brand eins-Container: Energie # 10 Energiewende

Die Brückenbauerin

Für die Umstellung auf erneuerbare Energie müssen Stromnetze ausgebaut werden – doch Proteste in ganz Europa verhindern das oft. Antonella Battaglini weiß, was dann zu tun ist.





Antonella Battaglini

wurde in Italien geboren, dort und in Deutschland studierte sie Wirtschaftswissenschaften. Von 2001 an arbeitete sie am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. 2009 gründete sie in Berlin die Renewables Grid Initiative (RGI), mit der sie Netzbetreiber und Organisationen für Umwelt- und Klimaschutz zusammenbringt. Inzwischen sind Unternehmen und NGOs aus ganz Europa Mitglieder. Die Non-Profit-Organisation RGI finanziert sich größtenteils über – unterschiedlich hohe – Mitgliedsbeiträge: Jedes Unternehmen zahlt 30 000 Euro pro Jahr, jede NGO nur 100. Darüber hinaus wird RGI privat und öffentlich gefördert. Battaglini war mehrmals Mitglied in Expertengremien zur Zukunft der Elektrizität, etwa beim World Economic Forum und der Europäischen Kommission.

brand eins: Frau Battaglini, warum muss das Stromnetz in Europa überhaupt ausgebaut werden?

Antonella Battaglini: Ursprünglich wurde viel Strom dort erzeugt, wo er gebraucht wurde, etwa in Kraftwerken nah der Städte. Heute produzieren wir zunehmend grünen Strom dort, wo es viel Wind und Sonne gibt, und müssen ihn dann weit transportieren. Zudem steht mittags in der Regel viel Solarenergie zur Verfügung, nachts keine. Mal weht der Wind, mal nicht. Um solche Schwankungen auszugleichen, brauchen wir ein flexibleres Stromnetz. Die Energiewende kann ohne einen Ausbau nicht gelingen.

Gegner neuer Stromnetze argumentieren, man könne erneuerbare Energie auch dezentral erzeugen – dort, wo sie gebraucht wird.

Dahinter steht der alte Streit darüber, ob man Energie zentral oder dezentral erzeugen sollte. Wir brauchen aber beides. Wer Solarkollektoren auf seinem Dach installieren kann, sollte das unbedingt tun. Wir reden hier aber nicht nur über dein Haus und mein Haus, dein Dorf und mein Dorf. Es geht auch darum, wie wir die Versorgung für Industrie, Krankenhäuser und Flughäfen sichern. Dazu braucht es enorme Mengen an Energie, die zum Beispiel in Offshore-Windparks oder Solarparks erzeugt werden können – und flexible Netze für den Transport.

Wie soll das aussehen?

Viele Länder müssen zusammenarbeiten. Das Netz muss von Großbritannien bis Osteuropa, von Norwegen bis nach Marokko und Tunesien ausgebaut sein, und zum Teil ist es das auch schon. All diese Regionen haben unterschiedliches Wetter und können einander aushelfen, wenn an einer Stelle die Sonne scheint oder der Wind weht und an anderer nicht. Für mich geht es dabei um einen fairen Handel, von dem alle Beteiligten profitieren, aber auch um Verbundenheit und Solidarität.

Trotzdem gibt es europaweit Protest nicht nur gegen Windparks, sondern auch gegen den Ausbau der Stromnetze. In Bayern wehren sich Aktivisten, Landwirtinnen und Anwohner vehement gegen die geplante Stromtrasse „Südostlink“, obwohl man dort vom Strom aus norddeutschen Windkraftanlagen profitieren würde. Auch in Irland gab es erbitterten Widerstand gegen neue Stromtrassen. Ebenso auf der Kanalinsel Alderney: Ein Kabel soll Großbritannien mit Frankreich verbinden, größtenteils unter Wasser. Eigentlich sollte ein Abschnitt über die Insel verlegt werden, doch die Bewohner verhinderten dies.


„Anfangs war ich das Kissen zwischen den Streitparteien. Vom Kissen wurde ich zu Brückenbauerin, inzwischen sehe ich mich als Türöffnerin.“

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