Das geht – Optocycle

Bauschutt ist eine wertvolle Ressource. Doch die Aufbereitung ist mühsam. Das Start-up Optocycle will den Prozess nun automatisieren.



Optocycle-Mitgründer Max-Frederick Gerken


Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 02/2024.

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• Allein im Jahr 2021 wurden hierzulande laut Statistischem Bundesamt mehr als 14.000 größere Gebäude abgerissen, das ergibt 60 Millionen Tonnen Bauschutt. Und die landen allesamt zunächst beim Verwerter, der sichtet, sortiert, trennt und entscheidet, ob das Material auf die Deponie muss oder weiter verwertet werden kann. „Bei größeren Abbrüchen kommen da schon mal 10.000 Lkw-Fuhren zusammen“, sagt Daniel Imhäuser, Geschäftsführer der Blasius Schuster KG in Frankfurt am Main, einem großen Unternehmen der Branche.

Was auf dem Hof des Verwerters landet, kann dieser zunächst nur grob einschätzen. Oft entpuppen sich sortenrein angekündigte Betonreste als Mix verschiedener Materialien. Das Problem: Nur reine Ladungen lassen sich einfach weiterverwenden, etwa für neue Ziegel, Kies oder Recycling-Beton. Mischungen aus Beton, Erde, Gips oder Metall müssen zunächst mit entsprechenden Anlagen getrennt werden, was fast so teuer ist wie die Deponierung. Das bedeutet: aufladen, transportieren, abladen, anschauen, aufladen, transportieren, abladen. Eine aufwendige Sache.

Wüsste man schon vor der Abfahrt am Abbruchort, was auf dem Laster ist, könnte der direkt zum passenden Ziel fahren. „Das würde Transporte reduzieren und Ressourcen besser in den Kreislauf bringen“, sagt Imhäuser, der auch im Vorstand des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) ist.

Über Umwege erfuhr Imhäuser von einer Technik, die an der Supermarktkasse Obst und Gemüse anhand typischer Strukturen selbstständig erkennen soll. Obwohl Obst und Abbruch wenig gemein haben, war Imhäuser hellwach – schließlich ist es einer Mustererkennung egal, worauf sie trainiert wird.

Die Technik hatten Max-Frederick Gerken und Lars Wolff entwickelt. Gerken, 28, hat an der Universität Tübingen Wirtschaftswissenschaften studiert und ging dann als Trainee zur Heilbronner Schwarz-Gruppe, um zu sehen, „wie ein Konzern funktioniert“. Mitgründer Wolff, 31, der Informatiker im Team, hat ebenfalls in Tübingen studiert und dann ein US-Start-up mit aufgebaut. Die beiden fanden zusammen und gründeten 2021 KrautVision, ein Start-up, das unter anderem mit dem System Kile die Obst- und Gemüse-Sortierung vermarktet.


„Wir schieben zwischendurch falsche Bilder ein, um systematische Fehler auszuschließen.“


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Der Optocycle-Mitgründer Max-Frederick Gerken will kürzere Wege für Bauschutt

Dieses Prinzip auf die Abfall-Sortierung zu übertragen leuchtete den beiden Erfindern sofort ein, und so gründeten sie im Frühjahr 2022 mit Daniel Imhäuser als Unterstützer und Beirats-Vorsitzenden die Optocycle GmbH. Seit April 2023 arbeitet der erste Prototyp. Aktuell laufen sechs Systeme im Testbetrieb, bei Partnern, die zugleich in die Entwicklung eingebunden sind. In diesem Jahr sollen weitere 10 bis 15 Pilotanlagen dazukommen. So erzielt Optocycle bereits im ersten Jahr Umsatz, einen niedrigen sechsstelligen Betrag, der 2024 auf mehr als eine halbe Million Euro wachsen soll.

Das zum Patent angemeldete System funktioniert im Prinzip so: Kameras in Durchfahrportalen scannen die Ladung der Lastwagen, schicken die Bilder zum Server, wo die Software die Materialien in Echtzeit anhand von Formen, Strukturen und Farben analysiert und das Ergebnis an den Entsorger schickt. Dabei lernt das System mit jeder neuen Ladung. Obwohl nur die oberste Schicht erfasst wird und mitunter verwackelte Bilder entstehen, arbeite die Technik sehr präzise, „mit einer Genauigkeit von 87 Prozent“, sagt Gerken. „Wir trainieren aktiv, und schieben zwischendurch falsche Bilder ein oder überlagern sie mit Rauschen, um systematische Fehler auszuschließen.“

Was Optocycle noch nicht kann: den Trennprozess in den automatisierten Aufbereitungsanlagen unterstützen. Das System liefert aber für jede Ladung eine Prognose über deren Zusammensetzung. Dazu kommen weitere Informationen über störende Stoffe, wie etwa die sogenannten Feinfraktionen mit Korngrößen unter vier Millimetern. Die sind nicht verwertbar und schmälern den möglichen Erlös des Entsorgers.

„Die Kostenabschätzung ist wichtig“, sagt Gerken, schließlich mache es einen Unterschied, ob der Bauschutt für 60 bis 70 Euro je Tonne auf die Deponie muss oder als Rezyklat verkauft werden kann. Daher ermittelt das System auch die Größe der angelieferten Brocken – je größer die Stücke, desto aufwendiger und teurer müssen sie im sogenannten Brecher zerkleinert werden.

Das Kapital für die Gründung kam von einer Bank, einem Stuttgarter Bauunternehmen und aus privaten Rücklagen. 2024 könnte es eine überschaubare Finanzierungsrunde geben, dafür will man Investoren ansprechen, primär Unternehmen aus der Branche, die auch inhaltlich zur Weiterentwicklung beitragen sollen.

Und wie wollen die Unternehmer Geld verdienen? „Wir werden unterschiedliche Pakete zur Lizenzierung anbieten“, sagt Gerken, „das kann bei ein paar Hundert Euro pro Monat für die einfache Dokumentation starten und steigert sich dann entsprechend der erhobenen Datenmengen.“ In sechs Jahren werde Optocycle dann schwarze Zahlen schreiben – so der Plan der Gründer. --


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