Norbert Molitor

Erst spät in einem bewegten Leben ist Norbert Molitor da angekommen, wo er eigentlich schon immer hinwollte. Als lustvoller Chronist dokumentiert er das träge mäandernde Leben in der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Neviges.





• Man kann sagen, dass sich manche Dinge am Ende doch gut fügen im Leben von Norbert Molitor (nicht verwandt mit dem Autor). Die Sache mit Anna zum Beispiel hat ein richtiges Happy End gefunden. Sie war verheiratet, der Mann verdiente ordentlich, und sie war ihm viele Jahre zu Diensten. Sie tat alles, was er verlangte, putzte, bügelte, kochte, machte die Wäsche und zog die beiden Kinder groß. Zum Dank behandelte er sie wie ein Möbelstück. Nie gab es eine kleine Aufmerksamkeit, nie ein liebes Wort. „Sie war sein Eigentum“, wird Norbert Molitor etliche Jahre später über das stille Leiden der Frau schreiben.

Irgendwann nahm Anna all ihren Mut zusammen, trennte sich von ihrem Mann und verwies ihn der Wohnung. Als er weg war, ging sie als Erstes zum Hähnchenmann am Bahnhof von Neviges. Dem süßen Geruch nach knusprig gebratener Hähnchenhaut und Paprika hatte sie noch nie widerstehen können. Doch wenn ihr Mann mal eines mitgebracht hatte, waren für sie immer nur die verschrumpelten Flügelchen und die Fleischreste an den Knochen übrig geblieben. Jetzt konnte sie endlich so viel Hähnchen für sich kaufen, wie sie wollte. Die ersten beiden aß sie gleich im Auto. Am Ende des Tages hatte sie elf ganze Hähnchen gegessen. Danach legte sie sich zwei Tage ins Bett. Es ging ihr schlecht, aber zum Arzt wollte sie nicht. Was hätte sie ihm sagen sollen? Dass sie elf Hähnchen gegessen hatte?

Mehr als zehn Jahre später schenkt Anna Molitor Rotwein nach, sie hat Rouladen aufgetischt, nach einem Rezept aus ihrer italienischen Heimat. Sie ist der Meinung, sagt sie zwischen zwei Bissen, und da hat sie absolut recht, dass die Wohnung in dem denkmalgeschützten, 340 Jahre alten Haus am Nevigeser Kirchplatz, mit Blick vom Bett direkt auf das evangelische Gotteshaus, dringend einen neuen Anstrich benötigt. Norbert Molitor, der neben ihr sitzt, ist derselben Ansicht. Der Rauch von vermutlich mehr als 100.000 filterlosen Roth-Händle, die allesamt in seinem Aschenbecher verglühten, hat die Wände der Zweizimmerwohnung mit einer gelbbraunen Patina überzogen. Im Wohnzimmer liegen immer ein paar ungeöffnete Packungen als Reserve bereit. „Aber man kriegt keinen Anstreicher“, sagt er zwischen dem Ausdrücken der einen und dem Anzünden der nächsten Zigarette, „wenn man sie bestellt, kommen sie nicht, sagen aber auch nicht ab, oder sie verlangen gleich 5000 Euro für die paar Quadratmeter.“ Das wäre eigentlich mal ein Thema für seinen Blog.

Molitor und seine spätere Frau Anna haben sich kurz nach der Hähnchen-Episode im Kassenpatienten-Wartebereich des örtlichen Klinikums kennengelernt. Er schrieb ihre Geschichte auf, drei Seiten in seinem 2016 veröffentlichten Buch „Im Kaff der guten Hoffnung“. Seit zehn Jahren sind sie ein Paar, seit knapp drei Jahren verheiratet. Zum Hähnchenmann geht Anna immer noch hin und wieder, aber sie isst immer nur ein halbes, ganz selten ein ganzes.

Molitor ist endlich angekommen. Er hat eine Frau gefunden, die ihm das Rauchen nicht madig macht und ihn nicht mit strengen Blicken straft, wenn er mal einer Frau auf hochhackigen Schuhen hinterherschaut – „da kann ich einfach nicht anders“. Er hat einen Ort zum Leben gefunden, den er gegen keinen anderen auf der Welt eintauschen würde: Neviges. Und er hat sein Blog – also gibt es immer was zu tun.

