Frank Bourassa

Größenwahn und Perfektionismus haben Frank Bourassa zum größten Geldfälscher der Geschichte gemacht – und das Leben gerettet. Ein Gespräch über das Ringen mit dem eigenen Geist sowie Freud und Leid der Gigantomanie.





Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 01/2022.

• Der Kanadier Frank Bourassa, 51, hat seine kriminelle Karriere bereits zu Schulzeiten begonnen. Überregional bekannt wurde er mit seiner Verhaftung im Mai 2012, als kanadische und US-amerikanische Fahnder knapp eine Million US-Dollar Falschgeld bei ihm beschlagnahmten. Die Behörden nannten die Operation „hochgradig anspruchsvoll“, die Blüten seien „mit bloßem Auge beinahe nicht zu erkennen“ gewesen. Erst später kam heraus, dass Bourassa nicht nur eine, sondern insgesamt 250 Millionen Dollar in höchster Qualität hergestellt hatte. Dass er dennoch heute ein freier Mann ist und offen über seine Tat spricht, ist Teil einer schier unglaublichen Geschichte.

brand eins: Herr Bourassa, was bedeutet Ihnen Geld?

Frank Bourassa: Geld befreit dich von den Fesseln der Gesellschaft. Wenn du genug davon hast, kann dir keiner sagen, was du zu tun hast. Das ändert alles. Ich will selbst für mich entscheiden. Darum habe ich das alles gemacht.

Frank Bourassa wächst im beschaulichen Trois-Rivières im kanadischen Québec auf. Sein Elternhaus beschreibt er als intakt. Schon als Kind ist er am liebsten allein. Als er mitbekommt, dass einige seiner Mitschüler Klamotten stehlen, schlägt er vor, das Diebesgut zu verkaufen.


 


Die Geschäfte laufen gut, er nimmt Bestellungen auf, führt Listen mit den beliebtesten Artikeln. Die Nachfrage steigt, es kommen Autoradios dazu, später ganze Autos. Als er 15 wird, schmeißt er die Schule und widmet sich der Hehlerei in Vollzeit. Er verdient bald besser als seine Eltern. Als er in den Marihuana-Handel einsteigt, läuft es noch besser. Später sattelt er um und eröffnet eine Firma für Autoteile.

Warum haben Sie die Schule geschmissen?

Weil man da jeden Tag fünf Stunden absitzen muss. Für etwas, das man in einer Viertelstunde verstehen kann. Schule war der langweiligste Ort der Welt, ich habe alles daran gehasst. Glücklicherweise hatte ich gute Noten. Aber die wirklich sinnvollen Sachen lernt man da nicht, etwa wie man seine Einkommensteuererklärung macht oder Gemüse anpflanzt. Ein Wunder, dass ich es so lange dort ausgehalten habe.

Sie haben früh Gesetze gebrochen. Zieht Sie das Verbotene an?

Illegalität allein zieht mich nicht an. Sie erhöht aber oft die Profitabilität – und das zieht mich dann an. Dass ich mich nicht an Gesetze halte, heißt aber nicht, dass ich keine moralischen Grundsätze hätte.

Welche sind das?

Ich habe nie gestohlen, ich war immer nur Hehler oder Produzent. So habe ich mir das zumindest zurechtgelegt. Auch würde ich niemals andere verletzen. Jeder versucht, ein glückliches und freies Leben zu führen, dem will ich nicht im Wege stehen. Die Leute haben es auch ohne mich schon schwer genug.

Warum wechselten Sie damals aus der illegalen Welt in die legale?

Zuletzt war ich im Marihuana-Handel. Das war anfangs super profitabel. Aber jedes Jahr sind die Preise runter und die Strafen hoch. Irgendwann ging meine Kosten-Nutzen-Rechnung nicht mehr auf. Es war gutes Geld, aber dafür zehn Jahre in den Knast gehen? So viel war es dann auch nicht.

Warum haben Sie nicht auf den Handel mit härteren Drogen umgesattelt, wo die Profite höher sind?

