Unser wahres Ich
Der Mensch ist von Natur aus selbstsüchtig und eigennützig. So heißt es.
Stimmt nicht, sagt der niederländische Historiker und Autor Rutger Bregman.
Ein Blick in die Geschichte zeige:
Wir sind viel besser, als wir denken.

brand eins: „Im Grunde gut“ heißt Ihr Bestseller, in dem Sie die vermeintlich schlechte Natur des Menschen auseinandernehmen. Während wir darüber sprechen, führt 2000 Kilometer weiter östlich Russland Krieg gegen die Ukraine, weltweit sind Demagogen auf dem Vormarsch, und die Menschheit fummelt selbstmörderisch am Thermostaten ihres Planeten. Kann man unsere Spezies da „im Grunde gut“ nennen?
Rutger Bregman: Das ist alles deprimierend, keine Frage. Die Menschheit hat jedoch schon sehr viel verheerendere Kriege und schlimmere Krisen erlebt. Angeblich zeigen Menschen in solchen Extremsituationen ihre schlechteste Seite. Nehmen Sie den Hurrikan Katrina im Jahr 2005 im Südosten der USA: Damals hörte man schreckliche Geschichten aus New Orleans über Plünderungen, Gewaltausbrüche und Morde, sogar an Kindern.
Nach dem Hurrikan kam es durchaus zu Plünderungen.
Natürlich, die Leute hatten nichts zu essen, im Football-Stadium Superdome saßen damals rund 30 000 Menschen fest. Die Berichte über Kindermorde jedoch bestätigten sich nicht. Trotzdem kam die Hilfe nur sehr langsam in Gang, weil die Helfer sich ohne militärischen Schutz nicht in die Stadt trauten. Dann aber entwickelte sich eine riesige Welle der Solidarität, wie fast immer, wenn Menschen in Not geraten. Die Forschungsarbeit der Universität Delaware, die seit den Sechzigerjahren knapp 700 Feldstudien rund um den Erdball durchgeführt hat, zeigt, dass Menschen sich nach fatalen Ereignissen wie Überflutungen oder Erdbeben sehr kooperativ und altruistisch verhalten. Es ist, als würde ein Reset-Knopf in unserem Kopf gedrückt, der unser besseres Ich aktiviert.
Wie lässt sich dieses bessere Ich charakterisieren?
Was uns Menschen auszeichnet, ist unsere ausgeprägte soziale Intelligenz. Sie hat uns überhaupt erst zur dominierenden Spezies auf diesem Planeten werden lassen. In unserer Frühgeschichte waren diejenigen am erfolgreichsten, die Unterstützung beim Jagen, Sammeln und in Notsituationen organisieren konnten, weil sie freundlich waren. Sie waren beliebt und setzten dementsprechend auch die meisten Nachkommen in die Welt. Wer sich hingegen arschlochmäßig verhielt, riskierte, von der Gruppe ausgeschlossen zu werden. Die Geschichte der menschlichen Evolution ist in Wirklichkeit kein Survival of the Fittest, sondern ein Survival of the Friendliest.
Sie wollen ein populäres Menschenbild umdrehen: Die Zivilisation sei nur eine dünne Fassade, die beim geringsten Anlass zusammenbrechen könne. Tatsächlich braucht man nur an einem beliebigen Tag eine Nachrichten-Website zu überfliegen, um zu dem Schluss zu kommen: Genau so ist es – so sind wir leider!
Es ist tatsächlich eine große Frage, warum der Mensch nicht nur die freundlichste, sondern auch die grausamste Art auf der Erde ist. Ich habe jedenfalls noch nie von Pinguinen gehört, die andere Pinguine in Lager sperrten oder Krieg gegen sie führten. Aber dieser Widerspruch lässt sich mit Erkenntnissen der Biologie erklären: Uns Menschen treibt ein großes Verlangen, einer Gruppe anzugehören, und es ist tief in unserer Natur verankert, in Stereotypen zu denken. Im schlimmsten Fall entwickelt sich daraus ein Herdentrieb, der andere ausgrenzt und zu Feinden erklärt.
Die Geschichte der menschlichen Evolution ist in Wirklichkeit kein Survival of the Fittest, sondern ein Survival of the Friendliest.
