Gut beraten

Schön, dass es Leute gibt, die sich in der Warenwelt auskennen – und ihr Wissen gern an Kunden weitergeben. Hier eine subjektive Auswahl.



In schwierigen Elektro-Fragen braucht man einen Herrn Zak an der Seite.

Text: Susanne Schäfer
Fotografie: Matthias Oertel

• Wer einen dieser großen Elektro-Märkte betritt, braucht einen scharfen Blick, denn allein ist man dort verloren. Alles hängt davon ab, welchen Verkäufer man anspricht – gerade dann, wenn ein echtes Problem gelöst werden muss. Ich hatte eine Küche bei Ikea gekauft, wollte darin aber Elektrogeräte von anderen Anbietern integrieren. Das Möbelhaus sieht das als Affront, weil man dessen Küchengeräte verschmäht, man ist also auf sich gestellt. Herd und Kühlschrank sind kein Problem, aber die Spülmaschine.

Ich war mir der Herausforderung bewusst. In einem ersten Geschäft der Unternehmensgruppe MediaMarktSaturn hatte ich keinen scharfen Blick gehabt und die falschen Verkäufer angesprochen. Spülmaschine und Ikea-Küche, da machten sie große Augen. Das Thema sei ihnen zu heikel, sagten sie, damit wollten sie nichts zu tun haben. Also las ich mich selbst ein und tat mich in Foren mit Gleichgesinnten zusammen. Das Zauberwort heißt: Vario-Scharnier. Dieses sorgt dafür, dass die Tür des Geräts sich noch öffnen lässt, wenn die Verkleidung darauf angebracht ist. Als ich den Saturn in der Hamburger Mönckebergstraße betrat, verfügte ich also bereits über solide Grundkenntnisse, trotzdem war klar: Ich brauchte einen Partner an der Seite.

Mit der Rolltreppe rauf, etwas rumbummeln und dabei die Optionen unauffällig scannen, ja, er da hinten, er machte einen kompetenten Eindruck. Er schien in sich zu ruhen, als er bedächtig über die Fläche mit den Küchengeräten schritt. Als ich näher kam, konnte ich sein Namensschild lesen und ahnte, dass das etwas werden kann: Herr Zak.

Herr Zak wusste, wovon ich sprach, er kannte seine Vario-Scharniere. Er zeigte mir die Spülmaschinen, die infrage kamen, stellte wenige, aber die richtigen Fragen, bereitete meine Entscheidungen vor. Es war alles so einfach.

Die Teile für die Küche wurden geliefert, die Spülmaschine stand bereit, dann kamen die Monteure. Zügig bauten sie Teil für Teil zusammen, bei der Spülmaschine stutzten sie. Die passe nicht, sagten sie. Ich: Aber sie hat ein Vario-Scharnier! Nein, keine Chance, die Monteure schoben das Gerät zurück in die Verpackung, die müsse getauscht werden, sie seien hier fertig.

Ich rief bei Saturn an. Wie es mir gelang, Herrn Zak ans Telefon zu bekommen, weiß ich nicht mehr, es war hektisch. Jedenfalls fragte er, ob die Monteure noch da seien. „Ja? Dann reichen Sie doch das Telefon mal weiter.“ Seine Anleitung konnte ich nicht hören, aber es brauchte nur wenige Handgriffe, und zack, schon passte alles.


 

Eine Würdigung zum Abschied.

Text: Jens Bergmann
Fotografie: Matthias Oertel


• Erstaunlich, dass man sich manche Sachen gut und andere gar nicht merken kann. Bestimmte Zahlen wie seit Langem nicht mehr existierende Festnetz-Telefonnummern oder Postleitzahlen von vor 1993 weiß ich beispielsweise auswendig. Mit Namen tue ich mich dagegen seit je schwer. Nicht die beste Voraussetzung für einen Journalisten, aber bislang konnte ich mich beruflich durchschlawinern.


War es der Rote mit der Amsel oder der mit dem Fasan? Renate Buske weiß es

Noch schlechter ausgeprägt ist mein Weingedächtnis. Wenn ich einen Wein trinke, der gut zu einem bestimmten Gericht passt, denke ich mir: Den merkst du dir – um ihn umgehend zu vergessen. Macht aber nichts, weil Renate Buske, die Weinhändlerin meines Vertrauens, diese Schwäche mehr als ausgleicht. Mit ihr läuft es so: Ich sage, was ich kochen möchte, sie empfiehlt die passende Begleitung. Das funktioniert seit fast 25 Jahren, ich vertraue ihr blind und wurde nie enttäuscht. Sie hilft auch bei kniffeligen Problemen, etwa wenn Gäste unbedingt Weißwein zum Bœuf Bourguignon trinken wollen oder Rotwein zur Forelle. Sie könnte sicher auch den passenden Tropfen zum Toast Hawaii empfehlen oder zu einem Eintopf auf Salzgurkenbasis.

