Bröckelnde Dankbarkeit
Südafrika sucht eine Haltung zu den früheren Befreiern.
• Erst ein Fieps-Ton, dann ein mehrstimmiger Freudenschrei: Der Strom ist wieder da! Den Fieps-Ton gibt der Kühlschrank von sich, den Freudenschrei meine Familie. Das Ritual spielt sich bis zu dreimal täglich in unserem Johannesburger Domizil ab: Südafrikas Stromversorger Eskom schaltet alle sechs Stunden in wechselnden Stadt- und Landesteilen für zwei Stunden die Elektrizität ab. Weil der Afrikanische Nationalkongress (ANC) in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Stromversorgung nicht sichern konnte.
Unsere Dankbarkeit für die Wiederherstellung der Verbindung zur Moderne ist mit einer gehörigen Portion Hohn versetzt: Wer, um Himmels willen, zeigt sich für eine Selbstverständlichkeit dankbar? Zumindest für weiße Südafrikaner gehörte Strom wie Wasser und Luft zur Grundausstattung des Lebens: Bis vor 15 Jahren konnte sich kein Bleichgesicht daran erinnern, von Eskom jemals im Stich gelassen worden zu sein.