Respekt!

Wertschätzung scheint die wichtigste Währung in der Arbeitswelt und im Leben zu sein. Aber was heißt das?



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• Als Aretha Franklin 1967 den Song „Respect“ sang, wurde das Stück schnell zu einer Hymne der schwarzen, der feministischen, später auch der schwulen Emanzipation. „R-E-S-P-E-C-T, find out what it means to me, R-E-S-P-E-C-T, take care …“ Diejenigen, die Respekt nicht bekamen, forderten ihn ein: Das schuldet ihr uns, gefälligst.

Der Kampf um Respekt ist auch heute noch anstrengend, zum Beispiel wenn Männer, Weiße, Reiche oder Heteros (oder reiche, weiße, heterosexuelle Männer) zugunsten von etwas mehr Fairness auf ein paar Privilegien verzichten sollen. Und wenn es zudem ganz handfest um Rechte und Geld geht, geht es mit harten Bandagen zur Sache.

Als Olaf Scholz dagegen 2021 im Wahlkampf die Vokabel „Respekt“ in Endlosschleife in seine Reden einbaute, war es eine Formel von maximaler Unschärfe. Offenbar meinte Scholz mit Respekt so etwas wie Anstand. Der Textbaustein sollte möglichst niemanden erschrecken, ein diffuser moralischer Appell.

Auch in der Arbeitswelt werden die Begriffe Respekt und Wertschätzung inflationär und meist wolkig verwendet. Lassen sie sich präziser fassen – im besten Fall so, dass sie wieder Aretha-Franklin-Sprengkraft entwickeln?


„R-E-S-P-E-C-T, find out what it means to me, R-E-S-P-E-C-T, take care …“

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1. Respekt ist das Mindeste

Die Phrasen-Maschine anzuwerfen gehört für viele Unternehmen zur Selbstdarstellungsroutine. Sie dient unter anderem dazu, die weniger schöne Arbeitsrealität zu verkitschen. Wie das geht, führt der US-Handelsriese Walmart vor, das umsatzstärkste Unternehmen der Welt. Das Versprechen an Bewerberinnen und Bewerber auf der Website des Konzerns klingt, als sei der niedrig bezahlte Job an der Supermarktkasse oder im Warenlager die reine Selbstverwirklichung: „Wir haben die Vision einer Arbeitsplatzkultur, in der jeder dazugehört – eine Kultur, in der Mitarbeiter mit ihren einzigartigen Identitäten, Stilen, Erfahrungen, Fähigkeiten und Perspektiven von ihren Führungskräften verstanden, unterstützt und gefördert werden.“ Und natürlich will Walmart mit „Respekt“ dafür sorgen, „dass sich unsere Mitarbeiter zugehörig fühlen“.

Mit der Wirklichkeit hat das offenbar wenig zu tun. Die Jobplattform Lensa hat die Arbeitsplatzzufriedenheit bei den hundert profitabelsten Unternehmen der Welt untersucht und dafür die Daten der Bewertungsplattform Glassdoor ausgewertet: Bezahlung, allgemeine Jobzufriedenheit, Antworten auf die Frage, ob man Freunden den eigenen Job weiterempfehlen würde. Dabei am schlechtesten abgeschnitten hat: Walmart.

In deutschen Firmen werden ähnliche Phrasen gedroschen: Der Discounter Aldi Süd gibt an, es werde ein „wertschätzender, fairer und offener Umgang miteinander“ gepflegt. Die Deutsche Bank will nach eigenen Angaben eine Kultur schaffen, „in der unsere Mitarbeitenden Sinn in ihrer Arbeit sehen und kontinuierlich dazulernen können“.

Solche Rhetorik kannte man früher eher von Kirchentagen, Therapiegruppen oder esoterischen Subkulturen. Es wäre einfach, sie als bloßes Marketing abzutun. Interessanter wird es, wenn man sie als Symptom versteht. Wenn Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen auf diese Weise um Beschäftigte und Sympathie werben, halten sie Signale der Wertschätzung für funktional und notwendig. An der Oberfläche mag das nur eine Referenz an den Zeitgeist sein: Das macht man jetzt halt so. Aber dahinter steht ein tiefgreifender Kulturwandel.