Das Rohmaterial für sein Internet-Tagebuch „42553 Neviges“ liefern, nachdem er bis in den Vormittag geschlafen hat, die täglichen Streifzüge durch ein Revier, das nur wenige Straßen umfasst, vor allem die Fußgängerzone der Kleinstadt. Molitor geht einfach so umher, die kleine Leica-Kamera hat er immer dabei, sie gehört zu ihm wie Schlüsselbund und Zigaretten, er sieht etwas, redet mit Leuten, fotografiert, schreibt zu Hause ein paar Zeilen dazu. Meist gibt es nichts Neues oder doch: Die Papiercontainer am Bahnhof sind endlich mal wieder geleert worden. Die S-Bahn nach Wuppertal und Essen fährt wieder. Bei Netto gibt’s seit Samstag keine Plastiktüten mehr. Die Minigolfanlage macht Winterpause. Volker Münchow will wieder in den Landtag. Einmal hat er eine Gruppe Vietnamesen in der Fußgängerzone getroffen. Was sie nach Neviges verschlagen habe? „Wir haben im Internet nach einem Ort gesucht, wo nichts los ist.“


Gut, dass das vorbei ist, denkt man unwillkürlich, wenn er von seinem Leben erzählt, sonst wäre der Mann vermutlich längst tot. Es sind Szenen, die sich zu keinem Film zusammenfügen, einfach nur irre schnell geschnittene Bildfolgen, als wäre der Regisseur auf Meth gewesen.


Norbert Molitor in seiner Wohnung. Filterlose Roth-Händle und die kleine Leica-Kamera sind seine ständigen Begleiter

Neviges, 18.550 Einwohner, im Städtedreieck Wuppertal–Essen–Düsseldorf gelegen, ist ja nicht mal eine richtige Stadt, sondern nur ein Stadtteil von Velbert, eingemeindet 1975. Norbert Molitor lebt dort seit 30 Jahren – zuerst, als ihm noch eine gut gehende Messebaufirma gehörte, in der „Besserverdienergegend“ zwischen Ärzten, Apothekern und Anwälten oberhalb des Mariendoms, einer gewaltigen Betonkirche aus den Siebzigerjahren, später ist er dann zum Kirchplatz gezogen. Schon als kleiner Junge fuhr er mit den Eltern regelmäßig von Wuppertal zur Marienwallfahrt nach Neviges. „Ich wollte immer dort wohnen“, sagt er heute. „Ich fand, Neviges ist der schönste Ort, den es gibt.“ Das muss reichen als Erklärung.

Auf „42553 Neviges“ führt der 75-Jährige seine Leser vor die Bühne einer Kleinstadt, „in der absolut nix passiert“ und die „mittwochnachmittags und an allen anderen Tagen ab achtzehnuhrdreißig geschlossen“ ist. In der aber auch nichts verborgen bleibt: „Arbeitslosigkeit, plötzlicher Reichtum, neue Geliebte, Führerschein weg, Krankheit, Pleite, Wildkraut im Vorgarten, Dreck am Stecken oder im Hausflur.“

Lustvoll seziert Molitor „das Kaff“. Mit einem Druck auf den Auslöser und wenigen Tastaturanschlägen meißelt er Miniaturen aus Text und Bild, die von den kleinen Verrichtungen der gewöhnlichen Leute erzählen, von Merkwürdigkeiten wie der Schildkröte des Gemüsehändlers Mesut, die angeblich nur Leber vom Biometzger frisst, und von der scheinbar unaufhaltsamen Verödung des Kleinstadt-Lebens. Als Chronist ist er zur Stelle, wenn ein neuer Laden aufmacht. Was selten vorkommt. Und wenn ein Laden zumacht. Was häufig vorkommt. Ihm fallen auf Anhieb mehr als ein Dutzend Läden ein, die in den vergangenen zwei, drei Jahren für immer geschlossen haben. Die verhängten Schaufenster in der Fußgängerzone zeugen davon. Kürzlich haben der Apotheker Bellers und der Laden des Trödlers Heringhaus am Kloster aufgegeben. Am meisten trauert der Kleinstadtchronist um das kleine Kaufhaus Gassmann, „wo es einfach alles gab, also Büstenhalter und Strümpfe, Vogelfutter, Schuhcreme und einzelne Schrauben“.

