Cannabis

Kiffen könnte hierzulande bald legal sein. Darauf freuen sich schon viele Firmen. Doch Cannabis bewerben? Das wird kompliziert.





Foto: © Bryan Anselm / Redux / laif

Wenn es nach deutschen Firmen geht, soll es auch hier bald so große Marihuana-Plantagen wie in New Jersey, USA, geben.

• Auf einem currygelben Sofa in Hollywood packen Alice und Clark Campbell Geschenkboxen aus und filmen sich dabei für Youtube. Zum Vorschein kommen aber keine Hyaluron-Cremes oder iPhones, wie man es aus den typischen Auspackvideos anderer Influencer kennt, sondern unter anderem eine mit Cannabis angereicherte Limonade, eine Badekugel in Hanfblattform und eine Männer-Handtasche gefüllt mit Gläsern voller Marihuana.

Vier Hersteller hatten dem Paar Testboxen zugeschickt und erhofften sich von „That High Couple“, wie deren Kanal mit rund 150 000 Abonnentinnen und Abonnenten heißt, Werbung. Und die bekommen sie. Clark schraubt eines der Gläser auf, legt ein paar Blüten in einen Mörser, füllt das zermahlene Hanf in eine Pfeife und – „Ladies first“ – reicht sie seiner Frau. Alice zündet sie an, zieht daran, pustet den Rauch aus und staunt: „Verdammt, schmeckt das gut!“

Kiffen zu Reklamezwecken, in Kalifornien ist das möglich. Dort wurde Cannabis 2016 als Genussmittel zugelassen und darf offensiv beworben werden. In Deutschland soll es vom nächsten Jahr an erlaubt sein, Cannabis in gewissen Mengen zu kaufen und zu besitzen, so der Plan von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Ein Gesetzesentwurf liegt allerdings noch nicht vor – und es ist auch möglich, dass die EU-Kommission die Pläne noch durchkreuzt.

In der Cannabis-Branche bereitet man sich trotzdem schon mal intensiv auf die Legalisierung vor. Die Unternehmen tüfteln an Verpackungen für ihre Produkte und schließen Vorverträge mit Influencern ab. Dabei werden sie ihre Ware hierzulande kaum bewerben können.

Das Geschäft mit der Droge ist für viele Firmen interessant. In den USA, wo Cannabis neben Kalifornien in rund 20 weiteren Staaten legal ist, rechnen Analysten bis 2025 mit Umsätzen von 41,5 Milliarden Dollar pro Jahr. Für Deutschland prognostizieren Marktforscher knapp eine Milliarde Euro jährlich.

Aus dem im Oktober 2022 vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten Eckpunktepapier für den Gesetzesentwurf geht allerdings bereits hervor, dass es ein „generelles Werbeverbot“ geben soll. Also keine Plakate, keine Influencer und keine Fernsehspots. „Das sei enttäuschend, aber absehbar gewesen“, sagt Fabienne Diekmann, die in Hamburg als Anwältin und Beraterin für die Branche arbeitet. Eine andere Ankündigung hätte ihre Mandanten aber „wie ein Donnerschlag getroffen“: Cannabis soll ausschließlich in neutralen Verpackungen verkauft werden dürfen. Nur bedruckt mit dem Namen des Herstellers, dem Anbauland, Gewicht und Erntedatum, der Sorte, dem Haltbarkeitsdatum, dem Wirkstoffgehalt und Warnhinweisen. So als hätten in einer Weinhandlung alle Flaschen identische Etiketten – und unterschieden sich lediglich nur durch ein paar Sachinformationen.

Markenbildung und Jugendschutz

Viele Hersteller hätten auf eine ähnlich bunte Welt wie in den Shops für E-Zigaretten gehofft, sagt Diekmann. „Da herrscht nun schon eine relativ große Enttäuschung. Mit diesen Vorschlägen wird eine Markenbildung deutlich erschwert.“ Die aber sei auf dem Genussmittelmarkt besonders wichtig, sagt Constantin von der Groeben. Das 2017 von ihm mitgegründete Unternehmen Demecan ist derzeit der größte deutsche Produzent von medizinischem Cannabis und will darüber hinaus expandieren. Marken schaffen Vertrauen, sagt er, und das brauche es in einem neuen Geschäft wie diesem. Wer Marihuana kaufe, wolle sichergehen, dass die Marke, für die er oder sie sich entscheidet, seriös sei. Dass keine Pilze enthalten sind, zum Beispiel, oder Pestizide. „Wir sprechen uns dafür aus, dass in reglementiertem Maße Werbung erlaubt sein sollte“, sagt von der Groeben daher. Es solle möglich sein, dafür zu werben, dass es sich um legale, qualitätsgeprüfte Ware handele. Anders könne man sich nicht vom Schwarzmarkt abheben – und den zu verdrängen sei ja das Ziel der Legalisierung.

Diese Argumentation hinkt ein wenig, denn laut dem Eckpunktepapier soll es legales Gras – und dabei ausschließlich sichere Ware – nur in lizenzierten Verkaufsräumen geben. Unternehmen wie Demecan fürchten wohl, ihre vermeintlichen Qualitätsvorsprünge durch die Erfahrungen im medizinischen Vertrieb der Droge nicht herausstellen zu können.

Außerdem könne wegen des Werbeverbots die Breite des Sortiments nicht angemessen abgebildet werden, sagt von der Groeben. Die Cannabisblüte sei so vielfältig wie die Weinrebe, es gebe mehr als tausend verschiedene Sorten. Manche berauschen, andere beruhigen, sie schmecken holzig oder fruchtig, nach Karamell oder Käse.