Die Verantwortlichen in den Firmen wissen, dass neue Ansprüche an sie gestellt werden, zum Beispiel von potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Flexibilität heißt heute auch, dass Unternehmen sich an die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten anpassen – nicht nur umgekehrt. Seit den Erfahrungen in der Pandemie ist die Homeoffice-Option in vielen Branchen Standard. Auch die Vier-Tage-Woche ist kein exotisches Experiment, sondern ein pragmatisches Angebot. Es bewegt sich also was, nicht nur in der Selbstdarstellung.


Die Rhetorik der Sinnstiftung kannte man früher nur von Kirchentagen, Therapiegruppen oder esoterischen Subkulturen.

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Handelsriese mit großen Versprechen und unzufriedenen Beschäftigten

2. Geld braucht es trotzdem

Dass Respekt notfalls erkämpft werden muss, haben jüngst die Pflegekräfte vorgeführt. Die Standing Ovations im Deutschen Bundestag für ihre Arbeit in der Pandemie wirkten schäbig, als darauf keine kräftigen Tariferhöhungen folgten. Eine bessere Bezahlung setzten die Pflegekräfte dann ganz altmodisch mit einem entschlossenen Arbeitskampf durch.

Eine starke Gewerkschaft mit gut gefüllter Streikkasse ist vielleicht nicht so modern wie New-Work-Konzepte, aber zur Durchsetzung materieller Interessen ausgesprochen hilfreich. Und eine anständige Bezahlung ist für die meisten Menschen nicht ganz unwichtig. Nach einer Umfrage des Personaldienstleisters Avantgarde Experts unter mehr als tausend Beschäftigten in Deutschland ist das Gehalt (mit 62 Prozent) mit Abstand die am häufigsten genannte Voraussetzung für Zufriedenheit im Job.

Aller Sinnstiftungs-Rhetorik zum Trotz: Die meisten Leute gehen offenbar nicht nur aus Gründen der Selbstverwirklichung ins Büro oder in die Fabrik, sondern um Geld zu verdienen. Deshalb drückt sich der Respekt der Firma gegenüber der Belegschaft noch immer zuerst in der angemessenen Bezahlung aus. Der Rest, also ein hoffentlich diskriminierungsfreier Arbeitsplatz, eine halbwegs sinnvolle Tätigkeit und Vorgesetzte, die ihre Leute als Erwachsene ernst nehmen, kommt danach. Stimmt die Bezahlung nicht, kann die ständige Versicherung von Anerkennung schnell so zynisch oder hilflos wirken wie der Beifall der Abgeordneten im Bundestag für die Pflegekräfte.

Geld heilt aber nicht alle Wunden. Eine groß angelegte aktuelle Studie zur Mitarbeiterzufriedenheit des Meinungsforschungs- und Beratungsinstituts Gallup zeigt, dass es in deutschen Büros nicht unbedingt gemütlich zugeht. Zur Einordnung: Gallup-Studien gelten als empirisch seriös, sind aber nicht frei von Eigeninteressen. Je deutlicher die Berater Unzufriedenheit am Arbeitsplatz aufzeigen können, desto größer scheint der Bedarf an Beratung, um das zu ändern. Deshalb dienen solche Erhebungen immer auch dem Marketing für das Befragungsunternehmen.

Dennoch sind die Zahlen aufschlussreich: 42 Prozent der in Deutschland befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beklagen täglichen Stress, etwas mehr als im Vorjahr. „Beschäftigte, die von guter Führung berichten, fühlen sich weniger gestresst und mehr an den Arbeitgeber gebunden als Beschäftigte, deren emotionale Bedürfnisse am Arbeitsplatz übersehen oder ignoriert werden“, sagt Marco Nink, Director of Research and Analytics für Europa, den Nahen Osten und Asien bei Gallup. Ihm zufolge ist die „emotionale Bindung in Deutschland 2022 so niedrig wie seit 2012 nicht mehr“. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Angestellten entweder selbstbewusster oder empfindlicher geworden sind (oder beides). In jedem Fall lässt die Unzufriedenheit vermuten, dass es mit etwas Schulterklopfen und ritualisierten Feedback-Gesprächen nicht getan ist.