Norbert Molitor, geboren neun Monate nach Kriegsende im zehn Kilometer entfernten Wuppertal, passt schon optisch nicht zum Nevigeser Mainstream („mehrheitlich schlecht gekleidet, die Beigephase beginnt“). Der Mann, dessen dünner, fast zerbrechlicher Körper die mit Bedacht ausgewählte Kleidung kaum ausfüllt, trägt den schlohweißen Rest von Frisur an den Seiten trotzig lang, der Braunton von Fingerkuppen und Schnauzbartspitzen verrät den jahrzehntelangen Kettenraucher. Das Leben hat ihm tiefe Furchen ins Gesicht geschnitten.


Blogeinträge von Norbert Molitor; Bildquelle: nevigeser.blogspot.com

Wie er so durch Neviges flaniert, gemächlich, weil sein Herz nur noch ein Drittel seiner früheren Leistungsfähigkeit hat, erinnert er an einen leicht struppigen Dandy – und dass er bei den Frauen stets gut ankam, nimmt man ihm sofort ab. Er könnte als Maler durchgehen oder als Bildhauer, auf Aktdarstellungen spezialisiert. Nur von der Stimme ist man ein bisschen enttäuscht. Man erwartet einen whiskygetränkten abgrundtiefen Bass, so wie bei Tom Waits, aber Molitor spricht leise in mittlerer Tonlage, beinahe weht der Straßenlärm die Satzfetzen beiseite.

Fast täglich verzweifelt Molitor an Neviges, aber diese kleine Verzweiflung ist gleichzeitig sein Elixier. Meist oszillieren seine kleinen Seitenhiebe irgendwo zwischen gnädig und verschmitzt-kokett. Sein Buch „Im Kaff der guten Hoffnung“, literarisches Begleitwerk zum Blog, trägt den Untertitel „Eine Liebeserklärung an die Provinz“. Manchmal erinnert sein Stil an den Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch. „Wer neu dazukommt, braucht Jahrzehnte fürs Klarkommen, wer wegzieht, sehnt sich jahrzehntelang zurück, kann aber nicht sagen, warum.“ – „Der Grieche, ach, das ist mehr so ’ne Pommesbude. Hat überhaupt kein Lamm. Ein Grieche ohne Lamm, was ist das denn?“ Molitor ist trotzdem regelmäßiger Gast. Aber warum sich so viele seiner Mitbürgerinnen und Mitbürger einen Hund zulegen, kann er beim besten Willen nicht verstehen: „Bei Regenwetter pudelnass durch den Ort laufen, alle paar Meter stehen bleiben, warten, bis der Hund endlich kackt.“

Offensichtlichen Unfug mag Molitor nicht hinnehmen. Er versteht „Neviges 42553“ auch als ein Stück Gegenöffentlichkeit, stichelt nach Herzenslust. Ein dankbares Sujet findet sich immer: die Öffnungszeiten des Bürgerbüros („immer nur Donnerstag“); den neuen, seiner Ansicht nach völlig verunstalteten Springbrunnen, Kostenpunkt fast 700.000 Euro, für den schöne alte Bäume gefällt wurden und der am Ende meist nicht mal funktioniert; Lokalpolitiker, die sich pfauenhaft spreizen, weil sie in ihrem Wohngebiet eine Tempo-30-Zone durchgesetzt haben.

Die Geburtsstunde des Blogs war eine Entrümpelungsaktion im Jahr 2008. „Alles, was du in den letzten Jahren nicht in der Hand hattest, kommt jetzt in den Müll“, sagte sich Molitor. Beim Ausräumen stieß er auf eine Kiste voller Fotos. „Mein ganzes Leben seit Kindertagen auf so kleinen Fotos, Urlaube und so was, ich hab’ es alles weggeschmissen.“ Man müsste ganz anders fotografieren, überlegte er, nicht nur für ihn selbst und vor allem nicht bunt, sondern schwarz-weiß. Aber was? „Wenn ich schon damit anfange“, näherte er sich der Lösung an, „dann fotografier’ ich wenigstens etwas, das man eigentlich niemandem zeigen kann. Nämlich Neviges. Und dann schreib’ ich ein paar Zeilen unter die Bilder.“ So entstand der erste Blogeintrag vom 4. Oktober 2008 über einen Franziskaner-Gottesdienst mit Tiersegnung (ein Papagei, ein Langhaardackel) vor dem Dom.

