Goodbytz

Restaurants und Kantinen leiden unter Personalmangel. Ein Start-up aus Hamburg verspricht die Lösung: eine Roboterküche.





• Michael Wolf steht vor seiner neuen Küche im Hamburger Stadtteil Eilbek. Ein glitzernder Kubus aus Edelstahl und Glas im Erdgeschoss eines unspektakulären Bürogebäudes. Im Moment kommt Wolf leider nicht rein in den Kubus. Die Türen sind verriegelt, die Abluftanlage rauscht, Warnlampen blinken, es summt leise. In der Küche wird gearbeitet. „In drei Minuten“, sagt Wolf, „ist alles fertig.“

Entspannt verschränkt er die Arme vor der Brust. Hinter der Glasfront der Küche rotieren Töpfe auf Kochfeldern. Vorbereitetes Gemüse steht in Plastikboxen bereit, Nudeln kochen. Gleich wird serviert. Aber von wem? In der Küche ist kein Mensch zu sehen. Nur drei weiße Roboterarme, die mit Salatbowls, Soßenspendern und Töpfen hantieren. „Läuft alles automatisch“, sagt er.

Händler, Hersteller und Dienstleister erreichen ihre Kunden erfolgreicher mit GS1 Germany. Unsere Leistungen umfassen Trainings, Beratung, Studien & Insights rund um eine exzellente Shopper Experience. Damit Ihre Shopper Sie lieben.

Jetzt mehr erfahren!

Anzeige

Gs1 logo

Michael Wolf, 43, ist seit ein paar Monaten Head of Culinary Art bei der Firma Goodbytz, die bis 2025 mehr als hundert Roboterküchen bauen und vermieten will. Die anderen Beschäftigten montieren die Küchen, programmieren und vermarkten sie. Wolf sagt den Robotern, was sie kochen sollen. Er kennt sich aus mit Küchenbrigaden: In Tim Mälzers Hamburger Restaurant „Bullerei“ war Wolf sieben Jahre lang Küchenchef. Mit echten Menschen am Herd, Gehaltsverhandlungen, Streitereien, Krankmeldungen, Nachtschichten, Bauchpinseln, Eheproblemen, Abmahnungen, Kündigungen, Neuanstellungen. Alles mit Hitze, Stress und Mälzer. Ein harter Job. Manche sagen: ein Höllenjob.

Dagegen sind die Roboter Kuschelkumpels. Zuverlässig, präzise, schnell. Kein Meckern, kein Verschlafen, keine Krankheit, kein Urlaub. Sie arbeiten 23 Stunden am Tag (in der 24. Stunde reinigen sie sich) und auch am Wochenende, ohne Zulagen zu verlangen. Und wenn die Goodbytz-Ingenieure alles richtig gemacht haben, tun sie das 45.000 Stunden lang. 5,1 Jahre klagloses Malochen. Noch eine Rechnung: Jede Stunde schafft die Roboterküche 150 Gerichte. Macht 6.750.000 in ihrer Lebenszeit.

Wenn Kevin Deutmarg, der Mitgründer von Goodbytz, das vorrechnet, grinst er noch mehr als ohnehin schon. Der 32-Jährige ist verantwortlich für das operative Geschäft und nebenberuflich Strahlemann vom Dienst. Er findet alles geil, was Goodbytz macht. Und wer, wenn nicht er, hätte Claims erfinden können wie „Come Hungry“ oder „Go Bananas“, obwohl Bananen so ziemlich das Einzige sind, was Wolf den Robotern noch nicht ins elektronische Rezeptbuch geschrieben hat. 70 Gerichte sind schon hinterlegt, und jeden Tag kommen neue dazu.


Herr der Roboter: Michael Wolf entscheidet, was die Maschine kocht


Die Gründer: Philipp von Stürmer (links), Hendrik Susemihl und Kevin Deutmarg

Der Mensch als Handlanger

Heute gibt es in der Versuchsküche Kaiserschmarrn mit Apfelmus und Zimt-Keks-Bröseln, Kacang Sumatra mit Udon-Nudeln, Gemüse und Erdnusssoße, außerdem Salat mit Ponzu-Dressing, Porridge und Penne Amatriciana. Die kleine Lunch-Karte.

Die Bestellung wird auf einem Touchscreen eingetippt – und schon machen sich die Roboterarme ans Werk. Routiniert greifen sie sich die vorgeschnippelten und vorgegarten Lebensmittel aus den Boxen im Kühlschrank (Gemüse putzen und in mund- und maschinengerechte Stücke schneiden können sie noch nicht).

Das Stückgut wird von einer Art Wendelschnecke grammgenau in die Töpfe transportiert. Das klingt banal, ist es aber nicht: Feuchtes Schüttgut bleibt an der Spirale kleben, trockenes rieselt nach. Eine Erbse wiegt 2 Gramm, ein Stückchen Huhn 20 Gramm. Die Ingenieure mussten lang tüfteln, bis alles flutschte.