Das ist nicht meine Welt, ich mag Planung, ich mag Schach. Das mit dem Gras war eine friedliche, coole Szene. Da gab es keinen Ärger. Bei harten Sachen hast du es gleich mit Biker-Gangs und so zu tun. Die sind bis an die Zähne bewaffnet und erschießen sich gegenseitig für ein paar Tausend Dollar. Was soll ich da? Ich bin doch nicht bescheuert!

Wie war Ihr Ausflug in die legale Arbeitswelt?

Ein großer Fehler im Nachhinein.

Wegen der Einkommensteuererklärung?

Nein, weil ich mich da völlig zugrunde gearbeitet habe. Es war ein Riesengeschäft, ich habe es geliebt – und das war mein Verhängnis. Je mehr ich mich reingehängt habe, desto mehr Geld kam dabei rum. Also habe ich Tag und Nacht gearbeitet. Heute weiß ich, dass man auch Pausen einlegen und mal in den Urlaub fahren muss. Das spricht vielleicht nicht die gleichen Glücksareale im Hirn an, aber es ist wichtig.

Was haben Sie aus Ihrem kurzen legalen Arbeitsleben gelernt?

Dass ich einen Weg finden muss, um an ausreichend Geld zu kommen, um frei zu sein, ohne mich dabei zu Tode zu arbeiten.

Das klingt verständlich – wann kam Ihnen die Idee, Geld zu drucken, statt welches zu verdienen?

An einer roten Ampel. Völlig aus dem Nichts. Ich war da schon zwei Jahre am Überlegen und Planen. Aber an dieser Kreuzung hatte ich einen Moment völliger Klarheit. Vor mir war ein hell erleuchteter Pfad, den ich nur noch gehen musste.

Auf diesem Pfad wird Frank Bourassa zum größten Geldfälscher aller Zeiten. Er druckt knapp 250 Millionen US-Dollar in Form von 20-Dollar-Noten. Das sind Scheine mit einem Gesamtgewicht von rund 12,5 Tonnen. Nach eigener Aussage hat er die Operation allein geplant. Pro Blüte verlangte er sechs Dollar. Der theoretische Erlös für die gesamte Produktion: 75 Millionen Dollar. Spezialisten der Royal Canadian Mountain Police, die sich später mit den Fälschungen befassen, attestieren ihnen höchste Qualität. Weltweit nahmen Bankautomaten die Scheine problemlos an.

Was wussten Sie damals an der roten Ampel vom Geldfälschen?

So viel wie Sie, nehme ich an. Aber wie wenig Ahnung ich von etwas habe, ist völlig egal. Das bedeutet nur, dass ich etwas länger brauche, um es herauszufinden. Nichtwissen ist kein Hindernis für mich, sondern ein Ansporn. Ich bin sofort zu einem Internet-Café gefahren, um zu checken, ob die Sache machbar ist. Wenn ich zum Beispiel waffenfähiges Plutonium oder so gebraucht hätte, dann wäre das eine Nummer zu groß gewesen. Aber nach zwei Stunden Googeln wusste ich, dass es zwar viel Arbeit, aber machbar ist.

In welchen finsteren Ecken des Internets haben Sie recherchiert?

Meine erste und beste Anlaufstelle war die offizielle Seite der US-Regierung. Da werden alle Sicherheitsmerkmale haarklein beschrieben. Ein großartiger Service.

Woher nahmen Sie das Selbstbewusstsein, dass Sie das schaffen würden?

Diese Frage stellt sich mir nicht. Wenn etwas machbar ist, dann kann ich es machen. In meiner Heimatstadt gibt es einen Fluss, dessen Graben ungefähr 20 Meter breit und sechs Meter tief ist. Als ich neun Jahre alt war, habe ich mir vorgenommen, darüber eine Brücke aus Baumstämmen zu bauen. Mit elf war die Brücke fertig. Sie hat einige Jahre gehalten, und ich habe sie ganz allein gebaut. Ich bin gern allein. Es war schwierig – aber es hat Spaß gemacht, weil es schwierig war.

Sie scheinen eine hohe Frustrationstoleranz zu haben und sind nicht wenig überzeugt von Ihren Fähigkeiten.