Ist der Mensch nicht je nach Umständen beides – gut und böse?
Der Kontext ist entscheidend. Der Mensch ist eine Spezies, die gemocht werden will. Wir spiegeln uns permanent in anderen und richten unser Denken und Handeln an ihnen aus. Das kann gut oder schlecht ausgehen. Die von Ihnen erwähnte vorherrschende Fassadentheorie jedoch besagt, dass hinter unserer zivilen Außenhaut grundsätzlich ein egoistischer Aggressor lauere. Dieser Irrglaube hat fatale Konsequenzen. Denn: Wer die Geschichte einer Kultur erzählt, sie also in seinem Sinne deutet, beherrscht das menschliche Verhalten.
Ist das Ihr ultimatives Ziel: eine alternative Erzählung anzubieten, die zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wird?
Definitiv. In der ersten Hälfte meines Buches stelle ich einige der zahllosen Studien vor, die belegen, wie falsch das Narrativ vom Menschen als Raubtier ist. Nehmen Sie das weltberühmte Elektroschock-Experiment des amerikanischen Psychologen Stanley Milgram, bei dem eine Gruppe von Probanden eine andere für ausbleibende Lerneffekte mit Stromschlägen bestrafen sollte. Es wird seit den Sechzigerjahren immer wieder als schockierender Beleg für unsere vermeintlich angeborene Grausamkeit herangezogen. Dabei hat Milgram selbst das Experiment in seinem Tagebuch als „effektives Theater“ bezeichnet: Viele Teilnehmer ahnten, dass die Stromschläge nicht real erfolgten. Knapp die Hälfte gab später an, dass ihnen die Situation unglaubwürdig vorkam. Auch das nicht minder häufig zitierte Stanford-Prison-Experiment aus dem Jahr 1971, bei dem sich angeblich zufällig ausgewählte Wärter den Gefangenen gegenüber sadistisch verhielten, war methodisch ein Witz, keine Wissenschaft. Nur wissen das die wenigsten.
Kritiker bezeichnen Ihr Buch „Im Grunde gut“ als unrealistisch, Ihre Weltsicht als naiv.
Ich fürchte, die meisten Menschen setzen Realismus mit Zynismus gleich. Wenn jemand sagt: „Da musst du realistisch sein“, bedeutet das „Mach dir keine großen Hoffnungen“. Es sind Sätze, die alte Politiker zu jungen Aktivisten sagen. Sätze, um Menschen als naiv darzustellen. Wenn man aber Forschung und Fakten berücksichtigt, sind die Zyniker die Naiven.
Sie haben Jahre damit verbracht, den Stand der Forschung zur menschlichen Natur zu analysieren. Was hat Sie dazu bewegt?
In meinem vorigen Buch „Utopien für Realisten“ hatte ich unter anderem das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens * (siehe auch S. 44) vorgestellt. Wann immer ich damit auf Lesereise unterwegs war, bekam ich zu hören, das sei ja ein interessanter Ansatz, widerspreche aber leider der egoistischen Natur des Menschen. Nach dem Motto: „Am Ende sitzen alle auf dem Sofa, trinken Bier und schauen Netflix!“ Ich wollte zeigen, dass wir uns durchaus vertrauen können. Und wie sich herausstellte, belegen viele seriöse Studien diese Weltsicht.
Warum hält sich die Überzeugung, der Mensch sei im Grunde ein hemmungsloser Egoist, trotzdem so hartnäckig?
Weil uns das im Westen seit Jahrhunderten gepredigt wird. Ohne Angst vor unseresgleichen bräuchten wir keine Hierarchien, keine Armeen, keine Prinzen und Könige. Für unsere Eliten war und ist es überlebenswichtig, dass wir fürchten, ohne sie bräche Chaos aus. Deshalb ist eine andere Perspektive auf die Menschheit auch so revolutionär: Sie ermöglicht eine neue Art des Zusammenlebens. Wir könnten unsere Schulen und Gefängnisse, unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie vollkommen anders organisieren.
