Danke für alles gar nichts

Werde ich genug geschätzt? Fünf persönliche Antworten.





Nie zu früh, aber oft zu spät

Der Regisseur Volker Schlöndorff, 84, wurde im Juni für sein Lebenswerk mit einer Ausstellung in Wiebaden geehrt. Den Oscar hat er schon 43 Jahre früher erhalten (für „Die Blechtrommel“). Außerdem ist er Offizier der französischen Ehrenlegion, Träger des Bundesverdienstkreuzes und nahezu aller Filmpreise in Europa. Er selbst allerdings, sagt er, habe vergessen, einer wichtigen Person zu danken.

Sie haben in Ihrem Leben mehr Ehrungen und Wertschätzung erfahren als viele andere Menschen. Mussten Sie dafür kämpfen, oder flog es Ihnen zu?

Ich musste immer dafür kämpfen. Das fing schon in der Schule an. Da habe ich den ersten Preis in einem Wettbewerb in französischer Sprache gewonnen und war damit auch zum ersten Mal in meinem Leben in einer Zeitung.

Wenn Sie nun auf Ihr Leben zurückblicken – was ist Ihre Quintessenz beim Thema Dankbarkeit?

Man muss auf die Menschen zugehen. Ich komme mir manchmal vor wie Dustin Hoffman in „Tod eines Handlungsreisenden“, der einfach mit jedem, dem er begegnet, ein Gespräch beginnt. Ich rede mit jedem und jeder: Ob das an der Kasse im Baumarkt ist oder bei der Oscar-Verleihung. Das wird einem gedankt.

Ist das Networking?

Nein, Networking betreibt man ja, um einen Vorteil daraus zu gewinnen. Das bringt einem keine Wertschätzung. Wertschätzung bekommt man, wenn man auf andere zugeht, ohne dabei ein Ziel oder einen Business Case zu haben.

Gibt es eine Organisation oder eine Person, die Ihnen nicht genug Wertschätzung entgegengebracht hat?

Eher im Gegenteil. Ich habe so viel Wertschätzung erhalten, dass ich gar nicht mehr in der Lage war, anderen genug Dankbarkeit zu zeigen. Mein Wertschätzungskonto ist unausgeglichen.

Ihre Chance, das auszugleichen!

Dafür ist es leider zu spät. Meine zweite Frau Angelika ist vor fünf Jahren gestorben, und ich befürchte, ich habe ihr nicht genug gedankt für alles, was sie für mich getan hat. Das bedauere ich jetzt sehr. Ich kann nur jedem sagen: Für Wertschätzung ist es nie zu früh, aber oft zu spät.

Was tun die eigentlich den ganzen Tag?

Die Outdoor-Bekleidungsfirma Jack Wolfskin im Taunus-Städtchen Idstein hat schwere Zeiten hinter sich. Sie wurde mehrfach verkauft, von Heuschrecken geplündert und hat viel Vertrauen bei den 1600 Beschäftigten sowie den Kundinnen und Kunden verloren. Aki Ben-Ezra ist seit Oktober vergangenen Jahres Head of People and Culture und steht vor einer schwierigen Aufgabe: Sie muss der verunsicherten Belegschaft wieder Mut machen.

„Wenn man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zeigen möchte, wie wichtig sie für die Firma sind, muss man erst mal wissen, was sie überhaupt den ganzen Tag tun. Es ist ein Unterschied, ob man vom klimatisierten Büro aus Konzepte für wertschätzende Personalführung entwickelt. Oder ob man mit den Leuten im Laden steht oder im Lager mitarbeitet. Als ich bei Jack Wolfskin angefangen habe, habe ich erst mal drei Tage in verschiedenen Ladengeschäften mitgearbeitet.

Ein wesentlicher Faktor der Wertschätzung ist ein faires Gehalt. Wir haben gerade erst eine große interne Studie durchgeführt, um sicherzustellen, dass wir marktgerecht bezahlen – was heute der Fall ist.