Zudem merkt sie sich, welche Weine ich schon hatte, und hilft mir manchmal anhand der Tiere auf den Etiketten – bei vielen Winzern sehr beliebt – auf die Sprünge. Da gibt es Hasen, Fasane, Hirsche, Tintenfische, Nashörner und viele mehr. Sie deutet dann auf eine Flasche, auf der beispielsweise eine Amsel zu sehen ist, und sagt: „Den hattest du schon mal.“ Gelegentlich klingelt es dann bei mir.

Dabei ist sie angenehm zurückhaltend und behelligt einen über die wesentlichen Angaben – Frucht, Restsüße, Säure, Gerbstoffe – hinaus nicht mit Weinlyrik, „weil das die Kunden häufig eher verwirrt“.

Vielleicht liegt es daran, dass sie Autodidaktin ist. Sie hat Schifffahrtskauffrau gelernt, eine Zeit lang in einer Versicherung gearbeitet, war da unzufrieden und kam auf die Idee, mit Wein zu handeln, weil sie Wein mochte. Ahnung von dem Geschäft hatte sie nicht, sie brachte sich alles selbst bei. 1979, da war sie 23 und junge Mutter, eröffnete sie Weinrot in Hamburg-Eimsbüttel, damals ein Viertel, wo viele Studenten wohnten, heute stark gentrifiziert. Der Renner damals: acht offene Weine in 20-Liter-Ballons. „Am Anfang hatte ich Lampenfieber, aber das legte sich, weil der Laden gleich gut lief.“

1000 D-Mark setzte sie am Eröffnungstag um, ihre wichtigsten Kunden waren WGs aus der Nachbarschaft. Mit den Jahren differenzierte sie ihr Sortiment aus. Zupass kam ihr dabei ihr ausgeprägtes sensorisches Gedächtnis: „Wenn mich ein Wein nachhaltig beeindruckt, dann behalte ich ihn auf der Zunge.“ Sie hat rund 700 verschiedene Weine, Crémants und Spirituosen vorrätig und jeden Wein probiert. Auch jeden neuen Jahrgang testet sie.

Die Schwelle bei ihr ist niedrig: Zwar hat sie auch die ganz teuren Flaschen aus dem Bordelais im Angebot, aber auch anständige Weine für 6,50 Euro.

Ein kleiner Haken bei Weinrot: Renate hat immer ein Ohr für ihre Stammkunden und hört geduldig zu, wenn die ihr von Problemen mit dem Partner oder Hund erzählen. Weil mich das hibbelig macht, spähe ich immer durch das große Fenster, um Renate abzupassen, wenn sie allein im Laden ist. Bald wird sie allerdings, das vermittelt sie diplomatisch am Ende unseres Gesprächs, gar nicht mehr im Laden sein. Sie geht in den Ruhestand – obwohl sie erst 67 ist und bislang trotz des Schleppens der schweren Weinkisten keine Rückenprobleme hat. „Ein Wunder“, wie sie sagt.

Selbstverständlich ist ihr der Ruhestand zu gönnen. Andererseits finde ich, dass für mich systemrelevante Menschen gar nicht in Rente gehen sollten. Muss ich jetzt auf meine alten Tage etwa noch komplizierte Bezeichnungen wie „Riesling Spätlese trocken – Kallstadter Saumagen“ lernen? Immerhin hat die Alleinunternehmerin einen Nachfolger gefunden, der den Laden in ihrem Sinne weiterführen soll. Ein schwacher Trost. Meine Problemlöserin wird mir fehlen.


 

Der Kunde ist König? Nicht beim Buchhändler Minx.

Text: Peter Laudenbach
Fotografie: Tobias Kruse


•Das Antiquariat Minx in Berlin-Kreuzberg ist aus zwei Gründen bemerkenswert: wegen des Angebots und wegen des Betreibers Rainer Minx. Der mag Bücher, Menschen mag er nur in Grenzen. Servile Verkäuferfreundlichkeit, übertriebenes Getue, anbiederndes Lächeln sind in seinem Geschäft nicht zu befürchten.

