Nachtfahrt mit dem Rad

Unsere Autorin ist leidenschaftliche Radlerin. Vor Nachtfahrten aber hatte sie Respekt. Bis zum ersten Mal.




• Irgendwann ist die Sache eskaliert. Ich erinnere mich noch daran, wie stolz ich war, als ich das erste Mal 50 Kilometer am Stück Rad gefahren bin. Dann wurden es 80 Kilometer, 100, 150, irgendwann 200, 250 – und manchmal noch einige mehr. Für mich gibt es keinen schöneren Sport: Auf dem Rennrad gleitet man durch die Welt, entlang von Bachläufen und Flüssen, über Brücken und Berge, durch Landschaften, die im Auto oder Zug bloß vorbeiziehen würden. Man sieht verlassen wirkende Gehöfte, verwunschene Meere aus Wiesen und Wäldern, endlose Alleen, schlafende Katzen, bellende Hofhunde, singende Kraniche, Füchse, Hasen, Rehe. Kurz: unendlich viel Leben.

Vor der Dunkelheit hatte ich lange Respekt. Wenn ich vor einer Tour wusste, dass es auch mit einem Aufbruch vor den ersten Sonnenstrahlen nicht zu schaffen war, vor der blauen Stunde zwischen Tag und Nacht heimzukommen, fuhr ich meist schneller und konzentrierter als sonst. Ich erlaubte mir weniger Pausen, wollte es schaffen, möglichst viele Stunden der Dunkelheit zumindest wieder in einer Gegend zu fahren, die mir bei Licht vertraut war. Bei meinem ersten 300er war das auch der Grund, warum ich sehr viel schneller am Ziel ankam als erwartet. Ich erinnere mich noch, wie die Anspannung wegen der Dunkelheit erst nachließ, als das Ziel schon greifbar schien.

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Die unterschätzte Hälfte des Tages
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