Ich bin extrem widerstandsfähig. Wenn ich ein neues Projekt auf ein Blatt Papier schreibe, dann wird das gemacht. Zu hundert Prozent. Klar fluche ich dabei, aber ich werde dann nur sauer auf mich. Weil ich in dem Moment zu dumm bin, das Problem zu lösen. Das heizt mich an.

Ist das ein Fluch oder ein Segen?

Tja, mal so mal so. Es hilft natürlich, Sachen hinzukriegen. Aber mein Hirn ist der Endgegner. Ich habe das Gefühl, zwei Ichs zu haben: einmal mich und auf der anderen Seite mein Gehirn. Wenn mein Gehirn eine Idee hat, während ich schlafe, dann weckt es mich auf. Wenn ich nicht mithalten kann, verbrennt es mich. Meinem Hirn bin ich scheißegal. Es ist eine Hassliebe, würde ich sagen.

Lassen Sie sich lieber von einem Über-Hirn knechten, als das Leben eines Normalos zu führen?

Manchmal schaue ich schon neidisch auf Football-Fans. Die gehen zu ihren Spielen, ziehen sich das Hemd aus, malen sich den Bauch blau an und haben die Zeit ihres Lebens. Wegen eines beschissenen Football-Spiels, das muss man sich mal vorstellen! Ich meine, ich habe echt viele krasse Sachen in meinem Leben gemacht, aber ich war nie so begeistert, dass ich mir deshalb den Bauch angemalt hätte. Was ist mit denen? Haben die eine göttliche Gabe? Erfüllung ist wohl anstrengender als Begeisterung.

Stattdessen haben Sie sich entschieden, 20-Dollar-Noten zu fälschen. Warum ausgerechnet diesen Wert?

Alles andere ist dumm. Klar, wenn ich Hunderter drucke, habe ich den fünffachen Wert. Aber egal, was du fälschst, du willst damit unsichtbar sein. Einen Hunderter schaut sich jeder genau an. Aber den Zwanziger nimmst du ohne zu zögern. Kleinere Scheine auch, aber die hätten mehr Arbeit gemacht, ohne zusätzlichen Nutzen.

Und warum US-Dollar? Als Kanadier …

Es gibt kein Land auf der Welt, das keine US-Dollar nimmt. Und da ich das Geld so weit weg von mir und den USA wie möglich in Umlauf bringen wollte, war das die einzig sinnvolle Wahl.

Wie bei den meisten Banknoten sollen auch beim 20-Dollar-Schein eine ganze Reihe von Sicherheitsmerkmalen das Fälschen so schwer und teuer wie möglich machen. Das Papier etwa besteht aus einer speziellen Leinen-Baumwoll-Mischung mit eingearbeiteten roten und blauen Fasern. Es gibt weltweit nur einen Hersteller dieses Papiers, und der beliefert exklusiv die US-Notenpresse. Dazu kommen Wasserzeichen, Siegel, eingewebte Sicherheitsfäden, farbverändernde Spezialtinte, Prägungen, Seriennummern und vieles mehr. Daneben arbeitet der US Secret Service Tag und Nacht daran, Blüten zu finden und Fälscher zu fassen. Das ist der ursprüngliche Auftrag der Behörde; der Schutz des Präsidenten kam erst in späteren Jahren hinzu.

Wie sah Ihre Recherche aus?

Ich saß eigentlich nur vor dem Computer und habe den Schein in all seine Bestandteile zerlegt. Ich musste ja nicht nur herausfinden, welche Merkmale er hat, sondern auch, wo ich das alles herbekomme und wie ich es anwende. Welche Chemikalien müssen in die Farbe, damit sie der Bankautomat schluckt? Welchen Drucker brauche ich? Woher bekomme ich die Chemikalien? Woher das Papier? Wer baut mir die Anlagen auf? Wer wartet sie? Dazu musste ich ab der ersten Minute an die Sicherheit denken. Ich kann ja schlecht bei einer Firma anrufen und sagen: Hi, ich bin Frank und brauche Ihre Spezialfarbe zum Geldscheinedrucken. Ich brauchte plausible Geschichten, also musste ich Scheinfirmen und deren Internetseiten erstellen. Insgesamt hat das vier Jahre gedauert.