Ich finde das sehr wohltuend. Der Buchhändler ist nicht unbedingt unfreundlich, er dosiert seine Freundlichkeit nur recht sparsam. Nachdem ich etwa ein Jahr lang ein, zwei Mal im Monat bei ihm war und offenbar meistens die richtigen Bücher gekauft hatte, grüßte er mich irgendwann sogar. Große Ehre!


„Bitte gehen Sie.“ Rainer Minx

Nach mehreren Jahren Stammkundschaft ist der Buchhändler jetzt manchmal gesprächig. Dann klagt er über die Belästigung durch ahnungslose, vermutlich analphabetische Kunden, die sich in sein Geschäft verirrt haben und ihm mit ihren aufdringlichen, in der Regel völlig ahnungslosen Fragen die Zeit stehlen. Unglückselige, die es wagen, ihn zum Beispiel nach Kochbüchern, Krimis oder Fantasy-Literatur zu fragen, haben Glück, wenn er nur mit einem resignierten Seufzer oder einem höhnischen „So etwas führen wir nicht“ antwortet und ihnen nicht gleich Ladenverbot auf Lebenszeit erteilt.

Einmal fragte ein bedauernswerter Kunde auf der Suche nach Lebenshilfe-Literatur etwas zu hochtrabend, ob der Antiquar ihm Philosophie-Bücher empfehlen könne. Weil sein Doktortitel echt ist, grummelte Minx mit leicht sadistischem Unterton kurz und bündig: „Fangen Sie am besten mit Kants ,Kritik der reinen Vernunft‘ an“ – also so etwa das schwierigste Buch, das die Philosophiegeschichte zu bieten hat. Die Empfehlung war eine Belehrung, schließlich würde der Trottel das sowieso niemals verstehen. Einem geizigen Kunden, der bei einem Roman für 2 Euro um 50 Cent feilschen wollte, drückte Minx das Buch genervt in die Hand: „Behalten Sie es, aber bitte gehen Sie.“

Die Google-Bewertungen des Geschäftes sind unterhaltsam. Sie zeigen, wie entschlossen Herr Minx sich Besucher vom Leib hält, die seine Erwartungen nicht erfüllen: „Faszinierend, wie jemand, der offensichtlich etwas verkaufen möchte, so eine einzigartige Unfreundlichkeit seinen Kunden gegenüber zum Ausdruck bringt“, klagt eine Besucherin. Eine andere ist empört: „Der Besitzer dieses Schuppens ist echt eine Nummer. Einen Kollegen und mich hat er während des stillen Stöberns hinausgeworfen, mit dem Vorwurf, wir würden nichts kaufen wollen.“ Ein Besucher versucht es mit medizinischen Erklärungen: „Noch nie bin ich einer so unhöflichen Person begegnet wie dem Ladeninhaber. Unhöflich ist eigentlich eine Untertreibung: Der Inhaber ist geradezu bösartig. Entweder das oder er leidet an einer psychiatrischen Erkrankung.“

Die Google-Bewertungen kennen nur zwei Extreme: Empörung über den rauen Ton und Begeisterung über das gut sortierte Angebot und das beeindruckende Wissen des Händlers.

Auf den seit Jahren anhaltenden Preisverfall im Antiquariatshandel hat Herr Minx mit konkurrenzlosen Preisen geantwortet. Seine Buch-Vorräte sind offenbar unerschöpflich. Ich habe hier eine neuwertige Joyce-Ausgabe in sieben Leinenbänden für 70 Euro gekauft, neu kostet sie 400. Für Romane von Heinrich Mann in der schönen Ausgabe aus dem Zsolnay-Verlag aus den 1920er-Jahren habe ich pro Band den lächerlichen Preis vom 2,50 Euro bezahlt. Und weil ich irgendwann mal ein Buch aus der Werkausgabe des Soziologen Georg Simmel gekauft hatte, sagte mir Minx Jahre später, dass er aus einem neuen Ankauf mehrere Bücher von Simmel im Regal hätte.

Das Antiquariat ist eines meiner Lieblingsgeschäfte, gerade wegen des eigenwilligen Inhabers. Vielleicht, weil wir uns ähnlich sind: Ich mag Bücher. Menschen mag ich nur in Grenzen. ---