Gefühlsmonster Karten

Führungskräfte brauchen emotionale Intelligenz. Um diese zu fördern, rückt Lilli Höch-Corona ihnen mit Gefühlsmonstern auf den Leib.





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• Auch Führungskräfte entdecken plötzlich ihre Gefühle. Und wenn sie dabei Probleme haben, dann hilft ihnen Lilli Höch-Corona. Die 71-Jährige ist Coach für Emotionen und hat die „Gefühlsmonster“ erfunden, ein Karten-Set, das Chefs und Chefinnen aus der Reserve locken soll. Jetzt sitzt sie mir gegenüber, im Erdgeschoss eines Berliner Altbaus. Es gibt Kaffee mit Hafermilch. Höch-Corona trägt Brille und schwarze Bluse. Sie wird gleich ihre Gefühlsmonster auf mich hetzen. Mal sehen, was passiert.

Verborgene Energiequelle

Zunächst aber die Vorgeschichte. Sie erzählt, dass sie früher Lehrerin war. Mathematik und Sport, bis zu einem Burnout im Jahr 1994 mit Tinnitus und Schwerhörigkeit. Sie besorgte sich ein Hörgerät, lernte TMS (ein in Australien entwickeltes Managementsystem) und wurde Mediatorin: Paare, Einzelpersonen, Führungskräfte. Bei den Paaren waren es manchmal zu viele Emotionen, bei den Führungskräften fast immer zu wenige. Diese versuchten sachlich, objektiv und zielgerichtet zu sein. Aber unter der Oberfläche brodelte ein Gefühlschaos – eine verborgene Energiequelle. „Wie kommt man da ran?“, fragte sich Höch-Corona.

Sie entwickelte mit ihrem Sohn Christian, einem Künstler, Karten mit Comic-Figuren, die lustig aussehen und Gefühle repräsentieren sollen. Eine der Figuren ähnelt Bruno, dem cholerischen HB-Männchen („Wer wird denn gleich in die Luft gehen?“), eine andere ist voller Furcht. Und ein Monster fliegt tiefenentspannt in einer Hängematte mit den Wolken durch die Luft.

25 Karten kamen so zusammen – und das Geschäft damit läuft gut. 50 000 der Karten-Sets sind schon verkauft, die Gefühlsmonster GmbH macht 300 000 Euro Umsatz pro Jahr. Da könnte Höch-Corona sofort die Karte 23 ziehen – eine Art Luftsprung der Freude. Allerdings sehen die Figuren alle sehr männlich aus. Vielleicht muss der Sohn Christian seine Zeichnungen mal ein wenig gendern. Schließlich sind knapp ein Drittel aller Führungskräfte in Deutschland weiblich.

Jetzt wird es ernst. Höch-Corona rückt ihre Brille zurecht, nun sieht sie aus wie die Studienrätin, die sie mal war, und sagt, ich solle drei Karten ziehen, die meine Gefühle im Moment repräsentieren, und verdeckt auf den Tisch legen. Dann drei Karten, von denen ich annähme, dass sie ihre Gefühle repräsentieren. Das ist ein typisches Set-up für unangenehme Personalgespräche, ein psychologischer Stimmungstest. „Manchmal sind die Gesprächspartner überrascht, wie viel emotionale Übereinstimmung sie trotz möglicher sachlicher Differenzen haben“, sagt sie.

Mal sehen, wie das bei uns läuft. Es fängt schon mal suboptimal an: Ich finde jeweils nur zwei passende Karten. Für mich sind es die 11, ein freundlicher grüner Gnom, der die ganze Welt umarmen will, und die Karte 18, ein würstchenfarbener dynamischer Jogger auf dem Weg ins Ziel. Ich bin selbst ein wenig überrascht, wie gut ich drauf bin, nach einer vierstündigen ICE-Fahrt, dem Umstieg am Berliner Hauptbahnhof in die Tram M10 und dem Fußmarsch zum Prenzlauer Berg. „Um Ihre Energie“, sagt Höch-Corona, „brauchen Sie sich erst mal keine Sorgen zu machen.“ Das ist ja schon mal beruhigend.

Für meine Gesprächspartnerin wähle ich die Karte 20, ein auberginenähnliches, leicht gestresstes Männchen und die Karte 6, auf der die Aubergine sich hell verfärbt, weil der Stress so stark wird, dass ihr der kalte Schweiß auf der Stirn steht. Sie soll ruhig sehen, dass ich nicht zum Spaß hier bin, sondern mein Gegenüber emotional fordere.

Wie Führungskräfte mit Gefühlen umgehen, ist ein wichtiges Thema. Vor allem die jüngeren Beschäftigten stehen nicht auf Hierarchien und Hartherzigkeit. Sie wollen emotional abgeholt werden und brauchen Wertschätzung, sonst ziehen sie sich zurück und schmeißen im schlimmsten Fall ganz hin. Etwa jede dritte Kündigung in Deutschland erfolgt laut einer McKinsey-Studie aus Unzufriedenheit mit Chefinnen und Chefs. Und das kostet Unternehmen viel Zeit und Geld.

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