Vorn dabei

Fünf Menschen, die künstliche Intelligenz bereits heute nutzen.



Corina Apachiţe macht Autoteile smarter und delegiert langweilige Fabrikarbeit an automatisierte Helfer.

Text: Anne Hünninghaus
Fotografie: Michael Hudler

Corina Apachiţe
interessierte sich schon früh für Zahlen und Logik und besuchte eine weiterführende Schule mit Schwerpunkt Informatik. Heute ist die 45-Jährige Programmleiterin für künstliche Intelligenz und Daten bei dem Zulieferer Continental Automotive.

Wenn es um ChatGPT geht, beginnt Corina Apachiţe zu strahlen. Nicht weil die KI-App ihr im Arbeitsalltag so wahnsinnig viel abnehmen würde. Die gebürtige Rumänin nutzt den Bot für Kleinkram, etwa Abwesenheitsnotizen und Weihnachtsgrüßen den sprachlichen Feinschliff zu verleihen. Dass so viele das Tool kennen, freut sie: „Früher musste ich bei uns im Unternehmen vielen erklären, was KI ist, wie maschinelles Lernen funktioniert, warum Algorithmen den Dialog mit uns brauchen, um besser zu werden.“ Seit die Kollegen – vom Vorstand bis zur Werksarbeiterin – mit dem Chatbot umgehen, sei die Skepsis gegenüber KI gesunken.

In der Automobilindustrie gehört das autonome Fahren zu den wichtigs ten Anwendungen der KI. Dafür müssen aber auch all die Produkte der Zuliefererbetriebe smart sein. Continental hat daher in den vergangenen Jahren kräftig in den Ausbau investiert: Heute beschäftigt der Dax-Konzern global mehr als 1200 KI-Fachleute, Tendenz steigend. Apachiţes Kernteam besteht aus 20 Expertinnen und Experten aus Informatik, Astrophysik und weiteren Fachbereichen. Sie arbeiten von Frankfurt, Berlin, Singapur oder Bangalore aus. Apachiţe pendelt zwischen den Standorten. Ihr Team erstellt Software, die lebloser Auto-Hardware wie Park-assistenten oder Autopilot-Systemen eine Art von Intuition verleihen soll.

„Eine Kamera, die für das autonome Fahren benötigt wird, kann sehen, aber nicht wahrnehmen“, sagt Apachiţe, „wir machen sie schlau.“ Doch das erfordert eine Menge Geduld. In mühevoller Kleinarbeit bringt ihr Team dem System bei, eine Straße von einem Wald zu unterscheiden oder Fußgänger zu sehen. „Wir versuchen, die komplexe menschliche Intuition in Algorithmen zu übersetzen.“

KI spielt bei Continental nicht nur in der Produktentwicklung eine wichtige Rolle, sondern auch bei der Prozessautomatisierung. Rund 70 Prozent ihrer Arbeitszeit verwendet die KI-Chefin auf solche Projekte. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so das Ziel, sollen bei Routinearbeiten entlastet werden, damit sie mehr Zeit für wichtigere Aufgaben haben. Das verändert den Berufsalltag in den Werken.

Ein Beispiel dafür ist die optische Inspektion, ein Teil der Qualitätssicherung. Bis vor wenigen Jahren haben Menschen überprüft, ob die hauseigenen Leiterplatten, also Träger für elektronische Bauteile, einwandfrei produziert worden sind. Heute muss niemand mehr acht Stunden am Band stehen, um fehlerhafte Fabrikate herauszufischen. An bestimmten Kontrollpunkten sind Kameras installiert, durch die ein Bilderkennungssystem fehlerhafte Komponenten ausmachen und sofort entscheiden kann, ob das monierte Teil weiterverarbeitet werden soll oder nicht. Zudem hilft das System zu erkennen, welche Ursache die Fehler haben könnten. Wenn die Maschine keine Entscheidung treffen kann, muss ein Mensch ran und den Fall klären.

All jene, deren Aufgaben heute größtenteils maschinell erledigt werden, bilde man weiter. „Sie können jetzt höherwertige Tätigkeiten übernehmen. Zum Beispiel auf Spurensuche gehen: Warum kommt es in einem bestimmten Produktionsprozess immer wieder zu Fehlern? Wie lässt sich das beheben?“, sagt Apachiţe. Das Beispiel mit der Qualitätssicherung ist nur eines von vielen. Auch Gabelstapler fahren bei Continental inzwischen autonom in den Werken umher und füllen die Regale nach eigenem Ermessen.

Doch viele Fragen sind auch für die Teamleiterin noch offen: Wie können wir sicherstellen, dass ein System auf Basis künstlicher Intelligenz sich immer zuverlässig verhält? „Für automatisiertes Fahren im Personenverkehr ist dieses Problem noch nicht gelöst, da gibt es einiges zu tun“, sagt sie. Ethische Fragen müssten bei jedem neuen Prototyp beantwortet werden. „KI ist weder gut noch schlecht. Sie kann eine nützliche Komplizin des Menschen sein. Es liegt an uns, etwas aus ihrem Potenzial zu machen.“

Der Dax-Konzern Continental beschäftigt knapp 200 000 Mitarbeiter an 519 Standorten in 57 Ländern. Seit 2018 hat sich die Zahl der KI-Fachleute bei Continental auf 1200 Menschen verdreifacht.

Der Markt für künstliche Intelligenz in der Automobilindustrie wird auf 2,3 Milliarden US-Dollar geschätzt und soll nach Angaben des Research-Dienstes Mordor Intelligence bis zum Jahr 2026 auf 16,2 Milliarden Dollar wachsen.

KI könnte Werbeagenturen helfen, kreativer zu arbeiten, glaubt Karoline von dem Bussche. Doch bis es so weit ist, gibt es noch so manche Hürde.

Text: Celine Schäfer
Fotografie: Aristides Schnelzer

Karoline von dem Bussche
hat Sprach- und Rechtswissenschaften studiert und danach in verschiedenen Agenturen gearbeitet. Dort beschäftigte sie sich vor allem mit Storytelling und der Frage: Wie lassen sich Daten aufbereiten? Anfang 2023 nahm die 49-Jährige einen Job bei der Agentur Palmer Hargreaves an – zunächst als Redakteurin, dann als AI Prompt Editor.

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