Wie viele Stunden haben Sie pro Tag daran gearbeitet?

Jede wache Stunde. Am Ende war das oft eine ziemlich öde Fleißarbeit.

Sie haben 14 Druckerpressen inspiziert, bevor Sie eine gekauft haben. Was war falsch mit den ersten 13?

Wenn das Ding nur einen Pixelfehler hat, ist der ganze Druck für’n Arsch. Das Gerät muss perfekt sein. Also habe ich mich mit einem Mechaniker zusammengetan. Dem habe ich erzählt, ich wolle eine Druckerei eröffnen. Irgendwann – bei einer Heidelberg GTO 52 – hat er dann endlich gesagt, dass sie perfekt sei. Also dachte ich, super, jetzt kann’s losgehen. Aber dann meinte er: So, jetzt müssen wir die komplett zerlegen, reparieren und neu aufbauen. Ich bin fast vom Stuhl gefallen, aber solche gebrauchten Anlagen muss man vor der Benutzung generalüberholen. Am Ende hatte ich eine einfarbige Offset-Druckmaschine zum Üben, eine vierfarbige zum Drucken und zwei Tiegeldruckpressen zum Prägen – alle von Heidelberg.

Was hat die Vorbereitung gekostet?

Ungefähr 320 000 Dollar. Ich war all-in.

Waren Sie offen für den Gedanken, dass sich die ganze Nummer an irgendeinem Punkt als zu groß erweisen könnte?

Nein. Nicht nach meiner Recherche in der allerersten Nacht. Die einzige Möglichkeit für ein Scheitern war es, erwischt zu werden.

Was haben Sie getan, um das zu vermeiden?

Planung und Disziplin. Es war von Anfang an klar: Erst wenn der letzte Schein gedruckt ist, geht’s an den Verkauf. Solange ich nichts verkaufe, bin ich unsichtbar und kann in Ruhe arbeiten. Sobald das Verkaufen beginnt, ist die Druckerei tabu. Einmal raus, nie wieder rein, sonst sitzt du schneller neben El Chapo, als du denken kannst. Und das willst du nicht.

Das Papier, das man zum Drucken von Banknoten braucht, ist sehr speziell. Es besteht aus einer Materialmischung, die nur für Banknoten verwendet wird, es hat ein Wasserzeichen mit dem Konterfei des Ex-Präsidenten Andrew Jackson und einen eingewebten Sicherheitsstreifen auf dem USA Twenty steht. In welchem Schurkenstaat konnten Sie dafür einen Produzenten finden?

In der Schweiz. Aber so, wie Sie das beschreiben, habe ich es ja nicht bestellt. Das wäre schön blöd gewesen. Du gehst Schritt für Schritt vor. Für die war ich ein kleiner Angestellter einer Investmentfirma. Erst habe ich Nebensächlichkeiten gefragt und gesagt, dass ich das an meinen Projektleiter weitergebe. Bei jeder weiteren E-Mail kam dann ein Teil dazu. Irgendwann habe ich gesagt, dass meine Firma Bonds drucken will, im Wert von 30 und 40 Dollar, und dafür bräuchte ich einen Sicherheitsstreifen, auf dem USA Thirty und USA Forty steht. Während der monatelangen Auftragsplanung mit der Firma ging es immer nur um diese Beträge. Und weil es keine 30- oder 40-Dollar-Scheine gibt, konnte ich so Sachen wie UV-aktive Polymerstreifen leichter fordern. Dass da „USA Twenty“ draufstehen soll, das habe zum allerersten Mal erwähnt, nachdem ich die endgültige Bestellung aufgegeben hatte. Da hatte ich schon eine persönliche Beziehung zu deren Mitarbeitern aufgebaut. In allerletzter Minute habe ich dann geschrieben, dass mein Chef für die erste Charge jetzt doch lieber mit einem kleineren Wert starten möchte. Die nächste Bestellung soll aber wie besprochen 30 und 40 werden. Und so wurde es geliefert.