Aber Sie haben recht, die pessimistische Sicht auf unsere Spezies ist extrem schwer zu überwinden. Für jedes menschenfreundliche Argument kriegt man zwei Gegenargumente. Die Fassadentheorie ist ein Zombie, der sich weigert zu sterben. Dafür gibt es noch einen weiteren Grund.
Welchen denn?
Den Neoliberalismus, der auf der Annahme fußt, die meisten Menschen handelten ausschließlich aus Eigeninteresse. In den Siebziger- und Achtzigerjahren wurden unsere Universitäten und Lehrpläne, Märkte und Jobs dementsprechend angepasst. Die Ergebnisse erleben wir heute in Form wachsender Ungleichheit und brüchigerer Demokratien.
In Ihrem Buch knöpfen Sie sich auch den Roman „Herr der Fliegen“ des britischen Nobelpreisträgers William Golding vor. Warum gerade diese Geschichte?
Weil kaum ein Buch das Narrativ des im Innersten bösartigen Menschen so sehr prägt wie dieses. In dem Roman verschlägt es ein paar junge Menschen auf eine Insel, wo sie eine brutale Schreckensherrschaft errichten. Golding, ein zutiefst frustrierter, zu Gewalt neigender Alkoholiker, verstand seine Geschichte als Metapher für die menschliche Natur. Seine Botschaft: Ohne Lehrkräfte, ohne Regeln, ohne Gesetze verwandeln sich selbst unschuldige Kinder in Monster.
Ich fand das interessant und habe recherchiert, ob es einen ähnlichen Fall vielleicht tatsächlich gegeben hat. Nach monatelanger Suche bin ich auf die Geschichte von sechs Schülern im südpazifischen Tonga-Archipel gestoßen, die Mitte der Sechzigerjahre zu einem Angelausflug aufbrachen, Schiffbruch erlitten und auf einer kleinen Insel strandeten. Als sie nach 15 Monaten zufällig von einem Fischer entdeckt wurden, hatten sie einen Gemüsegarten angelegt, Musikinstrumente und Sportplätze gebaut, sich mit einfachsten Regeln zu einer Gemeinschaft verschworen und so ziemlich alles anders gemacht als von Golding imaginiert. Daheim hatte man sie längst für tot erklärt, aber auf ihrer Insel hätten sie noch ewig so weiterleben können.
Das Seltsame ist: Während heute jedes Schulkind „Der Herr der Fliegen“ kennt, hat niemand die Geschichte über die Kinder im Südpazifik erzählt. Es wurden keine Reportagen und kein Roman über sie geschrieben. Das Einzige war ein halbgarer Dokumentarfilm, der nie ausgestrahlt wurde.
Haben Sie dafür eine Erklärung?
Es ist kein verlockender Stoff. Können Sie sich eine Netflix-Serie über eine Gruppe guter, anständiger Menschen vorstellen, die sich gegenseitig nach Kräften unterstützen und eine harmonische Gemeinschaft bilden? Ich nicht. Sie wäre total langweilig.
Im Deutschen gibt es mit „Gutmensch“ sogar eine spöttische Bezeichnung für den Typ des naiven Wohltäters.
So ist es. Auch ich mag Serien wie „Game of Thrones“ und „Succession“ lieber, in denen die Protagonisten intrigieren und sich umbringen. Viel spannender! Wir müssen uns nur bewusst machen, dass diese Fiktionen nicht unsere menschliche Natur widerspiegeln. Gleiches gilt für die Nachrichten, von denen wir uns meiner Meinung nach zu stark bombardieren lassen. Schauen wir mal, was heute passiert ist (öffnet eine Nachrichten-Website): In Indien hat eine fahrlässig sanierte Brücke mehr als 140 Menschen in den Tod gerissen, in Seoul sind bei einer Massenpanik mehr als 150 Menschen ums Leben gekommen, in der Ukraine wurden bei Drohnenangriffen wieder Menschen getötet. Dass gleichzeitig Milliarden von uns einen ganz normalen, guten Tag gehabt haben, blenden wir aus.
Warum ist das so?
