Persönlichkeitstests

Moderne Firmen wollen mittlerweile fast alles vermessen – auch ihre Beschäftigten. Einblicke in das lukrative Geschäft der Persönlichkeitstester.




• Bei dem einen oder anderen US-Unternehmen, erzählt Wilsey Mockett und schmunzelt dabei, erhalte man mittlerweile vor jedem Meeting ein Manual zu den anderen Teilnehmern. Die Resultate des Persönlichkeitstests, den alle vorher gemacht haben. Das soll dazu beitragen, dass man sich im Meeting besser versteht. Etwa: Meine Persönlichkeit ist ENFP, bitte micromanage mich nicht.

ENFP steht für Extraversion, Intuition, Feeling, Perception. Unter den 16 Persönlichkeiten des Myer-Briggs-Typenindikators (MBTI) gilt der ENFP als enthusiastischer, unabhängiger Macher. Jemand, der Beinfreiheit braucht, um zu performen. Dieser Test hat Gewicht im Personalwesen, und zwar nicht nur bei US-Unternehmen, mit denen Mockett zusammenarbeitet.

Mockett ist seit 15 Jahren als Personalerin tätig, aktuell als Talent Director bei Panasonic Europe. Die Human-Ressource-Abteilung des Unternehmens verwendet verschiedene Persönlichkeitstests, unter anderem den MBTI. Aber seit ein paar Jahren, sagt Mockett, seien ihr Zweifel gekommen, wie valide die Ergebnisse sind, die Persönlichkeitstests liefern.

Der Zweifel ist gut begründet: Schon länger weisen Studien darauf hin, dass viele weitverbreitete Persönlichkeitstests keinen wissenschaftlichen Standards genügen. Das liegt auch daran, dass Persönlichkeit ein schwammiger Begriff ist, der der komplexen Lebensrealität nicht gerecht werden kann. Der Anspruch, diese trotzdem objektiv zu vermessen, ist abwegig – aber attraktiv. Und genau deswegen wimmelt es am Markt nur so vor Anbietern.

Als das Diagnostik- und Testkuratorium (ein Gremium des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen und der Deutschen Gesellschaft für Psychologie) im vergangenen Jahr die Ergebnisse einer Untersuchung von Persönlichkeitstests veröffentlichte, attestierte es mehr als der Hälfte der Tests eine eingeschränkte Validität. Das heißt: Nicht mal jeder zweite Test misst, was er vorgibt zu messen. Jedem dritten Test bescheinigte es eine eingeschränkte Reliabilität, also Zuverlässigkeit. Diese Tests lieferten andere Ergebnisse, wenn man sie wiederholte.

Der Chef des Kuratoriums, Martin Kersting, sagt, dass die Werte wahrscheinlich noch schlechter aussähen, wenn man sich nur die bei Personalern beliebten Persönlichkeitstests anschaute. In der akademischen Psychologie ist es ein offenes Geheimnis, dass ein großer Teil dieser Tests ungenaue Ergebnisse liefert.

Niels Van Quaquebeke ist Psychologe und Professor für Leadership und Organizational Behavior an der Kühne Logistics University. Er sagt, viele der Tests seien „so wissenschaftlich wie ein Persönlichkeitstest in der »Brigitte«“. Rüdiger Hossiep, Psychologe und Leiter des Projektteams Testentwicklung an der Ruhr-Universität Bochum, schätzt den Anteil unwissenschaftlicher Persönlichkeitstests in deutschen HR-Abteilungen auf zwei Drittel: „Da können Sie auch gleich ein Horoskop lesen.“

Horoskope zu lesen oder Persönlichkeitstests zu absolvieren, um die eigene Neugier zu befriedigen, ist in aller Regel harmlos. Anders sieht es aus, wenn Konzerne Personalentscheidungen von zweifelhaften Messverfahren abhängig machen. Und das ist erstaunlicherweise sehr verbreitet.

Wilsey Mockett von Panasonic EU berichtet von Fällen, bei denen die Ergebnisse von Persönlichkeitstests entscheidend für die Stellenbesetzung gewesen seien. Heute mache man keine wichtigen Entscheidungen mehr von solchen Instrumenten abhängig.

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