Sich auf empfindlichere und selbstbewusstere Beschäftigte einzustellen ist eine Herausforderung für viele Unternehmen – erst recht in Zeiten des Fachkräftemangels: Gallup zufolge suchten 2022 in Deutschland 42 Prozent der Beschäftigten einen neuen Arbeitsplatz.

Respekt kostet. Und zwar Mühe und Geld. Ein Mangel an Respekt kostet jedoch erst recht, etwa gute Leute, die lieber kündigen, als sich schlecht behandeln zu lassen. Vorgesetzte, die es nötig haben, auf der Selbstachtung der Mitarbeiter herumzutrampeln, zerstören kostbare Ressourcen: die Motivation ihrer Kollegen und das, was die Gallup-Studie die „emotionale Bindung“ ans Unternehmen nennt. Wertschätzung und Respekt brauchen keine moralische Überhöhung. Sie sind schlicht Mittel zum Zweck, Instrumente guter Unternehmensführung. Aber auch Firmen, in denen höfliche Umgangsformen und Zeichen der Wertschätzung zum Standard gehören, sind nicht die Freunde ihrer Mitarbeiter, sondern ihr Arbeitgeber. Und der hat nicht zwangsläufig jederzeit die gleichen Interessen wie die Belegschaft.

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Schriftzug an einer Brücke in Berlin während der Pandemie 2020

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Der Soziologe Niklas Luhmann analysierte Organisationen

3. Die Organisation funktioniert ohne Dankbarkeit

Um die Logik von Unternehmen zu verstehen, hilft ein wenig Organisationssoziologie. Niklas Luhmann analysierte, dass Organisationen ganz gut ohne Dankbarkeit auskommen. Statt Dankbarkeit gibt es Gehalt. „Soweit das Verhalten formal geregelt ist, wird es durch das System und nicht durch den individuellen Empfänger einer Leistung entgolten“, konstatierte der Soziologe trocken in seinem 1964 erschienenen Standardwerk „Funktion und Folgen formaler Organisation“. Auch in der Arbeitsteilung schulden die Beschäftigten ihm zufolge „einander keinen Dank. Sie arbeiten nicht füreinander, sondern für einen Zweck“, so Luhmann. Der Zweck ist der des Unternehmens, zum Beispiel Autos zu bauen oder Computerspiele zu entwickeln und damit Geld zu verdienen. „Das Fließband ist keine Kette von dankespflichtigen Wohltaten“, schreibt Luhmann. Das Dankeschön unter Kollegen sei nicht viel mehr als eine „äußerliche Geste“, die lediglich ausdrücke, „dass alles in Ordnung ist“.

In moderneren Formen der Arbeitsorganisation, etwa in teilautonomen Arbeitsgruppen in der industriellen Produktion, wurde Luhmann zufolge die direkte Interaktion zwischen den Kollegen wichtiger – aber auch hier war sie nur Mittel zum Zweck, um die von der Organisation gesetzten Ziele zu erreichen. Das gilt auch für scheinbar lockere, persönlich wirkende Kollaborationen, etwa in Zeitungsredaktionen, Werbeagenturen, Designbüros oder Stadttheatern: Man kommt nicht aus privater Sympathie zusammen, sondern um gemeinsam im Interesse der Organisation etwas herzustellen. Gegenseitiger persönlicher Dank ist schön, aber nicht notwendig, um diesen Zweck zu erfüllen.

Auch das Verhältnis von Vorgesetzten zu ihren Untergebenen kommt im klassischen Betrieb ohne größere Gesten der Dankbarkeit aus. Es wäre viel verlangt, wenn die Leiterin eines Finanzamtes, der Vorstand eines Dax-Konzerns oder die Inhaberin einer Anwaltskanzlei ihren Mitarbeitern jedes Mal einen Blumenstrauß mit Danke-Kärtchen überreichen müsste, wenn sie ihren Job halbwegs ordentlich erledigen. Lassen sich solche Gesten des ritualisierten Dankesagens nicht ganz vermeiden, kann es peinlich werden. In der ganz alten Firmen-Folklore entwickelten die rituellen Festakte beim Ausscheiden aus dem Beruf oder zum 30. Firmenjubiläum ihren speziellen Charme. Aber auch die Danke-ans-Team-Partys in modernen Firmen machen nur Spaß, wenn der Laden gut läuft und die Freigetränke nicht nur der hilflose Versuch der Geschäftsführung sind, die nach den letzten Spar-Runden desaströse Stimmung in der Belegschaft irgendwie zu heben.