Unsere sogenannte Negativitätsverzerrung ist evolutionär angelegt. Es war immer gefährlicher, sich zu wenig vor gefährlichen Raubtieren, drohenden Hungersnöten oder möglicherweise giftigen Beeren zu sorgen als zu viel. In der Menschheitsgeschichte lohnte es sich, vom Schlimmsten auszugehen. Deshalb wirken sich negative Emotionen oder Erlebnisse auf unsere Psyche stärker aus als positive.
Wie kommen wir da raus?
Das müssen wir ausprobieren. Was bedeutet es, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen? Und woran erkennt man, was richtig ist? Rückblickend würden wir heute sagen, dass die Menschen, die sich vor 200 Jahren für die Abschaffung der Sklaverei und die Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzten, auf der richtigen Seite der Geschichte standen. Mich interessiert die Frage: Wer sind die Abolitionisten und Suffragetten unserer Tage? Das ist das Thema meines nächsten Buches, an dem ich gerade arbeite.
Haben Sie schon eine Idee?
Der australische Philosoph Peter Singer hat in den Siebzigerjahren beschrieben, wie sich der Begriff unserer Ethik kontinuierlich erweitert. Sklaven, Frauen oder Personen mit einer anderen sexuellen Orientierung, die früher nicht als gleichwertig galten, genießen heute zumindest in manchen Regionen dieselben Rechte wie alle anderen. Was wäre der logische nächste Schritt?
Die anderen Lebewesen auf unserem Planeten: Tiere?
Richtig. Wir töten derzeit Jahr für Jahr etwa 80 Milliarden Nutztiere. Wenn wir ihnen auch nur einen Bruchteil jener Würde zugestehen, die wir für uns Menschen als selbstverständlich erachten, begehen wir gegenwärtig ein kapitales Verbrechen. Gut möglich also, dass in ein paar Jahrzehnten das Halten und Töten von Tieren verboten sein wird. Und in hundert Jahren wird man vielleicht fassungslos den Kopf schütteln über das, was wir heute noch gedankenlos tun.
Ihr aktuelles Buch wurde bislang in 44 Sprachen übersetzt und mehr als 1,5 Millionen Mal verkauft. Kann es sein, dass „Im Grunde gut“ auch deshalb so populär ist, weil wir Ihre Botschaft unbedingt glauben wollen?
Natürlich. Wir alle sind Opfer dessen, was Kognitionspsychologen als Bestätigungsfehler bezeichnen. Wir suchen uns Informationen, Nachrichten, Thesen, die unsere Weltsicht bestätigen. Und darin sehe ich in Bezug auf mein Buch auch eine Gefahr.
Welche denn?
Selbstgefälligkeit. Dass wir uns zurücklehnen und sagen: „Läuft doch alles.“ Es gibt Posts von Leuten am Strand von Bali, mit meinem Buch in der einen und einem Glas Wein in der anderen Hand. Das ist nicht das, was mir vorschwebte.
Ein Kritiker schrieb, Sie seien ein hoffnungsloser Optimist.
Das bin ich nicht. Ich will auch keiner sein.
Rutger Bregman, 34,
ist ein niederländischer Historiker und Journalist. In seinem 2020 erschienenen Buch „Im Grunde gut – Eine neue Geschichte der Menschheit“ räumt er auf mit Legenden wie Richard Dawkins These des egoistischen Gens oder dem berüchtigten Stanford-Prison-Experiment. Letzteres belegt angeblich, dass jeder gewalttätig werden kann, wenn die Umstände es begünstigen – dabei hat der Psychologe Philip Zimbardo die Versuchsteilnehmer Bregman zufolge derart beeinflusst, dass sich von einer Fälschung sprechen lässt. Im zweiten Teil seines Buches beschreibt Bregman vorbildliche Modelle wie das liberale norwegische Strafsystem (mit einer rekordverdächtig niedrigen Rückfallquote) oder die selbst organisierte niederländische Pflegeorganisation Buurtzorg.
„Umsorgen, nicht pflegen“ (brand eins 08/2019)
Buurtzorg: Lesen Sie, wie aus einer Nachbarschaftshilfe ein sich selbst organisierender Pflegedienst wurde. Für Abonnentinnen und Abonnenten inklusive.
Bregmans Vorgängerwerk „Utopien für Realisten“, in dem er für offene Grenzen, die 15-Stunden-Woche und ein bedingungsloses Grundeinkommen plädierte, war ebenfalls ein Erfolg.