Viele Menschen, die die Droge aus medizinischen Gründen einnehmen, probierten der Abwechslung wegen regelmäßig neue Blüten aus, sagt Fabienne Diekmann. Dazu tauschten sie sich in mitunter unseriösen Patientenforen aus. Daher ist auch sie dafür, dass Cannabis-Unternehmen zumindest auf ihren Websites darüber informieren dürfen, wie genau ihre Produkte wirken.

Die Erfahrungen aus dem Verkauf von medizinischem Cannabis zeigen allerdings, dass die Konsumentinnen und Konsumenten Apotheken sehr informiert aufsuchen und gezielt bestimmte Blüten erwerben. Ohne dass sie sich vorher auf Firmen-Websites informiert haben.

Auffällig gestaltete Verpackungen sprächen also vermutlich vor allem Menschen an, die noch nicht so viel Erfahrung mit der Droge haben. Kritiker befürchten daher, dass Werbung in erster Linie mehr Menschen zum Konsum verführen könnte. Studien belegen, dass mit Cannabis-Werbung bedruckte Pullover oder Kugelschreiber diesen Effekt bei Jugendlichen auslösen. Der UN-Suchtstoffkontrollrat warnt aus diesen Gründen vor Werbung, besonders auf Online-Plattformen. Auch das Bundesgesundheitsministerium will den Jugendschutz bestmöglich gewährleisten.

Das Berliner Cannabis-Start-up Sanity-Group stellt auf seiner Website Modelle vor, wie Jugendschutz und Werbung vereinbart werden könnten. Würde Cannabis für alle zum Beispiel genau wie das für medizinische Zwecke nach dem Heilmittelwerbegesetz behandelt, wäre Werbung, die ein Fachpublikum adressiert, möglich. Demecan etwa macht in Anzeigen in Ärzte-Zeitschriften, Newslettern auf dem Portal DocCheck und in Broschüren an Apotheker und Ärzte auf sich aufmerksam. Dabei dürfen Unternehmen allerdings nur die reine Produktinformation veröffentlichen. Auch ein Modell wie in Kanada wäre denkbar: Dort ist Cannabis-Werbung erlaubt, wenn sie sich an namentlich bekannte, volljährige Konsumentinnen und Konsumenten richtet.

Manuel Leinung, der Eigentümer von Seed Media, einer Cannabis-Werbeagentur aus Leipzig, fasst die Wünsche seiner Branche so zusammen: „Der Markt ist sowieso da, die Konsumenten auch, es geht nicht darum, den Markt zu vergrößern, etwa um Jugendliche, sondern ihn aus der Kriminalisierung zu holen. Und dafür braucht es Marketing.“

Fabienne Diekmann fürchtet, dass das Werbeverbot einfach umgangen wird. Vermeintlich unabhängige Marketingfirmen, etwa in Panama, könnten Influencer bezahlen, damit diese Auspackvideos von deutschem Cannabis in Kalifornien oder Israel produzieren, die hier dann wiederum auf Instagram oder Tiktok zu sehen sind. ---

Bislang gibt es nur zwei Länder weltweit, in denen der Konsum von Cannabis als Genussmittel vollständig legal ist: Uruguay und Kanada. In den USA gilt das für etwas weniger als die Hälfte der 50 Bundesstaaten. In Georgien und Südafrika ist der Konsum der Droge legal, nicht aber der Verkauf. In zahlreichen anderen Ländern wie den Niederlanden, Peru und Kolumbien ist der private Gebrauch zwar nicht erlaubt, Konsumenten werden aber auch nicht strafrechtlich verfolgt.

In den USA unterscheiden sich die Werberegulationen für Cannabis-Produkte von Bundesstaat zu Bundesstaat. In Arizona etwa sind theoretisch alle Formen von Marketing zulässig, in Colorado wiederum sind unter anderem Handy-Werbung und Flugblätter verboten, und in Washington D.C. dürfen die Verkaufsläden keine Außenbeleuchtung haben.

In Kanada ist Cannabis-Werbung weitgehend verboten. Eine Ausnahme sind Händler mit einer Lizenz zum Anbau oder Weiterverkauf: Sie dürfen informative oder markenbezogene Werbung machen, solange diese keine Minderjährigen erreicht. Auch für die Verpackungen in den lizenzierten Shops gelten strenge Regeln. Sie müssen einfarbig sein und eine standardisierte Schrift haben, sie dürfen nicht glänzen, und Logos können nur begrenzt aufgedruckt werden. Auch in Uruguay ist Werbung für Cannabis verboten.

Die Ausgaben für Cannabis-Werbung in den USA werden für 2022 auf mehr als 1,6 Milliarden Dollar geschätzt.

In Deutschland gaben Firmen 2019 mehr als 200 Millionen Euro für Tabak-Werbung aus.

Diese wird in Deutschland immer stärker reglementiert. Seit 1975 gilt ein Tabak-Werbeverbot in TV und Radio, seit 2007 auch in Zeitungen, Magazinen und im Internet. Seit 2022 darf auch nicht mehr auf Außenwerbeflächen wie Plakaten für Zigaretten geworben werden. Das gilt ab 2024 auch für E-Zigaretten.

Bei Alkohol-Werbung hat die Branche sich eine Selbstverpflichtung auferlegt: So sollen zum Beispiel keine trinkenden Leistungssportler gezeigt, keine Jugendlichen angesprochen und nicht zu missbräuchlichem Konsum aufgefordert werden. Die Regeln sind deutlich weniger streng als bei Tabak. Die Bundesregierung kündigte in ihrem Koalitionsvertrag an, die Werbe-Regelungen für Alkohol und Nikotin weiter zu verschärfen.