Prinzipiell ist es geradezu der Zweck von Organisationsstrukturen, nicht auf persönliche Sympathie oder Dankbarkeit von Personen angewiesen zu sein, um die Stabilität ihrer Prozesse sicherzustellen. Die Organisation kann von ihren Mitgliedern erwarten, dass sie ihre Aufgaben unabhängig von persönlichen Vorlieben und Gefühlslagen erfüllen und sich zum Beispiel an die im Arbeitsvertrag vereinbarten Pflichten halten. In modernen Unternehmen gehört ein respektvoller, zivilisierter Umgang miteinander zu diesen Pflichten, einfach weil so der Laden besser funktioniert. Zu dieser funktionalen Höflichkeit untereinander und im Verhältnis der Organisation zu ihren Mitgliedern gehören auch Rücksichten auf persönliche Belange, etwa mit flexiblen Arbeitszeitmodellen oder Möglichkeiten des Homeoffice. Fairness gegenüber den Beschäftigten und die Anerkennung ihrer Leistungen sind nicht auf Charaktereigenschaften der Vorgesetzten angewiesen – und sollten das auch nicht sein.

4. Die Menschen aber brauchen Wertschätzung

So weit die formale Seite. Aber in Unternehmen arbeiten Menschen, keine reinen Funktionsträger. Neben der Formalität, sozusagen dem offiziellen Betrieb, wuchern die Beziehungen mit Abkürzungen des Dienstwegs, Seilschaften, Gefälligkeiten und zwischenmenschlichen Verwicklungen. Hilfe, die andere zur Dankbarkeit verpflichtet, ist eine informelle Tauschwährung.

Wird diese informelle Hilfe regelmäßig nötig, zeigt das eine Lücke der formalen Struktur: Sie kompensiert die Defizite der Organisationsstruktur. Solche wiederkehrenden informellen Hilfsleistungen erfordern als Gegenleistung mehr als ein unverbindliches „Danke, Kollege“. Es entstehen informelle Abhängigkeiten. Das gilt auch für Vorgesetzte, etwa wenn sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder um Zusatzleistungen bitten müssen.

Die Unternehmensberater Judith Muster und Kai Matthiesen berichten, wie Gesten zur Tauschwährung werden können. Ein Beispiel: Damit ein Maschinenhersteller seine Produkte pünktlich ausgeliefern kann, muss die Belegschaft oft Überstunden machen. Diese sind freiwillig, das Unternehmen ist auf den guten Willen von Belegschaft und Betriebsrat angewiesen. Also fährt ein Vorstandsmitglied in den Stressphasen regelmäßig von der Firmenzentrale zum mehr als hundert Kilometer entfernten Werk. Im Kofferraum seines Kombis stapeln sich Bleche mit Streuselkuchen.

Statt den Kuchen einfach von einer lokalen Bäckerei liefern zu lassen, opfert das Vorstandsmitglied einen halben Arbeitstag, um ihn selbst vorbeizubringen. Wenn er den Kuchen an die Leute verteilt, ist das eine Geste der Wertschätzung und die durchsichtige, aber respektvolle Bitte um weitere Überstunden. Und es ist ein Signal: Der Vorstand zeigt, dass er die Überstunden nicht für eine Selbstverständlichkeit hält. Er weiß, dass er darum bitten und sich persönlich dafür bedanken muss.

