Leichte Sprache

Es gibt auch ein bisschen Handlung.

Die Leichte Sprache nimmt den Inhalt ernst, aber nicht schwer. Das kann erhellend sein. Hier die Übersetzung von Auszügen aus einer Literaturkritik von Hubert Winkels in der »Süddeutschen Zeitung« vom 22. Februar 2023.





Der neue Roman „Alles in allem“ beginnt mit einer Bettszene, in der der seitenlang gestreckte nackte Rücken der Geliebten zugleich eine pastorale Landschaftsfeier ist, eine geomorph orientierte Exkursion in mittelgriechische Oliven- und Weingebiete bei Delphi. (…)

Hier geht es um ein neues Buch.
Das Buch heißt: „Alles in allem“.
Am Anfang vom Buch haben zwei Leute Sex.
Da geht es lange um den Rücken von der Frau.
Der Rücken wird verglichen mit einer Landschaft.

Ein einziger Kuss, nicht einmal ein äußerst leidenschaftlicher, verschlingender, schreibt sich über mehrere Seiten. Und wird dabei potenziert. Er gibt seine initiale erotisch-vitale Kraft ab an das Denken des Kusses selbst. Es lebt auf und fasst die lust-konkrete Gegenwart sub specie aeternitatis, bildet so eine anbetungswürdige kathedralartige metaphysische Reflexionswölbung. (…)

Dann geht es um einen Kuss.
Auch der wird sehr lange beschrieben.
Dadurch soll der Kuss mehr sein als nur ein Kuss.
Es geht um was Größeres.
Zum Beispiel um Gott.
Man soll beim Lesen nachdenken.
Deswegen wird der Kuss auch so lange beschrieben.

Solche plötzlichen Tonwechsel sind’s, die nonchalanten Pointen, die aus dem dichten metaphysisch-orgiastischen Geist-Körper-Gewölle herausführen (…), sie machen den Reiz, ja zuvörderst überhaupt erst die Lesbarkeit des Buches aus. Und eine rudimentäre Handlung tut ihr Übriges, es nicht auf eine intellektuelle Selbstvertiefungsübung für die happy few der altsprachlich-theologischen Bildungsdiskurse zu beschränken. (…)

Das Buch ist mal so und mal anders geschrieben.
Und es gibt auch Witze.
Das Buch ist meistens kompliziert geschrieben.
Ohne die Witze wäre es nicht schön zu lesen.
Es gibt auch ein bisschen Handlung.
Das ist wichtig.
Sonst wäre es nur ein Buch für wenige Leute:
Die sich auskennen mit alten Sprachen und Religion.

Der eher sanfte Erzähler trifft die chtonische Dimension des thematisch eröffneten Erzählraums kaum. (…) Die politische und soziale Entwicklung des Helden in diesem Roman voller Bildung – aber kein Bildungsroman – bleibt blass. (…)

In dem Buch geht es um ernste Themen.
Aber die Sprache ist oft weich.
Das Buch erzählt die Geschichte von einem Mann.
Der ist aber nicht so gut beschrieben.
Er verändert sich im Laufe der Geschichte wenig.