Anfangs lasen täglich maximal ein paar Dutzend Leute seine Einträge. Und dabei wäre es wohl auch geblieben, wenn nicht die Jury des Grimme Online Award auf den Blog des kauzigen Sonderlings aufmerksam geworden wäre. 2014 wurde Molitor mit dem renommiertesten deutschen Medienpreis für Online-Veröffentlichungen ausgezeichnet. „Fotografie und Text wirken durch ihre Schlichtheit und das bewusste Auslassen von Extra-Gimmicks“, befand die Jury. „Mit liebevoll-kritischem Auge und charmant-ironischem Schreibstil entwirft Molitor ein literarisches und visuelles Panoptikum einer Kleinstadttristesse, das man schlicht ‚Genuss‘ nennen muss.“

Mit einem Mal schnellte die Zahl seiner Leserinnen und Leser nach oben: Bis heute rufen im Schnitt rund 1000 Leute am Tag „42553 Neviges“ auf – wobei die Hälfte von ihnen nicht in Neviges oder Umgebung wohnt.

Es sind Dinge im Leben von Norbert Molitor passiert, lange vor dem ersten Blog-Eintrag, die möglicherweise die tiefen Furchen in seinem Gesicht erklären. Gut, dass das vorbei ist, denkt man unwillkürlich, wenn er davon erzählt, sonst wäre der Mann vermutlich längst tot. Es sind Szenen, die sich zu keinem Film zusammenfügen, einfach nur irre schnell geschnittene Bildfolgen, als wäre der Regisseur auf Meth gewesen. Molitor hat sie alle noch präsent. Manchmal fangen sie amüsant an. „Einmal hab’ ich Fotos aus dem Supermarkt abgeholt …“ Es waren nicht seine Filme, er hatte das aber nicht bemerkt, sondern die verschlossenen Tüten mit den Abzügen zu Hause irgendwo hingelegt. Als er abends nach Hause kam, „hingen die da alle mit Tesafilm an die Wand geklebt. Die ganze Wand voll mit nackten Frauen.“ Seine zweite Frau, die Ehe hielt nur ein Jahr, hatte die Fotos gefunden. „Das sind nicht meine Bilder“, versuchte Molitor ihr zu erklären. Das stimmte ja sogar. Geholfen hat es nicht. Ob ein Teil des Mobiliars an diesem Abend zu Bruch ging oder ein andermal, kann er nicht mehr mit Sicherheit sagen.

Die Filme hatte Eugen ihm mitgegeben, sagt Molitor, etliche Jahre sein bester Freund; sie hatten sich irgendwann auf einer Messe kennengelernt. „Diese ganzen nackten Frauen, das waren seine Liebschaften, was weiß ich, irgendwelche Mädels aus Südamerika.“ Dorthin hatte Eugen sich mit neuer Identität abgesetzt, nachdem es ihm in Deutschland zu heiß geworden war. Eugen war ein Grenzgänger, „der wohl ein bisschen ins falsche Milieu gekommen ist“ – eine gnädige Umschreibung für Drogentransporte per Jacht von Marokko nach Frankreich. In Eugens Leben gab es von allem übergenug, vor allem schöne Frauen und Geld, von dem Molitor gar nicht wissen wollte, wo es hergekommen war. Eugen fuhr Bentley, verkehrte viel in Casinos, es flossen Whisky und Champagner. Viele Leute, mit denen er zu tun hatte, trugen dicke Revolver mit sich, Eugen auch.

