XeedQ: Quantencomputer

Eine Leipziger Firma will Quantencomputer bauen, die sich auch Mittelständler leisten können. Der Beginn einer neuen Hightech-Branche?





Gopalakrishnan Balasubramanian (links) und Jan Sperlich

• Weder das Ambiente noch die Rohstoffe, die der Erfinder verwendet, wirken verheißungsvoll: Das schmucklose Büro liegt im vierten Stock über einem Fitness-Studio am Leipziger Augustusplatz. Dort arbeitet Gopalakrishnan Balasubramanian mit Bauteilen, die er auf Ebay gekauft hat. Was er damit zusammenschraubt, könnte allerdings wegweisend sein: kleine Quantencomputer, die nur vier Quantenbits (Qubits), also eine geringe Rechenleistung haben.

Balasubramanian ist Quantenphysiker und hat an renommierten deutschen Forschungsinstituten gearbeitet. Mit den kleinen Geräten experimentiert er, und wenn man ihn lange genug schwärmen hört, bekommt man den Eindruck, dass ihm das richtig Spaß macht.

Eine größere Version mit 32 Qubits bauen er und sein Team im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Dazu haben sie Zugang zu einem Labor auf dessen Campus in Ulm.

Gopalakrishnan Balasubramanians Büro – „nennen Sie mich der Einfachheit halber doch Gopi“ – okay, also Gopis Büro in Leipzig ist vollgestellt mit Umzugskartons, in denen sich Elektronik stapelt. In der Mitte des Raums stehen zwei lange Tische, auf einem der beiden liegt eine Lochrasterplatte, nicht viel größer als eine Familienpizza. Auf dieser hat Gopi ein paar Spiegel, Linsen und Laser ineinander verschachtelt.

Daneben liegt eine Plastikdose. Gopi nimmt den Deckel ab und lässt ein winziges, silbern funkelndes Plättchen auf seine Hand fallen. Dann sagt er feierlich: „Unser Quantenchip.“

Wenn es um diese Technik geht, dann werden oft irre Bilder von einem goldenen Gerät gezeigt, an dem Tausende Kabel entlanglaufen. Meistens erinnern sie an einen Springbrunnen, der kopfüber von der Decke hängt.

Das sind die Hochleistungsgeräte, die Konzerne wie IBM oder Google entwickeln und für mehrere Hundert Millionen Euro verkaufen. Um sie zu nutzen, bauen Universitäten oder Großunternehmen oft einen halben Forschungscampus. Sie zu betreiben ist anspruchsvoll, denn die Computer müssen auf minus 273 Grad Celsius gekühlt werden.

Gopis kleinen Quantencomputer dagegen kann man mit dem Auto transportieren, er muss nicht gekühlt werden, Strom bekommt er aus einer normalen Steckdose. Der Forscher gibt zu, dass sein Gerät nicht mit den goldenen Konkurrenten mithalten kann, die IBM und Google bauen. Aber dafür soll es auch nur ein paar Hunderttausend Euro kosten.

In den kommenden Jahren will er Quantencomputer an Forschungsinstitute und Firmen verkaufen. Mit den größeren 32-Qubit-Maschinen, die er baut und für einige Millionen Euro anbieten will, kann man Berechnungen durchführen, an denen konventionelle Computer scheitern würden: komplexe Wettermodelle durchrechnen beispielsweise.

Die Maschinen mit vier Qubits lassen sich dagegen nicht produktiv nutzen. Für Unternehmen sind sie trotzdem interessant, wenn diese erst einmal ein Gefühl dafür bekommen wollen, wie die Technik funktioniert.

Quantencomputer sind nicht einfach schnellere Rechner, sondern sie folgen einem völlig anderen Prinzip. Software-Ingenieure werden lernen müssen, anders zu denken. Die Computerprogramme, die für konventionelle Digitalcomputer geschrieben wurden, werden auf Quantencomputern nicht funktionieren.

