Was mache ich mit …?

Chance für die Kleinen

In der digitalen Welt gibt es ständig Neues – schwer, da den Überblick zu behalten. Was sind Hypes, die man getrost ignorieren kann? Und was bringt einen wirklich voran? Darüber berichtet Gregor Schmalzried, Journalist und Blogger. In der ersten Folge seiner neuen Kolumne beschreibt er, warum gerade Einzelpersonen und kleine Teams von der KI profitieren können.



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• Manche glauben, dass vor allem große Konzerne von künstlicher Intelligenz profitieren werden. Denn wo Arbeitskraft durch Technik ersetzt wird, fallen Kosten weg. Doch KI wird wohl auch einen gegenteiligen Effekt haben. Er ist die logische Folge der digitalen Transformation der vergangenen 20 Jahre – verschärft und auf die Spitze getrieben.

Die KI-Revolution wird – erst einmal – eine Chance für die Kleinen. Zumindest für einige von ihnen.

Warum das so ist? Kürzlich sollten in einer Untersuchung des Massachusetts Institute of Technology unter anderem Menschen aus der Werbung und Berater eine halbstündige Aufgabe lösen – die eine Hälfte mithilfe von ChatGPT, die andere ohne. Das Ergebnis: Die Gruppe mit KI-Tool erledigte ihre Aufgaben im Schnitt 40 Prozent schneller. Und ihre Ergebnisse wurden auch deutlich besser bewertet als die der anderen.

Studien wie diese werden in der Regel mit Sternchen versehen. Sie sind nicht repräsentativ. Ein Sternchen, das man bei dieser ergänzen müsste: Die Studie zeigt, dass es bislang vor allem Einzelpersonen sind, die es schaffen, mit KI effizienter zu arbeiten.

Es ist kein Wunder, dass die größten Nutznießer des Booms Menschen sind, die viel allein arbeiten. Künstler wie Paul Trillo und Fabian Stelzer erschaffen mit KI Kurzfilme. Lehrer lassen sich von Chatbots Arbeitsaufgaben und Lernbeispiele generieren. Ärztinnen nutzen KI, um Papierkram und Dokumentation zu bewältigen. Selbstständige erstellen damit einfache Presse- und Werbetexte oder nutzen die Anwendungen zum Brainstormen.

Für viele Menschen, die beruflich programmieren, mit Inhalten oder Daten arbeiten, ist die KI-Revolution schon Alltag. KI-Tools erstellen für sie Programmcodes, visualisieren Daten, fassen lange Dokumente zusammen, beantworten nervige Mails und schreiben Texte – in Sekunden, von überall aus, und das oft gratis.

Die Arbeit vieler Software-Entwickler hat sich durch Programme wie GitHub Copilot völlig verändert. Statt bei null anzufangen, teilen sie der KI mit, was sie wollen, und bearbeiten anschließend die Ergebnisse. So gehen auch manche Übersetzer vor. Erst übersetzt der Computer, dann geht es an den Feinschliff. Diese Methode verbreitet sich nun in vielen Jobs.

Außerdem senken KI-Anwendungen Einstiegshürden. Composer zum Beispiel, eine Software für komplexes Portfolio-Management, verwendet seit Anfang des Jahres selbstlernende Algorithmen. Wer bislang eine Aktienstrategie entwerfen wollte, die Software-Unternehmen stärker gewichtet, musste ein komplexes Programm beherrschen. Nun muss man nur noch angeben: „Ich glaube, Software geht hoch“ und Composer erstellt automatisch eine Portfolio-Strategie.

Wer Lust und Zeit hat, sich mit künstlicher Intelligenz zu beschäftigen, findet viele solcher Möglichkeiten. KI liefert keine perfekten Ergebnisse, aber gibt jeder und jedem einen blitzschnellen Praktikanten an die Seite, der unermüdlich Dokumente durchackert, lästige Verwaltungsaufgaben erledigt oder im richtigen Tonfall Mails an Auftraggeber verfasst, die ihre Rechnungen noch nicht bezahlt haben.

