in den sozialen Netzwerken. Und einfach loswerden kann man sie auch nicht: Man muss die Systeme verstehen und dann neu aufsetzen – dazu gibt es von amerikanischen und britischen Vordenkern durchaus Ideen (S. 82, 94).
Der Reset beginnt damit, eine bessere Lösung für möglich zu halten. Und seine Chancen steigen, wenn man das bestehende System gründlich analysiert. Der IT-Unternehmer Marco Börries hat sich nicht weniger als acht Jahre Zeit genommen, um zu verstehen, was Ladenbesitzern, Gastronomen und Kleinunternehmern fehlt. Nun will er ihnen mit einer neuen Software die Chance bieten, in der Plattform-Ökonomie zu überleben. Utopisch? Genau (S. 110).
PS: Noch kein Reset, aber vielleicht ein erster Schritt: das brandeins-Zukunftsabo
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