Als der Papier-Container im Dezember 2009 in Kanada ankommt, will Frank Bourassa sichergehen, dass die Lieferung nicht verwanzt ist oder unter Beobachtung steht. Schließlich hätte der Papierhersteller heimlich die Behörden informieren können, weil die Bestellung suspekt erschien. Nach eigener Aussage beobachtet Bourassa den Container im Hafen einige Tage lang. Als er nichts Auffälliges entdeckt, heuert er ein paar Leute an. Der erste Mann soll den Truck mit dem Container zu einem Zwischenlager fahren. Der zweite fährt mit dem Auto unmittelbar hinter dem Truck. Bourassa lotst nun den Laster zu einer Autobahnauffahrt, die an einer Stelle einspurig wird. Sobald der Truck die Stelle passiert hat, täuscht der Komplize hinter ihm eine Panne vor und bringt den Verkehr für 20 Minuten zum Erliegen. Bourassa beobachtet von einer Nebenstrecke aus, ob es zu hektischen Wagenwechseln, Helikopterflügen oder anderen auffälligen Bewegungen kommt. Doch alles bleibt ruhig. Nach drei weiteren Nächten Observation des Zwischenlagers packen Bourassa und seine Helfer jede einzelne Papierrolle aus, stecken sie in einen neuen Karton, stellen ihn auf eine neue Palette und verstauen sie in einem neuen Laster. In den Paletten oder im Karton hätten Peilsender verbaut sein können. Als die Ware in Bourassas Lager ist, schließt er die Tür und druckt 250 Millionen US-Dollar in bester Qualität.

Teile Ihrer Unternehmung klingen wie das Drehbuch eines Ganovenfilms. Wie viel der von Ihnen erzählten Geschichte ist wahr?

Einhundert Prozent. Ich beuge die Wahrheit kein bisschen. Es gibt Dinge, die ich nicht erzähle – und das sind hauptsächlich Namen. Die wird niemand je aus mir rauskriegen. Aber ich rede hier freiwillig, und alles, was ich erzähle, stimmt bis ins Detail. Sonst wäre mir meine Zeit zu schade.

Haben Sie den Nervenkitzel teilweise auch genossen?

Oh nein, das waren notwendige Übel. Da war nichts Cooles dabei. Das war reine Arbeitszeit. Ich wusste: Wenn das schiefgeht, ist mein Leben vorbei.

Ihr Vorhaben baute darauf auf, dass Sie keinen einzigen Fehler machen. Sie hätten vier Jahre ausgezeichnete Arbeit leisten können – ein einziger schlechter Tag, und alles wäre dahin gewesen. Wie sind Sie mit diesem Stress umgegangen?

Ich bin kein gestresster Typ, das ist nicht mein Ding. Die Beschaffung war riskant, aber solange ich nur gedruckt und nichts verkauft habe, war ich kaum in Gefahr. Von außen war das nur eine Fabrik.

Wie sah Ihr Alltag dort drinnen aus?

Es war ein Knochenjob. Völlig monoton. Ich war da mit meinen Leuten, meiner Crew. Das war eine ernste Atmosphäre. Da kommt ein Bogen pro Sekunde aus der Maschine. Jeder Fehler kostet richtig Geld. Man muss die Geräte ständig überwachen, immer wieder nachjustieren. Wenn die Tiegel nur einen Millimeter daneben sind, kannst du ein paar Kartons voller Geld ins Feuer werfen. Das waren fünf zähe Monate.

Haben Sie damals von einem geregelten Angestelltendasein geträumt?

Ich würde mich aufhängen, wenn ich so was machen müsste. Ich brauche Herausforderungen.

Sie haben 250 Millionen Dollar gedruckt. Warum so viel?

Na ja, ich wollte schon, dass es sich lohnt. Und es war das kleinste Gebinde, für das ich dieses Papier kaufen konnte. Außerdem war es Teil meines Plans B, falls die Sache schiefgeht.

Sie haben also doch mit einem Scheitern gerechnet?