* Mehr zum Thema bedingungsloses Grundeinkommen finden Sie hier:
edition brand eins: Grundeinkommen (2018)
Diese Edition mit brand eins-Geschichten aus fast 20 Jahren fasst die Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen zusammen. Darin kommen Gegner und Befürworterinnen, Unternehmerinnen und Politiker, Träumer, Ideologen und Betroffene zu Wort. Sie kostet 15 Euro (Print) beziehungsweise 9 Euro (digital).
„Freiheit ist ein mächtiger Produktionsfaktor“ (brand eins 01/2018)
Die große Frage beim Grundeinkommen lautet: Wie können wir es umsetzen? Der belgische Philosoph und Ökonom Philippe Van Parijs plädiert in diesem Interview für einen Weg der kleinen Schritte.
Was ist so falsch am Optimismus?
Der Optimist sagt: Alles wird gut, mach dir keine Sorgen, sei einfach glücklich. Ich setze vielmehr auf Hoffnung. Der Hoffnungsvolle sagt: Wandel ist möglich, wir müssen uns nur anstrengen.
Der marxistische Philosoph und Politiker Antonio Gramsci sah es ähnlich: „Pessimismus der Intelligenz! Und Optimismus der Tat!“ Er plädierte dafür, stets mit dem Schlimmsten zu rechnen – und gleichzeitig alles dafür zu tun, dass es doch anders kommt.
Ich halte das für gefährlich. Manche Dinge werden allein deshalb wahr, weil wir an sie glauben. Nehmen Sie die Rechtsgleichheit von Mann und Frau, die Abschaffung der Sklaverei oder die Demokratie: Was gestern noch als vollkommen verrückt galt, wurde auf einmal Mainstream. Die Menschheitsgeschichte ist voller Utopien, die eines Tages Wirklichkeit wurden.
Wenn unsere Utopien aber Dystopien sind, besteht das Risiko, dass auch sie zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Die Zukunft ist kein Selbstgänger, sondern das, was wir aus ihr machen. Wir hätten heute ohne Zweifel die Mittel, unsere Menschheitsgeschichte für immer zu beenden. Andererseits haben wir die Chance, realistischer zu betrachten, wer wir wirklich sind, unsere Möglichkeiten entsprechend neu zu sortieren und aus dem, was kommt, etwas Besseres zu machen. ---
Nervöse Eliten
Schlagartige Berühmtheit erlangte Rutger Bregman 2019 durch einen Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Dort nutzte er eine Podiumsdiskussion für eine spontane Wutrede, in der er den per Privatjet angereisten Topmanagern und Superreichen Heuchelei vorwarf. „Das eigentliche Thema in Davos müsste lauten: Steuern, Steuern, Steuern! Alles andere ist Bullshit“, wetterte Bregman. Ein Videomitschnitt seines Wutausbruchs wurde allein auf Youtube 1,8 Millionen Mal gestreamt.
Ausfällige Millionäre
Eine kuriose Folge seiner Social-Media-Popularität war eine Interview-Einladung des US-Nachrichtensenders »Fox News«, der Bregman für eine Aufzeichnung zuschaltete. Der Moderator Tucker Carlson begann das Gespräch freundlich („Ihr Auftritt war einer der großen Momente in der Geschichte von Davos“), verfiel aber in wüste Beschimpfungen, als Bregman darauf hinwies, dass das Thema Spitzensteuern auch auf »Fox News« totgeschwiegen werde – schließlich seien die Moderatoren des Senders „Millionäre, die von einem Milliardär bezahlt werden“. Carlson bezeichnete seinen Interview-Gast daraufhin als „Schwachkopf mit kleinem Hirn“ und schlug ihm vor, sich „selbst zu ficken“. Während der Sender das Interview unter Verschluss hielt, postete Bregman einen Mitschnitt auf Twitter. Dazu stellte er ein Foto des Fox-Eigners Rupert Murdoch. Ein Paparazzo hatte den Medienmogul am Pool auf der Insel Barbados fotografiert, in den Händen Bregmans Buch „Utopien für Realisten“.