Editorial

Es könnte so einfach sein

• Ich habe mich in Karen verliebt. Nicht in die nörgelnde Hausfrau, für die der Name in den Vereinigten Staaten steht, sondern in die Agentur gleichen Namens, die Kunden mit Geduld und Penetranz zu ihrem Recht verhilft. Wie oft schon habe ich mir beim vergeblichen Versuch, eine versprochene Leistung auch wirklich zu bekommen, eine Karen an meiner Seite gewünscht.

Foto: André Hemstedt & Tine Reimer


Es ist ungemütlich geworden auf beiden Seiten des Verkaufsprozesses. In Unternehmen beklagt man eine zunehmende Übergriffigkeit von Kundinnen und Kunden – und die wiederum fühlen sich weichgekocht, kaltgestellt oder schlicht übersehen. Vermutlich hat das eine mit dem anderen zu tun. Doch wichtiger als die Frage nach der Schuld ist die Suche nach Ursachen und Lösungen, und da ist man schnell bei gegenseitigen Missverständnissen. Händler wollen möglichst schnell und effizient liefern – die Kundschaft aber will mehr: ernst genommen werden, im besten Fall sogar verstanden.

Das verblüffendste Beispiel für mich ist das Mode-Label Twothirds, 2010 von einem Hamburger in Barcelona gegründet, schnell hip und bald nahezu pleite. Der Verkauf über die großen Plattformen, später in eigenen Läden, war schlicht zu teuer. Ein eigener Onlineshop wäre wohl noch teurer gewesen – hätte sich der Gründer Lutz Schwenke nicht von allem verabschiedet, was Online-Verkaufs-Kurse lehren. Seine Mitarbeiter beraten persönlich, die Ware wird nicht vorproduziert, die Lieferzeit beträgt bis zu 20 Tage. Der Effekt? Er hat Fans.

Das ist für Experten die höchste Form der Kundenbindung: aus Käuferinnen und Käufern Fans machen. Das kann dank des Produktes funktionieren, wie im Hamburger Sneaker-Laden The Plug Store. Oder durch menschliche Nähe und Zugewandtheit, wie bei der Schweizer Versicherung Mobiliar. In beiden Fällen stimmt, was zwei Forscher von der Hochschule Luzern als wichtigste Voraussetzung für eine gute Beziehung zur Kundschaft ausgemacht haben: dass sich die Mitarbeiter wohlfühlen – denn nur dann können sie gute Dienstleister sein.

Warum das ausgerechnet in der Pflege eine Neuigkeit zu sein scheint, ist schwer verständlich. Das sich in immer mehr Kliniken verbreitende niederländische Flexpool-Modell zeigt, wie es gehen kann: Es erlaubt Pflegekräften im Krankenhaus oder Altenheim, ihre Arbeitszeit selbst zu bestimmen. Sie sind dadurch zufriedener und kommen auch lieber aus der Familienpause zurück.

Es ist also wieder der Mensch, der den Unterschied macht. Und die Technik? Kann den Menschen helfen, ihr Bestes zu geben. Dafür wären Callcenter prädestiniert – doch genau dort, wo Unternehmen und Kunde direkt aufeinandertreffen, wird besonders gern gespart.

Schließlich ist es dem Bot egal, wenn Kunden wüten. Und bis zur Chefetage dringt deren Frustration selten durch. Es sei denn, Karen übernimmt. ---