Ein großes Thema ist auch die mentale Gesundheit. Ich habe festgestellt, dass es bei uns Menschen gibt, die Unterstützung brauchen. Wir arbeiten mit der Gesundheitsplattform Likeminded zusammen. Die bietet sofort Zugang zu Psychologen und Psychologinnen. Man muss nicht erst einen Burnout haben, sondern kann den Service auch nutzen, wenn man einfach mal jemanden zum Reden braucht. Wir übernehmen dafür die Kosten.

Den Mitarbeitenden ist auch wichtig, ob sie selbstbestimmt und flexibel arbeiten dürfen und ob sie die Ergebnisse auch von zu Hause oder aus dem Ausland abgeben können. Das machen wir ihnen möglich, soweit es geht.

Wir behandeln die Leute einfach so, wie wir selbst behandelt werden wollen: als verantwortungsvolle Erwachsene.“

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Neid und Missgunst an der Universität

Der Humanbiologe Maik Luu, 29, ist Sohn vietnamesischer Bootsflüchtlinge, die vor mehr als 40 Jahren nach Deutschland kamen, als Hilfsarbeiter und Erntehelfer begannen und dann in Eschweiler bei Aachen ein Restaurant eröffneten. Als Kind und als Student wurde er wegen seines Aussehens gemobbt. Heute ist er einer der jüngsten Professoren des Landes und leitet eine Arbeitsgruppe für Translationale Medizin an der Universitätsklinik Würzburg. Seine Aufgabe: theoretische Forschungsergebnisse in klinische Anwendungen zu überführen.

Was war die größte Geringschätzung, der Sie ausgesetzt waren?

Geringschätzung bedeutet doch, dass man etwas geleistet hat und dafür nicht angemessen geschätzt wird. Deshalb war die Schulzeit nicht die schlimmste Zeit. Da bin ich zwar gemobbt worden. Aber was habe ich schon geleistet? Die größte Geringschätzung erlebte ich an der Uni. Als ich schon mit 25 Jahren promovierte, erhoffte ich mir Anerkennung, bekam aber Neid und Missgunst zu spüren. Das war enttäuschend und schmerzhaft.

Umso größer das Gefühl der Wertschätzung durch den Professorentitel?

Ja, jetzt darf ich ernten, was ich in den vergangenen zehn Jahren gesät habe. Die Genugtuung ist besonders groß, weil ich darum kämpfen musste. Als Flüchtlingskind und Underdog ist es mir nicht immer leicht gemacht worden. Wäre ich der Sohn zweier deutscher Ärzte, dann wäre das wahrscheinlich nicht so spannend. Auch meine Familie wäre dann vielleicht nicht ganz so stolz.

Wem schulden Sie selbst die größte Wertschätzung?

Neben vielen anderen an erster Stelle meinen Eltern. Sie haben alles dafür getan, dass ich dorthin komme, wo ich jetzt bin. Sie haben mich und meinen Bruder gelehrt, Dankbarkeit und Demut zu empfinden für die Möglichkeiten, die wir in Deutschland haben. In Vietnam hätten wir womöglich den Tod oder zumindest nicht den Weg in die Bildung gefunden, hier konnten wir ein normales und sicheres Leben führen. Dankbarkeit hat für uns vermutlich eine andere Bedeutung als für Menschen, die kein Schicksal wie unseres hatten.

Sorry, war Schwachsinn

Sebastian Hotz, 27, ist als Internet-Comedian El Hotzo berüchtigt für seine sarkastischen und deftigen Bemerkungen zu Politik und Gesellschaft. Sein Prinzip: Sturm säen und Shitstorm ernten.

Sie teilen oft heftig aus. Haben Sie manchmal ein schlechtes Gewissen?

Nö, diejenigen, denen ich was einschenke, können das erstens gut wegstecken und haben es zweitens verdient.

Sie kriegen aber auch viel zurück. Finden Sie das unfair?

