Editorial

Da geht noch was

• „Keine Panik“ stand schon einmal auf dem Titel von brand eins, im November 2008, mitten in der globalen Finanzkrise. »Spiegel« und Internationaler Währungsfonds erwarteten damals „eine Weltrezession“, alle Zeichen standen auf Absturz, und unsere Unterzeile „Das ist schon wieder nicht das Ende“ wurde von manchen als bittere Ironie missverstanden. Aber es ist unsere tiefe Überzeugung, dass apokalyptische Zukunftsvisionen nicht nützen, sondern lähmen. Und dass es gerade in einer schwierigen Zeit darauf ankommt, einen kühlen Kopf zu bewahren und zu schauen, was man schaffen kann.

Fotografie: André Hemstedt & Tine Reimer


So lag es nahe, die Botschaft zu wiederholen: Ist nicht diesmal alles noch viel schlimmer? Krieg, Klimakrise, Inflation, der Welthandel im Abschwung – wie soll man da die Ruhe bewahren? Vielleicht indem man sich vergegenwärtigt, dass es Kriege und Krisen schon vorher gab, als unsere Stimmung noch viel besser war. Dass diese also nicht nur mit der Realität, sondern auch mit Wahrnehmung zu tun hat.

Das Gespräch mit Rutger Bregman kann da helfen. Der niederländische Historiker hält den Menschen für „im Grunde gut“ und tritt mit seinen Büchern und seiner Forschung gegen die „Negativitätsverzerrung“ an. Weil uns die Evolution gelehrt hat, dass es sich lohnt, immer vom Schlimmsten auszugehen, versetzen uns negative Nachrichten schnell in Panik, und wir erwarten noch Schlimmeres: „Wenn unsere Utopien aber Dystopien sind, besteht das Risiko, dass sie zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden.“

Wer noch im vielleicht kühleren, aber gemütlichen Wohnzimmer sitzt, mag das Unheil fürchten – die Belegschaft des ukrainischen Maschinenbauunternehmens Poschmaschina steckt mittendrin. Maximilian Münster hat sie beim Umzug eines Teils ihrer Firma aus den Kriegsgebieten in den vermeintlich sichereren Westen des Landes begleitet. Es ist keine fröhliche Geschichte. Aber sie zeigt, dass, wenn es wirklich brenzlig wird, nur die Hoffnung hilft.

Dafür sprechen auch unsere Ausflüge in andere Weltgegenden. Nach El Salvador zum Beispiel, viele Jahre das Land mit den meisten Morden; nach Israel, wo die Kriegsgefahr zum Alltag gehört, oder in die Türkei, wo die Inflation offiziell bei mehr als 84, womöglich bei fast 171 Prozent liegt.

Für die Menschen dort, ist Pessimismus keine Option. Alles kann besser werden, für vieles gibt es Lösungen. Zum Beispiel für eine vom Niedergang bedrohte Tageszeitung oder eine insolvente Restaurantkette. Und das gilt selbst für das desolate deutsche Pflegesystem: Unser Report zeigt ebenso wie unser Bericht über junge Gründerinnen und Gründer, was mit frischen Ideen alles möglich ist.

Generell allerdings gilt: Krisen sind auch Weckrufe, Aufforderungen, sich zu besinnen und zu ändern, was sie ausgelöst hat. „Die Vorstellung einer Krise, die den Normalzustand unterbricht und nach deren Bewältigung man zur alten Normalität zurückkehrt“, sagt der Soziologe Philipp Staab, „ist eine Illusion.“

Nach der Finanzkrise haben das viele noch geglaubt. Diesmal können wir es alle besser machen. ---

Gabriele Fischer, Chefredakteurin
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Titelbild: Wolfgang Philippi, www.wolfgangphilippi.de