Vorsichtig senkt ein Roboterarm den gefüllten Topf auf eines der acht Induktionskochfelder. Bis zu 400 Grad Celsius heiß wird es dort, sodass bei Bedarf Röstaromen entstehen. Und damit nichts anbrennt, beginnen die Töpfe mit 180 Umdrehungen pro Minute zu rotieren. Zwischendurch gibt es eine kleine Vollbremsung zum Wenden der Speisen. Und nach zwei bis spätestens fünf Minuten schnappt sich der Arm erneut den Topf, kippt den Inhalt auf einen Pappteller und schiebt diesen unter die Soßenspender, die dekorativ Apfelmus, Erdnusssoße oder was auch immer auf dem Gericht platzieren.

Erst bei der Essenausgabe ist der Mensch wieder gefragt. Kevin Deutmarg drückt den Deckel auf den Pappteller. „Da braucht man Fingerspitzengefühl“, sagt er, „das schafft der Roboter noch nicht.“ Unterdessen kümmert sich ein anderer Gelenkarm um das schmutzige Kochgeschirr. Er schnappt sich den Topf und schiebt ihn in eine Spülmaschine. In ein paar Minuten ist er wieder einsatzbereit.

Ab dem Sommer 2022 lief eine Testküche von Goodbytz zwölf Monate lang als sogenannte Ghost Kitchen. In solchen Restaurants ohne Gastraum werden die Speisen online bestellt und von Lieferdiensten zur Kundschaft gebracht. „Wir wollten sehen, ob das technisch und wirtschaftlich funktioniert“, sagt Deutmarg. Das tat es: 50.000 Essen wurden im Testzeitraum unter einem Fantasie-Restaurantnamen über Lieferando ausgeliefert. Ein einziger Mitarbeiter steuerte die Anlage in Eilbek, füllte bei Bedarf die Vorratsboxen auf und drückte Pappdeckel auf die Teller. Dass Roboter die Gerichte gekocht hatten, verriet die Firma nicht. Noch gebe es zu viele Vorurteile, sagt Deutmarg.

Das Essen habe 315 Bewertungen erhalten, Durchschnittsnote 4,8 von 5. 40 Prozent der Kunden hätten mehrfach bestellt. Der Roboterbetreuer habe in der Küche so wenig zu tun gehabt, dass er Stammkunden eine handgeschriebene Karte in die Liefertüte packte: „Hey Stella, danke, dass du zum 13. Mal bestellt hast. Ich hoffe, es schmeckt.“ Deutmarg muss lachen, als er das erzählt.

Vor lauter Euphorie hätte er fast verraten, dass so eine Roboterküche einen mittleren fünfstelligen Betrag kostet. Aber da können ihn seine Mitgründer, Hendrik Susemihl und Philipp von Stürmer, gerade noch bremsen. Geschäftsgeheimnis und ohnehin nicht relevant. Denn: Die Küchen kann man nur mieten. Wie hoch ist die Miete? Auch das behalten die Gründer für sich. Von anderer Seite hört man, dass es etwa 4.000 Euro im Monat sind, plus ein paar Cent-Beträge pro Gericht. Das läppert sich, wenn eine Roboterküche in fünf Jahren mehr als sechs Millionen Gerichte kocht. Wie hoch der anvisierte Umsatz ist? Man ahnt die Antwort schon.

Anzeige

Gsg-0133-2024-bannerkampagne-shopper-experience-1200 x 850

Für mehr Erfolg am Point-of-Sale.

Kooperation schafft Mehrwert. Mit dem Grundgedanken des Category Managements verbinden wir neutral und kompetent Händler, Hersteller und Shopper. Das Ziel: die Kundenzufriedenheit und Nachfrage steigern – und so Umsatzwachstum generieren. Legen Sie gemeinsam mit uns den Grundstein für ein erfolgreiches Category Management – passgenau in Form von Trainings, maßgeschneiderter Beratung oder Marktforschungsstudien.

Jetzt mehr erfahren!

Alles Top Secret

„Geschäftsgeheimnis“ ist eines der Lieblingswörter in der Branche. Mehr als 60 Geheimhaltungsvereinbarungen hat Susemihl potenziellen Kunden und Zulieferern schon ausgestellt. Der Wettbewerb ist hart. Und auch die Konkurrenten schweigen, wenn es um Zahlen geht (siehe Spalte links). Das liegt vermutlich daran, dass die meisten noch nicht viele Küchen verkauft haben und der Markt zwar vielversprechend, aber auch schwierig ist.

In den rund 62.000 Restaurants und 14.000 Kantinen in Deutschland fehlt Personal, und die angeheuerten Hilfskräfte vermurksen viele Gerichte und die Stimmung. Das ist gut für Goodbytz & Co. Ein normales Restaurant mit vergleichbarer Kapazität wie die Roboterküche koste im Monat locker 20.000 Euro inklusive Abschreibung und Personalkosten, schätzt Deutmarg. Da wären seine Roboter günstiger, die Investition würde sich also schneller amortisieren (siehe Kasten). Weltweit rechnen Marktbeobachter mit einem Umsatz von mehr als fünf Milliarden Dollar im Jahr 2028.

