Christian Pander im Interview
„Ich bin ein Plan-B-Freund“
Die Perspektive eines langen Lebens wirft die Frage auf: Was tun nach der ersten beruflichen Karriere? Der ehemalige Profi-Fußballer Christian Pander musste sich damit schon früh auseinandersetzen.
Christian Panders Karriere als Fußballprofi war immer wieder durch schwere Verletzungen unterbrochen. Trotzdem spielte der Linksverteidiger, der berühmt war für seine Flanken, zwischen 2004 und 2015 für Schalke 04 und Hannover 96 insgesamt 141 Mal in der Bundesliga. Auch für die deutsche Nationalmannschaft lief er zweimal auf und schoss bei einem Länderspiel in England das Siegtor. Pander musste seine Karriere mit 31 Jahren beenden. Heute arbeitet er als Mentaltrainer im eigenen Unternehmen. Im vergangenen Jahr ist sein Buch „Das Fußball-Mindset“ (Forward Verlag, 228 Seiten, 19,90 Euro) erschienen.
brand eins: Christian Pander, wann ist Ihnen das erste Mal der Gedanke gekommen, dass Sie nicht Ihr ganzes Leben lang Fußballprofi sein würden?
Sehr früh, weil ich schon mit 21 Jahren meine erste schwere Knieverletzung hatte. Ich war damals bei einigen Ärzten, und die meisten waren der Ansicht, dass es für mich nicht weitergehen würde. Daher hat es mich meine ganze Karriere über mit Dankbarkeit und Demut erfüllt, dass es nicht nur nicht vorbei war, sondern dass ich sogar noch Nationalspieler werden durfte.
Haben Sie sich damals gefragt, was Sie statt Fußball machen könnten?
Nein, ich wollte allen beweisen, dass ich für meinen Traum kämpfe und dass es noch weitergeht. Es hat dann anderthalb Jahre gedauert, in denen ich dreimal operiert wurde, aber schließlich stand ich tatsächlich wieder auf dem Platz.
Das Berufsleben von Fußballprofis endet meist mit Anfang, Mitte 30. Ist den Spielern das bewusst?
Das wird eher ausgeblendet, selbst ich habe das mit der Zeit verdrängt. Nachdem ich meine Verletzung überstanden hatte, dachte ich bald wieder, dass das Ende noch weit weg ist. Man sieht das bei vielen Spielern auch daran, dass sie ihr Geld nicht beisammen halten können. Sie denken, dass es immer so weitergeht.
Sie offenbar auch, sonst hätten Sie sich als 25-Jähriger keinen Bentley gekauft, oder?
Das war eher Ausdruck von jugendlichem Leichtsinn, den ich allerdings keine Sekunde bereut habe. Ich hatte damals eine Auto-Macke, und mir diesen Traum zu erfüllen hat mich zum Glück vor weiteren Fehltritten bewahrt. Ich habe den Wagen nach einem Jahr verkauft, weil ich relativ schnell gemerkt habe, dass selbst ein Bentley am Ende nur ein Auto ist, das ich nicht brauche, um das Glück zu finden. Manche Träume sind vielleicht einfach dazu da, dass man sie in Ehren hält und sie nicht erfüllt.
Sie haben ein Buch über die Geisteshaltung von Berufsfußballern geschrieben, in dem es unter anderem ums „Voraltern“ geht. Was meinen Sie damit?
Wenn man mit 18 Jahren – heute teilweise sogar noch früher – in den Profifußball kommt, muss man reifer sein, als man in diesem Alter normalerweise ist. Man steht vor Fernsehkameras und muss sich vor einem großen Publikum äußern. Man ist nicht mehr mit Gleichaltrigen unterwegs, sondern sitzt in der Kabine neben Männern, die teilweise fast doppelt so alt sind. Und wenn der Vater oder die Mutter nicht gerade super bezahlte Jobs haben, ist man Topverdiener in seiner Familie. Um das zu bewältigen, muss man in gewisser Weise voraltern.
Haben die schweren Verletzungen während Ihrer Bundesliga-Karriere Sie reifer gemacht und besser aufs Karriere-Ende vorbereitet?
Nein, obwohl ich mit 31 Jahren, als es endgültig vorbei war, tatsächlich die Krankenakte eines 68-Jährigen hatte. Der Übergang in die Zeit nach dem Fußball war gleitend, weil ich mich ein halbes Jahr vor Vertragsende wieder am Knie verletzt hatte und anschließend noch Reha machte. Trotzdem war es danach wahnsinnig schwer.
Warum?
Weil eine Routine den Bach runtergegangen ist, die mein Leben bestimmt hat. Ich habe 14 Jahre lang Bundesliga-Fußball gespielt und bin jeden Morgen mit dem Gedanken aufgestanden, dass ich gewinnen will: jedes Trainingsspiel, jeden Zweikampf, jedes Kopfballduell. Ich hatte mit vielen Spielern gesprochen, die ihre Karriere schon beendet hatten, und jeder hat mir gesagt, dass ich mich auf was gefasst machen soll. So war es auch: Ich saß nun morgens nicht mehr mit der Mannschaft in der Kabine, sondern allein zu Hause, um für mein BWL-Studium zu lernen. Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen.
