Was Menschen bewegt

Retten wir unsere Stadt!

Johannesburg stieg in der knapp 140-jährigen Stadtgeschichte vom Goldgräberort zum wirtschaftlichen Zentrum Südafrikas auf. Nun droht der Niedergang. Eine Gruppe von Bewohnern will ihn aufhalten.




• Mittwoch ist Putztag. Im Zentrum Johannesburgs haben sich gut 200 Menschen vor den festungsähnlichen Gebäuden der Standard Bank eingefunden: Sie tragen blaue Westen und blaue Kappen. Blau, wie die Farbe der Bank. „Ihr alle seid verrückt genug, um noch an die Zukunft unserer Stadt zu glauben“, begrüßt Melusi Mhlungu die Freiwilligenschar. „Johannesburg wird wieder die Stadt des Goldes werden, weil es hier Menschen wie euch aus Gold gibt.“

Danach steigt die Truppe wie jeden Mittwoch in drei Busse ein, die sie heute in die berüchtigte Hauptschlagader der Metropole, die Bree Street, bringen (der neue Name Lilian Ngoyi Street hat sich nicht durchgesetzt). Dort bekommt jeder einen blauen Beutel mit Mülltüten, Plastikhandschuhen, einem Schokoladenriegel und einem T-Shirt mit dem Logo von „Jozi My Jozi“: das Symbol der Kampagne zur Rettung der Stadt.


Johannesburg ist immer noch eine Stadt mit einem lebhaften Handel (oben), deren Kern aber zunehmend verfäll (unten). Das wollen die Initiatoren von „Jozi My Jozi“ ändern

In der Bree Street rückt die Putzkolonne Schritt für Schritt auf den Gehsteigen vor: ein Terrain, das an ein Kriegsgebiet erinnert. Alle paar Meter Löcher so groß wie Bombenkrater, mit freigelegten Kabeln und Rohren. Dazwischen Berge von Abfall: Plastikflaschen, Tüten, Styroporcontainer – die verschwinden in den Müllsäcken. Schließlich erreicht die Brigade eine Absperrung, hinter der mitten auf der Straße ein mehr als hundert Meter langer Spalt im Asphalt klafft. Die Folge einer mächtigen Explosion im Juli 2023, die 15-sitzige Minibusse wie Spielzeuge durch die Luft schleuderte. Die Detonation war einer Methangasblase zuzuschreiben, die sich in einem seit Jahrzehnten nicht mehr gewarteten Abwasserkanal gebildet hatte. Die Nachricht ging um die Welt. „Johannesburg ist auf den Hund gekommen“, sagt Melusi Mhlungu. Deswegen ist er hier.

Vor einem Jahr lebte der 35-Jährige noch in Brooklyn, New York, und dachte nicht daran, in seine Heimat zurückzukehren. Der Südafrikaner machte gerade eine Traumkarriere in der Werbewelt. Er hatte unter anderem Jobs bei Ogilvy und der Agentur David in Miami, gewann Löwen in Cannes und schuf zwei während der Superbowls ausgestrahlte Werbespots – die höchste Ehre in seiner Branche.

Doch eines Tages tauchte ein alter Freund aus der Heimat in Brooklyn auf: „Johannesburg braucht dich“, sagte Robert Brozin, Gründer der Brathähnchenkette Nando’s, zu ihm. Brozin, über den Zustand der Stadt mehr als besorgt, hatte sich bereits mit dem einst größten südafrikanischen Unternehmen Anglo American und der traditionsreichen Witwatersrand-Universität zusammengeschlossen, um die von einem Desaster zum nächsten torkelnde Metropole zu retten. Melusi Mhlungu sollte dabei helfen. „Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens“, sagt er. Und „Jozi“, wie die Stadt Johannesburg von ihren Liebhabern genannt wird, gewann.

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