Molitor erzählt weiter: Einmal, am Abend vor Heiligabend, der für die beiden champagnerlaunig mit hübschen Mädchen in einer Nachtbar in Rio de Janeiro begann und, nachdem Eugen mit einem Zuhälter in Streit geraten war, im Gefängnis endete, raunte der in derselben Zelle sitzende Zuhälter Molitor zu: „Wir haben uns heute zum ersten Mal gesehen. Wenn wir uns noch mal sehen, bist du tot.“ Ein andermal flogen sie von Rio nach São Paulo, nur um ein Exemplar des »Spiegel« zu kaufen, den es in Rio nicht gab. Eugen bezahlte die Reise.

Was aus dem geworden ist? „Wahrscheinlich tot“, sagt Molitor, „genau weiß man es nicht. Angeblich ist er von einem Schiff gefallen. Seine Leiche wurde aber nie gefunden.“ Anna Molitor räumt die Teller ab.

Oft schlängeln sich Molitors Geschichten ein bisschen. Man weiß nicht so recht, wo sie hinführen. Ob sie überhaupt irgendwo hinführen. Und manchmal ist auch nicht so richtig klar, wie weit er gerade abgetaucht ist in die Vergangenheit. Wann das war, die Zeit mit Eugen? „Ja, wann war das mit Eugen …?“ Ein Zug an der Zigarette, meist pafft er nur. „Ich bin ja auch jetzt noch Kirchgänger, vier-, fünfmal im Jahr. Das hätten Sie jetzt nicht gedacht, oder?“

Manches in seinem Leben ist nicht gut gelaufen. Seine erste Frau starb nach 18 Jahren Ehe an Komplikationen nach einer Operation. Der Sohn rutschte in die Drogenabhängigkeit ab, finanzierte seine Sucht durch Diebstähle und saß im Gefängnis. Eine Frau, mit der er danach eine Beziehung hatte, starb an Krebs. Die zweite Ehe – die Frau, die nicht erfreut war über die Fotos aus dem Supermarkt – endete in einem Rosenkrieg, sein Auge blau, ihre Brille kaputt. Seinen weißen 5er-BMW hat sie trotzdem gekriegt bei der Scheidung, er wollte nicht so sein.

Auch seine berufliche Karriere glich einer Achterbahnfahrt. Der Start war schwierig, mit 18 hatte er schon Frau und Kind zu versorgen. Im Messebau arbeitete er sich von der Pike auf hoch, für ein Studium hatte er kein Geld. Die Jobs waren mehr als auskömmlich bezahlt, er arbeitete für Kunden der ersten Garde, Nikon, die Post, die Telekom und etliche Ministerien. Das reichte für einen großen Bungalow in Wülfrath, ein paar Kilometer von Neviges entfernt. Mit Mitte 40 gründete er eine Messebaufirma. „Ich hab’ immer mit mindestens einem Dutzend Projekte jongliert“, erzählt er. Am Ende des ersten Jahres waren schon mehr als anderthalb Millionen Mark Umsatz beisammen.

Dann ging es plötzlich bergab. Sein Geschäftspartner, mit dem er unter gemeinsamem Namen firmierte, hatte mit seiner Zweitfirma Schiffbruch erlitten. Die Kunden hielten das nicht auseinander. „Molitor ist kaputt“, hieß es in der Branche; im Ausgabefach des Faxgeräts stapelten sich die Auftragskündigungen. Die Firma, in der Molitors gesamte Ersparnisse steckten, ging pleite; eine Zeit lang lebte er von der Sozialhilfe. Dann berappelte er sich wieder und arbeitete noch jahrelang als Angestellter für Messebaufirmen. Das macht er heute noch, auf Minijob-Basis. Vor zwei Jahren wurde er beim Finanzamt angeschwärzt. Er hatte gedacht, als Rentner müsse er keine Steuern zahlen. Nun musste er 14 000 Euro auf einen Schlag auftreiben. Selbst das hat er irgendwie geschafft.

Sein nächstes Projekt hat Molitor schon vor Augen. Ein Buch über Kneipen. Über das Trinken. Geschrieben hat er bislang kaum etwas, aber den Titel hat er schon: „Einen trinken wir noch, dann geh’n wir nach Haus.“ --


Wir haben uns heute zum ersten Mal gesehen. Wenn wir uns noch mal sehen, bist du tot.