Das Erste, was ich bei meiner Recherche geplant habe, war das Vorgehen für den Fall, dass ich geschnappt würde. Ich wäre ja blöd, wenn ich das außer Acht gelassen hätte. Jeder, der Geld fälscht, setzt ein paar richtig gerissene Fahnder auf seine Spur. Mein Kalkül war: Entweder ich werde steinreich, oder ich habe ein sehr gutes Ass im Ärmel.

Dazu kommen wir noch. Erst mal müssen wir darüber sprechen, wie die Blüten in Umlauf kamen.

Das war schwieriger als gedacht. Für mich war das Geldfälschen eine illegale, aber saubere Angelegenheit. Ich hatte dann Kontakt mit Leuten, die containerweise Kokain schmuggelten. Und die haben mir reihenweise abgesagt. Diese Jungs sind schweres Kaliber, Einsätze mit Maschinenpistolen sind für die ein normaler Dienstag. Und die sagen mir: Hey Kumpel, sei bloß vorsichtig! Klar scheißt man sich da in die Hose.

Trotz der Zurückhaltung vieler potenzieller Käufer können Frank Bourassa und seine Helfer ein kleines Kundennetz aufbauen. Die Blüten sollen außerhalb Amerikas in Umlauf gebracht werden. Doch 250 Millionen sind eine Menge Holz, und Bourassa geht der Verkauf zu langsam. Also nimmt er nach eingehender Prüfung einen weiteren Käufer auf. Doch dessen Bande, die sich auf geklaute Baumaschinen spezialisiert hatte, war von einem verdeckten Ermittler infiltriert. In der Folge liefert Bourassa seine Blüten direkt an die kanadischen Behörden. Diese gründen mit dem US Secret Service die Sonderkommission „Cranium“ und nehmen in der Nacht des 23. Mai 2012 neben Bourassa und allerlei Utensilien eine Million Dollar Falschgeld mit, nachdem sie bei ihm zu Hause aufgekreuzt sind. Die Behörden feiern den Ermittlungserfolg, da ist ihnen ein großer Fisch ins Netz gegangen, denken sie. Dass diese Million nur die kostenlosen Muster für potenzielle Kunden waren, ahnen die Behörden nicht.

Welche Strafe blühte Ihnen, nachdem die Polizei eine Million Dollar Falschgeld bei Ihnen sichergestellt hatte?

Als die bei der Million dachten, das sei ein großer Fund, da musste ich innerlich schon ein wenig grinsen. Aber beim Verhör verging mir das Lachen. Das war schrecklich. Plötzlich waren da Leute vom Secret Service und erklärten mir, Kanada würde mich an die USA ausliefern. Damit hatte ich nicht gerechnet. In den USA drohten mir 60 Jahre Haft. Sie kennen das US-Gefängnissystem? Das hätte ich nicht überlebt. Es ist schwer zu beschreiben, wie sich da der Boden unter einem auftut. Es ist das Ende deines Lebens.

Aber Sie hatten einen Plan.

Oh ja. Aber erst mal hatte ich den besten Anwalt, den man mit Geld kaufen kann. Der hat es geschafft, dass die Auslieferung in die USA vom Tisch kam. Das war phänomenal. Und dann durfte ich die Untersuchungshaft auf Kaution verlassen.

Aber Ihren Masterplan haben Sie ihm da noch nicht erzählt?

Nein. Wozu auch? Ich wollte, dass er so hart wie möglich arbeitet. Und das hat er. Er hat mir einen super Deal nach dem anderen ausgehandelt, und ich habe alle abgelehnt. Der hielt mich für völlig verrückt. Von meinem Ass im Ärmel wollte ich ihm erst erzählen, wenn er alles ausgereizt hatte.

Ihr Ass waren 200 Millionen Dollar, die Sie gebunkert hatten?

Genau. Die kanadische Polizei ist per Gesetz dazu verpflichtet, Falschgeld aus dem Verkehr zu ziehen. Also habe ich einen Tausch angeboten: Die kriegen meine restlichen 200 Millionen, und ich kriege Straffreiheit. Sonst kommen die Blüten in Umlauf.

