Elektrizität

Die Qualität von Erdöl oder Wasser? Sprengstoff am Flughafen? All das hilft eine neue Erfindung innerhalb von Minuten festzustellen.





Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 04/2023.

• Für Cornelius Wendt und Alexander Bohnhorst ist klar: Fast alles in der Welt lässt sich anhand der Elektrizität messen. Egal ob Temperatur, Luftdruck, Schadstoffgehalt von Wasser oder Zusammensetzung von Rohstoffen – es laufe fast immer darauf hinaus. Mit ihren Kollegen von Ackision, einer ausgegründeten Firma der Leibniz-Universität Hannover, haben der 32-jährige Mechatronik-Ingenieur und der 34-jährige Ingenieur für Nanotechnologie ein Gerät konstruiert, das die Strommessung nicht nur stark vereinfacht und verbessert, sondern ihr auch bislang ungekannte Welten erschließen könnte.

Fuse heißt der Apparat, ein kleiner grauer Kasten mit zwei Anschlüssen für einen Sensor und einen Computer. Wie er Strom misst, erklärt Wendt so: „Nehmen wir an, die Elektrizität wäre Wasser, das durch ein Rohr fließt. Statt den Fluss, wie herkömmliche Geräte, direkt zu messen, leiten wir das Wasser in eine Badewanne und ermitteln, wie viel Wasser sich darin in einer bestimmten Zeit sammelt – eine Million Mal pro Sekunde.“

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Während des Messvorgangs müsse die Badewanne immer wieder geleert werden, um neues Wasser aufnehmen zu können, fährt Wendt fort. Bislang sei man davon ausgegangen, dass ein schnelles Entleeren der Wanne nicht möglich sei, ohne dass ein Rest darin bliebe – und so das Ergebnis des nachfolgenden Messintervalls verfälsche. An diesem Problem setzen die Ingenieure an: „Wir haben ein Verfahren entwickelt, das mithilfe einer cleveren Schaltung das Entleeren zwischen zwei Messpunkten ermöglicht. Die Wanne wird sehr schnell komplett entleert, indem wir das Wasser absaugen“, so Wendt.

Diese Technik ermöglicht nach Angaben der beiden eine bisher unerreichte Genauigkeit. Fuse arbeitet im Größenbereich von Femtoampere, das entspricht etwa einem Billiardstel des Stroms aus der Steckdose. „Wenn vor 100 Millionen Jahren ein Saurier angefangen hätte, mit diesen Strömen ein Mobiltelefon zu laden, zeigte der Ladebalken heute immer noch weniger als ein Prozent an“, sagt Alexander Bohnhorst.


Klein, aber leistungsstark: Fuse passt auf jeden Schreibtisch.


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Doch Fuse registriert nicht nur kleinste Ströme, sondern auch sehr große. Dabei ist es ebenso schnell wie konventionelle Geräte. Diese Kombination von Eigenschaften macht es laut Ackision einzigartig – und für viele Anwendungen interessant, wo Zeit und Präzision eine entscheidende Rolle spielen. Die Qualität einer Ladung Erdöl in einem Tankwagen ließe sich so zum Beispiel innerhalb weniger Minuten feststellen. Ein Lkw-Fahrer müsste dann nicht mehr eine Stunde auf dem Fabrikhof warten, bis die Qualitätskontrolle abgeschlossen sei, sagt Bohnhorst.

Wie die Technik in der Praxis genutzt werden kann, zeigt das Beispiel des neuartigen Gaschromatographen Hyperchrom. Diesen hat eine gleichnamige Firma aus Bonn entwickelt, die mit Ackision kooperiert. Das Gerät zur chemischen Analyse kann dank Fuse kleinste Verunreinigungen erfassen, etwa im Wasser oder Boden.

Ohne Hyperchrom gäbe es Fuse vermutlich nicht. 2016 kam der Chef der Firma bei einer Wissenschaftskonferenz mit dem späteren Ackision-Teamleiter, Ansgar Kirk, ins Gespräch. Für seine neue Entwicklung benötige er ein Gerät, das möglichst schnell kleine Ströme messen könne, sagte er.

Seit 2020 läuft Fuse bei Hyperchrom im Probebetrieb – und das mit Erfolg. „Diese Gaschromatographen arbeiten bis zu 50-mal schneller als herkömmliche Modelle und verbrauchen dadurch viel weniger Energie“, sagt Bohnhorst. „Fuse ergänzt sie ideal, weil es mit dieser Geschwindigkeit mithalten kann.“


Entwickelt haben es Alexander Bohnhorst, Cornelius Wendt und Ansgar Kirk (v. l.)

Das Messgerät ist kompakt. Sonst füllten Geräte mit einer ähnlichen Leistung ganze Räume, sagt Cornelius Wendt. Sie sind deshalb vor allem in Forschungseinrichtungen zu finden. Fuse passt auf jeden Schreibtisch – und könne daher auch in Privatlaboren oder unterwegs benutzt werden.

Die Entwicklung der Technik wurde vor allem mit 720 000 Euro Fördergeld aus dem Exist-Forschungstransfer- Programm finanziert. Im Winter 2022 haben die Ingenieure in Hannover ihre Firma gegründet. Vier Mitarbeiter sind fest dabei, drei weitere unterstützen das Team als Werkstudenten und Praktikanten. Ende 2024 wollen die Gründer schwarze Zahlen schreiben.

In einigen Wochen soll das Gerät auf den Markt kommen. „Es eignet sich für alle Industriezweige, in denen extrem präzise Strommessungen nötig sind, zum Beispiel bei der Entwicklung von Mikroprozessoren“, sagt Wendt. Zusammen mit einem entsprechenden Sensor könnte es aber auch Sprengstoff bei Sicherheitskontrollen an Flughäfen nachweisen.

Viele Anwendungen seien jedoch noch nicht absehbar – Fuse sei eine sogenannte Enabler-Technologie, die anderen Disziplinen zu großen Leistungssprüngen verhelfen könne. Cornelius Wendt: „Vielen Entwicklern ist das noch nicht klar. Die müssen erst einmal lernen, dass sie unser Produkt für diese neuen Zwecke brauchen.“ ---


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