Dafür sind die Hochleistungsmaschinen in der Lage, unzählige Lösungen für Probleme zur gleichen Zeit zu prüfen. Sie können verstehen, wie sich ein komplexes System verändert, wenn man nur eine winzige Variable austauscht. Und sie können sich sehr geschmeidig durch gigantische Datenmengen arbeiten. Forscher glauben, so in Simulationen neue Medikamente zu entdecken, das Klima besser zu verstehen und künstliche Intelligenz auf die nächste Stufe zu heben – kurz: bei solchen ökologisch und ökonomisch relevaten Problemen einen Innovationsschub auszulösen.


Gopi am Quantencomputer

Die Geräte basieren auf einem völlig anderen Konzept als herkömmliche Computer. Laptop, SmartTV und Handy arbeiten mit Bits. Diese können wie ein Lichtschalter an- oder ausgeschaltet sein. Kombiniert man viele dieser Bits, kann man sie für Berechnungen nutzen.

Quantencomputer dagegen arbeiten mit Qubits. Diese können an- oder ausgeschaltet sein, aber auch irgendetwas dazwischen – und manchmal auch beides zugleich. Schwer vorstellbar? Das liegt daran, dass unser Alltag in der Welt der klassischen Physik stattfindet. Quantenphänomene jedoch finden auf der subatomaren Ebene statt. So unvorstellbar es klingt, aber unter Physikerinnen und Physikern ist unumstritten, dass ein Elektron sich beispielsweise zugleich in zwei entgegengesetzte Richtungen drehen kann: Sie sprechen von Superpositionen.

Diese lassen sich für Berechnungen nutzen. Weil sich das Qubit in mehreren Positionen gleichzeitig befinden kann, kann ein Quantencomputer auch mehrere Lösungen für ein bestimmtes Problem gleichzeitig überprüfen. Ein traditioneller Computer dagegen kann diese nur nacheinander durchspielen.

Darüber hinaus nutzen Quantencomputer einen weiteren Effekt aus der Quantenwelt aus, den wir uns in unserer alltäglichen Welt schwer vorstellen können: die Quantenverschränkung.

Qubits lassen sich so tief miteinander verbinden, dass die Veränderung des einen Qubits sofort eine Veränderung des anderen Qubits bewirkt. Legt man also einen Lichtschalter um, reagieren alle anderen Lichtschalter im Haus unmittelbar darauf. Diese Verschränkung macht Quantencomputer zu einem mächtigen Werkzeug für koordinierte Berechnungen und ermöglicht es, Probleme zu lösen, die auf komplexen, voneinander abhängigen Variablen basieren.

Ein Nachteil besteht darin, dass Quantencomputer anfällig für Fehler sind, etwa durch Temperaturschwankungen oder elektromagnetische Felder. Es ist außerdem kompliziert, viele Qubits miteinander zu verbinden.

Gopi nutzt dazu winzige Unregelmäßigkeiten in Diamanten – NV-Zentren genannt. Dem Diamanten fehlt ein Kohlenstoffatom. Dieses wurde durch ein Stickstoffatom ersetzt. Die Elektronen, die um dieses Stickstoffatom kreisen, können als Qubits dienen.

In einer solchen Situation entwickeln Elektronen recht zuverlässig Quanteneigenschaften – das heißt, sie zeigen diejenigen Eigenschaften, die in unserer klassischen Welt nicht vorstellbar sind, aber in der Quantenwelt vorkommen.

Im Inneren des Diamanten können Physikerinnen und Physiker die Elektronen recht konstant in der sogenannten Superposition halten, miteinander verschränken und sie so für Berechnungen nutzen. Das macht sie zu idealen Qubits für Quantencomputer – in der Theorie. Ob sich so wirklich praktisch nutzbare Quantencomputer herstellen lassen, weiß selbst Gopi nicht.

Diesmal vorn dabei?

Jahrzehntelang waren das fantastische Versprechen. Doch 2019 behauptete Google, Quantenüberlegenheit erreicht zu haben – also mit einem Quantencomputer eine Aufgabe schneller erledigen zu können als mit den schnellsten konventionellen Rechnern. Seitdem läuft das Rennen: Wer schafft es, die Geräte gewinnbringend zu vermarkten?

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