Und das hat funktioniert?

Zum Glück. Mit den US-Behörden hätte das nicht geklappt. Die wollten mich hängen sehen. Aber das kanadische Gericht hat noch eine Frist von einem Monat gesetzt. Bis dahin haben die alles in ihrer Macht Stehende versucht, um das Geld noch ohne meine Hilfe zu finden. Hätten sie es gefunden, wäre ich dafür in den Bau gegangen. Aber sie haben es nicht gefunden.

Wo hatten Sie es versteckt?

Auf einem Parkplatz in der Stadt, direkt an der Hauptstraße.

Da wurde es aber erst hingebracht, nachdem Sie aufgeflogen waren. Wie haben Sie das organisiert, wo Sie doch rund um die Uhr überwacht wurden?

Das hatte ich von Anfang an geregelt. Ich musste ja für den Fall planen, dass ich nirgends hingehen und mit keinem offen reden kann. Also musste ich mit nur einem unscheinbaren Anruf eine Kaskade von Ereignissen in Gang setzen, wo jemand zu jemandem geht, der zu jemandem geht, der jemanden schickt, der 200 Millionen Dollar und eine Druckerpresse an einem geheimen Ort in einen Truck lädt, diesen an einem zentralen, aber sicheren Ort in der Stadt abstellt und ihn mit einem Vorhängeschloss verschließt, dessen Schlüssel er hinter einem ganz bestimmten Baum in einem ganz bestimmten Wald versteckt. Das muss alles mit einem Anruf klappen, das ist nicht trivial.

Selbst für Ihr ruhiges Gemüt war das keine entspannte Zeit, oder?

Das kann man so sagen. Aber es hat funktioniert. Am Stichtag sind wir zu besagtem Baum gefahren, ich habe den Schlüssel geholt und wurde dann von einer lächerlich überdimensionierten Polizei-Eskorte zum Parkplatz eines Hotels mitten in der Stadt begleitet, wo ein Truck, beladen mit 200 Millionen Dollar und einer Heidelberg GTO 52, seit anderthalb Monaten völlig unbeachtet parkte.

Wie läuft so etwas ab? Übergibt man da einfach den Schlüssel und geht nach Hause?

Das war krasser als im Film. Die Stadt war schwarz vor Cops. Die brachten Hundestaffeln, Spezialeinheiten, alles. Weil die befürchteten, dass ich eine Bombe im Laster versteckt habe, musste ich den Motor starten. Habe ich gemacht. Hat ihnen aber nicht gereicht. Also habe ich den Truck mit den Millionen und der Heidelberg dann selber quer durch die Stadt zum Polizeipräsidium gefahren. Alle Straßen ringsum waren abgesperrt, vor und hinter mir Dutzende Einsatzwagen, mehrere Helikopter über mir, total surreal.

Und seit diesem Tag sind Sie ein freier Mann?

Ja, mein Freund. Ich habe alles zurückbekommen. Meinen Computer, mein Auto, alles – außer dem Falschgeld natürlich. Ich saß insgesamt sechs Wochen in U-Haft und musste 1350 Dollar Strafe zahlen. Das war’s.

Erst nachdem dieser unglaubliche Deal über die Bühne gegangen war, haben die Behörden festgestellt, dass man mit dem von Ihnen bestellten Papier nicht 200, sondern 250 Millionen Dollar drucken konnte, dass also knapp 50 Millionen falsche Dollar fehlten. Wie sauer waren die?

Ohhhhh, die waren vielleicht angepisst. Die dachten, ich hätte noch irgendwo 50 Millionen gebunkert. Dabei wäre ich ja bescheuert, das zu tun. Nachdem ich erwischt wurde, ist doch wohl klar, dass ich in dieses Gewerbe nicht mehr zurückkann. Wie die aber auf die Idee kommen konnten, ich hätte bis zu meiner Verhaftung nichts verkauft, das ist mir ein Rätsel. Nicht besonders schlau, würde ich sagen. Aber so ist das Spiel. Beide Seiten versuchen zu gewinnen. Und ich habe gewonnen. ---