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Für Immanuel Kant stört die Missachtung Einzelner das gesamte Zusammenleben

5. Wir sind unterschiedlich, und das ist gut so

In der Gesellschaft lässt sich das Miteinander nicht so leicht formalisieren wie in Firmen. Dabei macht gegenseitiger Respekt unser Zusammenleben erst möglich. Der Philosoph Axel Honneth verweist in einer Untersuchung des Begriffs „Anerkennung“ auf ein Argument, das Immanuel Kant entwickelt hat: Im Mitmenschen respektieren wir nicht nur den Einzelnen, sondern die Idee eines respektvollen Umgangs miteinander; Kant spricht von einem „moralischen Gesetz“. Er bringt es auf eine knappe Formel: „Alle Achtung für eine Person ist eigentlich nur Achtung für das Gesetz.“ Das macht Gesten der Missachtung nicht nur für die herabgesetzten Personen zum Problem, sondern für die gesamte Gesellschaft, die solche Herabwürdigungen zulässt.

Gesten drücken Respekt, Anerkennung, Zugehörigkeit aus – oder das Gegenteil. Sie zeigen, wer dazugehört und wer nicht, wessen Rechte respektiert werden und wen man glaubt, demütigen zu können. Deshalb sind die heftigen Auseinandersetzungen der Identitätspolitik nicht nur Konflikte um die Verwendung bestimmter Worte und Zeichen, sondern Machtkämpfe. Wer den Verzicht auf rassistische, sexistische, ausgrenzende Beleidigungen im Wortschatz für eine Einschränkung der eigenen Meinungsfreiheit hält, verteidigt Hierarchien und die eigenen Privilegien.

Die amerikanische Philosophin Nancy Fraser sagt, die Forderungen nach Anerkennung zielten ab auf „eine differenzfreundliche Welt, in der für Ebenbürtigkeit und Gleichbehandlung nicht mehr der Preis einer Assimilation an die Mehrheit oder herrschende kulturelle Norm zu zahlen“ sei. Dabei geht es nicht nur um Gleichberechtigung, sondern auch um die Anerkennung der Perspektiven von Frauen, Armen, Homosexuellen oder Menschen anderer Herkunft als Teil einer vielfältigen Wirklichkeit.

Wer dagegen nur die eigenen Perspektiven für normal hält, ist womöglich von der Vielfalt überfordert. Auch das mag die Aggressivität in der Politik erklären – von Donald Trump, dessen „Make America Great Again“ die rassistische und sexistische amerikanische Gesellschaft der Fünfzigerjahre heraufbeschwört, bis zur AfD mit ihrer Panik vor „Überfremdung“ und „Genderwahn“.

Das ist brandgefährlich, denn wer Menschen den Respekt abspricht, setzt die gesamte Gesellschaft aufs Spiel.


„Danke für den Geschmack von Äpfeln. Danke für das Leben.“

6. Danke, Leben!

Manchmal ist man für etwas Großes dankbar, zum Beispiel für das Leben. Dann kann man zumindest für einen Moment ein wenig demütig sein und sich darüber klar werden, was wirklich wichtig ist. Im Mai zeigte das Teatr Varta aus Lwiw in der Ukraine beim Berliner Theatertreffen ein Gastspiel. „FebrUaRY“, der Titel der Aufführung, verweist auf den 24. Februar 2022, den Beginn des russischen Angriffskriegs auf die gesamte Ukraine. Die Großbuchstaben im Titel des Stücks sagen, worum es geht: „FURY“, Wut.

Es ist ein lautes und verzweifeltes Stück, eigentlich besteht es nur daraus, dass Menschen von ihrem Leben im Krieg erzählen, von ihrer Angst, von den Freunden, Männern, Vätern, die an der Front kämpfen, von ihrer zerstörten Heimat, auch vom Hass auf die russische Armee.

Mitten in dieser Wut- und Schmerz-Inszenierung tritt eine junge Schauspielerin nach vorn und sagt nüchtern, wofür sie dankbar ist: „Danke für die schönen Jahre, die ich vor dem Krieg hatte. Danke für meine Familie und dafür, dass wir noch alle am Leben sind. Danke für den Abendhimmel. Danke für den Gesang der Vögel. Danke für den Geschmack von Äpfeln. Danke für das Leben.“

Besser kann man es vielleicht nicht sagen. ---