Andererseits sind Robo-Küchen in der Anschaffung teuer und die Kreditzinsen hoch. Kaum jemand will sie den Entwicklern abkaufen, dafür gibt es noch zu wenig Erfahrungen. Das ist schlecht für Goodbytz & Co. Deshalb finanzieren sie die Küchen selbst und vermieten sie anschließend.

Dafür braucht das Trio viel Geld. 16 Millionen Euro haben sie bereits eingesammelt. Hauptinvestor ist der Hamburger Wagniskapitalgeber Oyster Bay Venture Capital, seit Kurzem ist auch die Steakhouse-Gruppe Block mit an Bord. In den kommenden zwei, drei Jahren bräuchten sie weitere 25 bis 50 Millionen Euro, sagt Susemihl.

Er ist Mechatroniker und wie seine beiden Mitgründer Ingenieur und Robotik-Spezialist. Alle drei haben für Neura Robotics in Metzingen in der Nähe von Stuttgart gearbeitet: ständig auf der Autobahn von Norden nach Süden und zurück. Unterwegs mal schnell zu einem schlechten Italiener, in eine Dönerbude oder zu McDonald’s. Und in Metzingen fanden sie sich in der kulinarischen Diaspora wieder. Vor allem Susemihl hatte es schwer: Nach dem Herzinfarkt seines Vaters hatte er sich intensiver mit gesunder Ernährung auseinandergesetzt und aß fast nur noch vegan. Nicht so einfach im Schwabenland. „Ich dachte mir: Warum soll ich schlecht essen, wenn ich Robotern beibringen kann, überall gut und gesund zu kochen?“

Weihnachten 2020 war klar, dass die drei es wagen wollen. Im August 2021 gründeten sie Goodbytz offiziell, steckten 50.000 Euro in das Projekt und bauten einen Prototyp. „Sah scheiße aus“, sagt Susemihl, „hat aber funktioniert“ – und brachte erste Geldgeber dazu, zu investieren.

Mittlerweile hat Goodbytz 45 Beschäftigte. Und auf der Website wird jede Menge Personal gesucht: Anwälte, Ingenieurinnen, Programmierer, Elektrikerinnen, Verkäufer. Bald sollen 70 Leute für Goodbytz arbeiten. Im Mai ziehen sie in eine neue Firmenzentrale auf dem Otto Campus des gleichnamigen Konzerns, im Juni wollen sie ein Flagship-Restaurant in der Hamburger Innenstadt eröffnen. Wo? Natürlich noch geheim. Ebenfalls für dieses Jahr geplant sind erste Auslieferungen an Kunden wie den französischen Kantinenbetreiber Sodexo, der jeden Tag 80 Millionen Menschen bekocht.

Läuft bei Goodbytz. Aber wie schmeckt das Essen? Porridge, Udon-Nudeln und Salat sind prima. Aber den Kaiserschmarrn! Den sollten sie einem Gast aus München nicht servieren. Der Mehlspeise fehlte der satte, crunchige Geschmack, den man erreicht, wenn man ihn 20 Minuten lang liebevoll in der gusseisernen Pfanne karamellisieren lässt. Aber woher soll ein Roboter in Hamburg das wissen? ---

Marktforscher prognostizieren der Branche jährliche Wachstumsraten von 12 bis 17 Prozent. 2028 rechnen sie mit einem globalen Umsatz von 5,3 Milliarden Dollar. Wichtige Anbieter auf dem Markt:

Miso Robotics (USA) baut seit 2016 Frittierroboter. Sie kosten 30.000 Dollar pro Stück und haben bereits mehr als 2 Millionen Körbchen Pommes in heißem Fett ausgebacken. Die Firma hat rund 50 Millionen Dollar an Kapital eingesammelt, Umsatzzahlen veröffentlicht sie nicht.

Hyphen (USA) wurde 2020 gegründet und baut vollautomatische Fließbänder für Bowls. 58 Millionen Dollar stehen dem Start-up zur Verfügung. Die Maschinen schaffen 350 Mahlzeiten pro Stunde. Umsatzzahlen veröffentlicht die Firma nicht.

Remy Robotics (Spanien) führt Ghost Kitchens (siehe Text) in verschiedenen Städten. Die Firma arbeitet seit 2018 an autonomen Küchen und will in fünf Jahren 500 Stück betreiben. Umsatzzahlen veröffentlicht sie nicht.

Raumbedarf, in Quadratmetern,
… einer traditionellen Küche: 186
… einer Roboterküche: 18,6

Personalbedarf
… einer traditionellen Küche: 25
… einer Roboterküche: 4

Benötigter Zeitraum von der Planung bis zur Eröffnung, in Wochen,
… einer Restaurantküche: 52
… einer Roboterküche: 6

Kapitalbedarf, in Dollar,
… einer Restaurantküche: 1.000.000
… einer Roboterküche: 30.000

Benötigter Zeitraum bis zur Gewinnschwelle, in Jahren,
… einer traditionellen Küche: 5
… einer Roboterküche: 0,5