Sie haben sich über der Operationsnarbe am Knie „Rien ne va plus“ tätowieren lassen. Wollten Sie sich damit selbst sagen, dass es vorbei ist?
In der Tat, das zeigt aber auch, dass ich über mich lachen kann. Meine ganze Karriere über hat man mich immer gefragt: Wie geht es deinem Knie? Ich war nur noch Knie. Diese Tätowierung war der Schlussstrich unter dieses Thema. Danach war ich wieder ich.
Hätten Sie in der Rückschau Ihr Karriere-Ende besser vorbereiten können?
Es hätte mir geholfen, wenn mich in dieser Phase jemand begleitet hätte. Ich arbeite heute als Mentalcoach, und so jemanden zu haben wäre für mich besser gewesen, als es mit mir allein auszumachen.
Braucht man in einer solchen Lebenslage einen Plan B, oder ist der nur eine Illusion?
Ich persönlich bin sehr gewissenhaft und ein überzeugter Plan-B-Freund. Ich dachte damals auch, dass ich so einen Plan hätte. Ich hatte ein Tonstudio, musste irgendwann aber feststellen, dass es nicht mehr als ein cooles Jugendzentrum für Erwachsene war. Ich hatte außerdem ein Sportgeschäft aufgemacht. Das war ein kleiner Laden in Münster, wo die Leute die Schuhe anprobiert haben, die sie dann online bestellt haben. Ich dachte, dass mich die Musik oder der Laden geschäftlich nach vorne bringen würden. Aber es ist immer schwierig, einen Brot-Job zu machen und gleichzeitig etwas für die Zeit danach aufzubauen.
Zumindest dürften Sie genug Geld verdient haben, um in Ruhe weiterzuschauen.
Das war eine große Beruhigung, dass man jetzt nicht von heute auf morgen irgendwas finden muss. Und ich freue mich, dass ich das zweite Mal mein Hobby zum Beruf machen konnte.
Wie ist es dazu gekommen, dass Sie heute als Mentalcoach arbeiten?
Ich wollte Sportler begleiten, aber nicht als klassischer Berater mit Vereinen um Verträge feilschen. Über meinen heutigen Geschäftspartner Sharon Paschke gab es schon länger eine Verbindung zum Coaching, und so habe ich eine entsprechende Ausbildung gemacht. Seither bin ich nicht nur Mentaltrainer, sondern auch Motivationscoach und arbeite in der Burn-out-Prävention.
Wenden Sie sich ausschließlich an Fußballprofis?
Wir haben mit Fußballern angefangen, aber dann kamen viele andere Sportler dazu, aus dem Handball, Volleyball, Basketball, und auch einen Golfer hatten wir. Inzwischen arbeiten wir aber auch viel mit Unternehmen. Außerdem bieten wir nun schon im dritten Jahr unsere eigene Coaching-Ausbildung an.
Heute sind Sie 39 Jahre alt, und irgendwann wird Ihr aktuelles Berufsleben zu Ende gehen. Sind Sie nun besser darauf vorbereitet?
Ich glaube schon, weil ich alles schon mal durchlebt habe. Ich finde es sehr wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es mit dem Beruf irgendwann vorbei ist. Das gilt allerdings nicht für meine Mutter: Sie ist zwar mittlerweile längst in Rente. Aber nachdem sie ihren Getränkehandel altersbedingt aufgegeben hatte, hat sie für einen Großhandel weitergearbeitet, weil sie so an ihrem Beruf hing. ---
Was Kicker nach der Karriere machen
Die meisten Fußballprofis träumen davon, auch nach dem Ende ihrer Karriere „im Bereich Fußball“ zu bleiben. Gemeint sind damit Jobs als Trainer und Sportdirektoren, Agenten oder Experten in den Medien.
Da Spieler in den Spitzenligen heutzutage viel Geld verdienen können, beteiligen sich immer mehr von ihnen an Unternehmen oder gründen selber welche. Einer der ersten war Bobby Dekeyser, der den Outdoor-Möbel-Hersteller Dedon gründete und inzwischen verkauft hat. Philipp Lahm ist seit 2018 Mehrheitseigentümer bei dem Lebensmittelunternehmen Schneekoppe. Der Franzose Mathieu Flamini, der früher beim AC Mailand und FC Arsenal spielte, stellt mit seinem Unternehmen Lävulinsäure aus Biomasse her, die Erdölprodukte ersetzen soll.
Es gibt auch bodenständigere Zweitkarrieren wie die von Holger Stanislawski, früher Spieler und Trainer beim FC St. Pauli, der einen Rewe-Supermarkt in Hamburg leitet. Nico Patschinski, früher ebenfalls FC St. Pauli, arbeitete nach seiner aktiven Zeit unter anderem als Paketzusteller und Bestatter und ist heute Linienbusfahrer in Hamburg. Und der ehemalige Schalke-Profi Christian Mikolajczak arbeitet in Essen bei der Berufsfeuerwehr.