Container: Unter Druck #04

„Ich will mein Wissen nicht mit ins Grab nehmen“

Johann Hofmann hat bei einem Industrieunternehmen die Digitalisierung vorangetrieben – „und dabei alle Fehler gemacht, die man sich vorstellen kann“. Nun gibt er seine Erfahrungen weiter.





• Wie ist es um die Digitalisierung in deutschen Fabriken bestellt? – Offenbar nicht zum Besten, das legen aktuelle Zahlen nahe. „Bei der Digitalisierung haben die Betriebe das Gefühl, auf der Stelle zu treten“, vermeldet die Deutsche Industrie- und Handelskammer als Fazit einer Umfrage unter 4000 Unternehmen aus Produktion und Dienstleistung. Stillstand signalisiert auch der diesjährige Digitalisierungsindex des Bundeswirtschaftsministeriums. Vor allem große Unternehmen haben im Vergleich zum Vorjahr demnach sogar Rückschritte gemacht. Die Management- und IT-Beratung MHP sieht in dem gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München erstellten Industrie 4.0 Barometer 2023 die deutsche Industrie im internationalen Vergleich im Hintertreffen. Bei der Digitalisierung der Produktion rangiere Deutschland „klar hinter China, Großbritannien und den USA – und die Lücke wächst“. Es gibt also Grund zur Besorgnis.

brand eins: Herr Hofmann, wie groß war der vielbeschworene Digitalisierungsschub durch die Corona-Pandemie nach Ihrer Beobachtung?

Johann Hofmann: Wohl nicht allzu groß. Viele erledigen zwar Besprechungen mittlerweile per Teams oder Zoom und arbeiten im Homeoffice. Aber in den Fabrikhallen sehe ich keinen Fortschritt. Im Gegenteil: Die Pandemie hat dazu geführt, dass zwei Jahre lang keine Messen und Kongresse stattgefunden haben. Das waren immer tolle Events. Da hat sich die ganze Szene getroffen, die Kollegen aus anderen Betrieben, die Technologieanbieter, die Professoren. Da hat es geblinkt und gezischt, jeder hat seine beste Technologie vorgeführt, und wir haben uns die Köpfe heiß diskutiert. Jetzt gibt es zwar wieder Messen, aber es ist nicht das Gleiche wie früher. Vieles ist digital oder hybrid, man muss nicht mehr vor Ort sein. Eine Messe ist kein Highlight mehr.

Warum geht es mit der Digitalisierung nicht schneller voran?

Mancherorts hat sich wohl Enttäuschung breitgemacht, weil sich von der Digitalisierung erhoffte Erfolge entweder gar nicht oder nicht schnell genug eingestellt haben. Durch die Pandemie und die hohen Energiepreise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine haben viele Firmen außerdem eine Menge Geld verloren; das fehlt jetzt für Investitionen in die Digitalisierung. Wenn ich bei Unternehmen unterwegs bin, höre ich aber häufig auch den Satz „Für so etwas haben wir jetzt keine Zeit“. Es gibt zu viele Baustellen in den Firmen. Sie kämpfen mit einem immer größeren Rückstau unerledigter Hausaufgaben.

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