Überhaupt nicht. Ich habe es meistens verdient und kann es gut wegstecken. Ich habe mich in der Nahrungskette des Internets so weit nach oben geschoben, dass ich mit allem rechnen muss.

Tut es nicht weh, wenn ein Shitstorm über Sie hereinbricht?

Ein Shitstorm kann in dieser Branche wie ein Ritterschlag sein. Und wenn er aus der richtigen Ecke kommt, tut das nicht weh, sondern ist die totale Wertschätzung. Mehr Wertschätzung als ein Shitstorm geht doch kaum!

Aber wenn die Kritik von Menschen kommt, die Sie schätzen?

Dann habe ich ja die Möglichkeit, mich für den Schwachsinn zu entschuldigen, den ich verzapft habe.

Bei wem müssen Sie sich noch entschuldigen?

In meinem Leben als Comedian im Internet habe ich keine offenen Rechnungen, und wenn, dann habe ich sie mit Absicht geprellt.

1,3 Millionen Follower auf Instagram und 600 000 auf Twitter – kommt da ein Allmachtsgefühl auf?

Ich glaube, dass es begründet wäre, wenn ich ein Machtgefühl hätte, aber da muss ich noch dran arbeiten.

Bäm, Bäm, Bäm

Sie ist die Stimme von Emma Watson, die in den Harry-Potter-Filmen die Hermine spielt, von Selena Gomez, Emilia Clarke („Game of Thrones“) und zahlreichen anderen Schauspielerinnen. Gabrielle Pietermann, 35, ist eine der erfolgreichsten Synchronsprecherinnen Deutschlands – die mit wenig Ruhm auskommen muss.

Wie ist es eigentlich, wenn jeder die Stimme kennt, aber niemand die Person dahinter?

Ich mag es ganz gern, wenn ich in Ruhe mein Leben leben kann. Und wenn ich doch mal Kontakt zu den Leuten haben möchte, die meine Stimme schon seit Jahren kennen, gehe ich auf eine der Conventions, wo Schauspielerinnen, Fans und Synchronsprecher zusammenkommen. Dann gibt es wunderbare Begegnungen. „Du bist Hermine?! Die von Harry Potter??!! Du hast meine ganze Kindheit geprägt.“ Das ist auch mal schön.

Bekommen Sie Anerkennung von den Schauspielerinnen, die Sie synchronisieren?

Meistens trifft man die nicht. Emilia Clarke („Game of Thrones“) und Danielle Panabaker („The Flash“) bin ich allerdings schon begegnet. Ich sagte so was wie: „Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich Ihre deutsche Stimme sein darf.“ Beide waren sehr freundlich: „Oh, das ist ja cool.“ Aber mehr war da nicht.

Verdienen Sie gut?

Wir werden nach Takes bezahlt. Das kann ein Satz sein, ein Lacher, ein Laut oder auch zwei Sätze. Ein Take ist fünf bis zehn Sekunden lang. Wir müssen uns nicht nur die Sätze einprägen, sondern auch die Zögerer, die Atmer, die Impulse. Im Studio lernen wir all das schnell auswendig, verinnerlichen das Original und geben es dann möglichst synchron und mit der richtigen Emotion wieder.

Für einen Take gibt es drei bis zehn Euro. Eine Hauptrolle in einem Spielfilm hat 300 bis 600 Takes. Als Stimme für eine bestimmte Schauspielerin bekommt man pro Film Pauschalen von 5000 bis 15 000 Euro.

Werden Sie in der Branche geschätzt?

Neulich habe ich eine der beiden Hauptrollen in einem Animationsfilm gesprochen, und ein paar C-Promis haben Nebenrollen vertont. Und raten Sie mal, wer auf dem Filmplakat genannt wurde? Ich auf jeden Fall nicht. Aber die anderen: bäm, bäm, bäm – alle auf dem Plakat.

Das ist demütigend, oder?

Ja. ---