Mecanic Vallée

Viele Regionen in der französischen Provinz leiden unter Perspektiv- und Arbeitslosigkeit. Aber eine Gegend trotzt dem Trend: Im Mecanic Vallée, mitten im Nirgendwo, erwirtschaften rund 200 Firmen jedes Jahr zwei Milliarden Euro.





• Simon Peucat schreitet durch einen großen Hangar. „Alles d’état de l’art“, sagt er und zieht die Augenbrauen hoch. State of the Art also, allerneueste Technik. Auf seiner Nase sitzt eine durchsichtige Schutzbrille, die junge Menschen in Berlin durchaus als „schnell“ bezeichnen würden. Hier der neueste 3-D-Kontrollscanner, da eine Fräse, die zwei Millionen Euro kostet. Jedes mit diesen Maschinen produzierte Teil muss auf den hundertstel Millimeter passen. „Sonst landet es im Müll“, sagt Peucat, der die Fabrik leitet. Der Raum ist auf das Grad genau beheizt, um Verformungen zu vermeiden.

Figeac Aéro ist eine Zuliefererfirma für die Luftfahrtbranche. Die Hallen sind voll mit Motorunterbauten, Rümpfen und Turbinenteilen. Eingebaut werden sie etwa in Flugzeugen wie dem Airbus A320 oder dem A350, die im nahe gelegenen Toulouse hergestellt werden. Aber die Gruppe liefert ebenso an Boeing (siehe auch S. 26) und den brasilianischen Flugzeughersteller Embraer.

Aus dem Fenster der Fertigungshalle B10 blickt man über die grünen Hügel des Umlandes. Was macht eine solche Hightech-Firma hier, mitten in der südfranzösischen Pampa?

Seit 2002 arbeitet Peucat bei Figeac Aéro, heute leitet er neben dem Standort in Figeac noch die Außenstellen in West- und Nordfrankreich. „Hier kann man gut aufsteigen, hat schnell Verantwortung und Anerkennung. Der Start-up-Spirit ist noch da“, sagt er. Und praktischerweise sitzt die Firma in seiner Heimatregion. Auch deshalb sei er geblieben. Seine Eltern leben nur eine Stunde entfernt in Cahors, die Kinder gehen in Figeac zur Schule, seine Frau arbeitet ebenfalls in der Gegend. „Man lebt hier gerne und gut. Sonst hätte ich hier nicht gebaut“, sagt der Mittvierziger. Manchmal fahre er zum Mittagessen nach Hause, das sei nicht mal zehn Minuten entfernt.

Figeac Aéro ist Teil des Mecanic Vallées, einem Firmen-Cluster aus rund 200 Unternehmen mit 13.000 Arbeitsplätzen, überwiegend aus der Luftfahrt- und Automobilbranche. Das Gebiet, in der Mitte von Toulouse und Lyon, erstreckt sich bananenartig von Limoges über Figeac bis nach Rodez. Wem diese Orte nichts sagen, hat in Erdkunde wahrscheinlich trotzdem aufgepasst.

Das Mecanic Vallée liegt auf der sogenannten Diagonale du vide, der Diagonalen der Leere: ein 150 bis 200 Kilometer breiter Streifen, der sich vom Nordosten bis in den Südwesten Frankreichs zieht. In diesem Teil des Landes zwischen den Ardennen und den Pyrenäen ist die Bevölkerungsdichte sehr niedrig, meist unter 30 Menschen pro Quadratkilometer. Es fahren kaum Schnellzüge, auch große Flughäfen sucht man vergebens (siehe auch brand eins 03 /2023 „Hinterland-Express“) *. Die Deindustrialisierung seit den Siebzigerjahren hat Narben hinterlassen. Vielerorts sind die Schaufenster leer, die Rollläden heruntergelassen, Arztpraxen und öffentliche Einrichtungen wie eine Post gibt es immer weniger.

Aber hier, im Mecanic Vallée, werden jedes Jahr rund zwei Milliarden Euro erwirtschaftet.

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