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Im Nachteil: große Firmen

Das ist wie gemacht für chronisch überlastete Einzelkämpfer und kleine Teams. Die sind es sowieso gewöhnt, sich Gedanken über Software- und Zeitmanagement zu machen. Für eine Freelancerin ist es normal, neue Hilfsmittel auszuprobieren.

In einer großen Organisation dagegen wird die Software-Ausstattung meist von oben diktiert. Das macht es viel schwieriger, alles aus der KI rauszuholen. Hinzu kommt: Wer einmal die Verwerfungen miterlebt hat, die entstehen, wenn für eine Abteilung Microsoft Teams eingeführt wird, möge sich nur vorstellen, was passiert, wenn dieselbe Abteilung auf einmal GPT-4 nutzen soll – ein noch viel komplexeres Programm.

Zudem sind KI-Tools gerade für große Organisationen ein Compliance- und Datenschutz-Minenfeld. In vielen Unternehmen ist ChatGPT daher schon vorsorglich verboten worden – verständlich, solange nicht klar ist, was mit den Daten passiert, die Beschäftigte dort eingeben.

Vieles spricht dafür, dass auch große Organisationen diese Hürden überwinden werden. Aber das wird dauern, und in der Zwischenzeit bietet sich für kleine Teams und Einzelkämpfer eine einzigartige Spielwiese. Und das wird einen großen Trend des 21. Jahrhunderts verstärken: Das Internet ermöglicht es Einzelnen die Stärke ganzer Unternehmen zu entfalten.

Im Silicon Valley gibt es schon länger das Ideal des „Lean Start-up“ – ein schlankes, agiles Unternehmen, das die Richtung ändern kann, wenn der Wind sich dreht. So wie Whatsapp. Als Whatsapp von Facebook gekauft wurde, war das Unternehmen 16 Milliarden Dollar wert und wurde von fast einer halben Milliarde Menschen genutzt. Trotzdem beschäftigte die Firma gerade einmal 32 Softwareentwickler.

Heute muss sich ein Start-up keine Gedanken mehr über den Aufbau einer Server-Farm machen, es nutzt das Angebot eines Cloud-Anbieters. Und wer KI richtig nutzt, kann schaffen, was früher nur mit einem Dutzend Praktikanten und mit teuren Beratern möglich gewesen wäre.

Jimmy Donaldson, besser bekannt als MrBeast, ist der Youtuber mit den meisten Abonnentinnen und Abonnenten weltweit. Inzwischen betreibt er unter anderem eine Burgerkette (mithilfe sogenannter Ghost Kitchens, Restaurants ohne Gasträume, die Speisen zubereiten und ausliefern) und eine Schokoriegel-Marke. Ende 2022 wurde sein Business mit 1,5 Milliarden Dollar bewertet.

In einer Welt ohne Social Media, Cloud-Anbieter und Online-Marktplätze wäre solch ein Geschäft nicht möglich. Im Prä-Internet-Zeitalter hätte Donaldson auch nicht so viele Fan-T-Shirts verkaufen können – heute ist ein Onlineshop in Minuten erstellt.

Die digitale Welt ist voll mit solchen Erfolgsgeschichten. Und dahinter stehen nicht nur Influencer und Tiktok-Stars, sondern auch Soloselbstständige aus allen Branchen oder Start-ups, deren Mitarbeiter sich noch nie in echt gesehen haben.

Sie alle bauen auf dem Fundament, das die digitale Revolution der vergangenen Jahre ermöglicht hat. Und nun kommt KI und erweitert dieses Fundament noch einmal gewaltig. ---

Wer mehr über das Thema Digitalisierung erfahren will – darüber hat Gregor Schmalzried bereits in der brand eins-Online-Kolumne Schmalzrieds Zukünfte geschrieben.

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