Ein Gewinn für alle

Die einen klagen über Fachkräftemangel. Andere integrieren Geflüchtete in die Arbeitswelt. Die Mühe lohnt sich.






Arbeitet heute bei einem schwäbischen Mittelständler: die Eritreerin Semhar Zeresenay

• Eine unsichtbare Linie verbindet die Ikea-Filiale in München-Brunnthal und die SAP-Zentrale im baden-württembergischen Walldorf. Zwei Orte, an denen zwei Menschen arbeiten, die sich nicht kennen, aber eine Geschichte teilen.

Der eine ist Daud Nasiri, 28, der 2014 aus Afghanistan flüchtete und seit mehr als zwei Jahren bei Ikea im Rücklauf arbeitet: Nasiri bringt Waren, die Kunden auf dem weiten Weg zur Kasse irgendwo stehen gelassen haben, zurück an ihren Platz.

Der andere ist Cawa Younosi, 48, der 1990 als unbegleiteter Minderjähriger vor dem drohenden Militärdienst aus Kabul nach Deutschland floh. Bis vor Kurzem war er Personalchef und Mitglied der Geschäftsführung von SAP Deutschland.

Das verbindende Glied zwischen den beiden ist der Personaldienstleister Socialbee aus München, der sich auf die Integration von Flüchtlingen und Migranten in den Arbeitsmarkt spezialisiert hat. Dem einen, Daud Nasiri, verhalf das Unternehmen zu einem Arbeitsplatz; mit dem anderen, Cawa Younosi, entwickelt die Firma Programme, in denen Geflüchtete für die IT-Branche qualifiziert werden.

Entstanden ist die gemeinnützige GmbH aus der Hilfsbereitschaft von Studentinnen und Studenten im Spätsommer 2015, die den am Münchner Hauptbahnhof ankommenden Menschen aus Syrien, Afghanistan oder Irak nach der Erstversorgung einen beruflichen Neuanfang ermöglichen wollten. Inzwischen 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stark, hat Socialbee heute den Anspruch, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Als Cawa Younosi vor mehr als 30 Jahren nach Deutschland gelangt, ist Fachkräftemangel noch kein Thema. Der damals 14-Jährige kommt bei einer iranischen Familie unter, lernt Deutsch, jobbt als Schüler bei McDonald‘s, schafft das Abitur, studiert Jura und macht seinen Weg bis an die Spitze des Dax-Konzerns SAP. Er erinnere sich gut daran, sagt Younosi, wie er sich damals schämte, ein Flüchtlingsjunge zu sein, und auch an die vielen nervenaufreibenden Behördengänge.

„The Changemakers“ heißt das Programm von Socialbee, das SAP 2021 mit „erheblichen“ Mitteln unterstützt habe, wie Younosi sagt: Drei Monate lang schulten SAP-Mitarbeiter etwa 45 Geflüchtete, die schon über IT-Grundkenntnisse verfügten. Parallel dazu bot Socialbee ein Training an, bei dem es um Zeit- und Stressmanagement oder Feedbackkultur ging. Anschließend wurden die Teilnehmer von SAP-Partnerbetrieben eingestellt. Etwa zwei Drittel von ihnen sind bis heute dort beschäftigt, zum Beispiel als Berater oder Datenspezialist. Auch bei SAP in Österreich und der Schweiz lief das Programm.

Foto: © SAP

Cawa Younosi flüchtete 1990 aus Afghanistan. Bis Mitte Oktober war er Führungskraft bei SAP Deutschland

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