FCKW

Um das Ozonloch zu schließen, fanden die Staaten gemeinsam eine Lösung. Die Erderwärmung zu stoppen fällt ihnen dagegen schwer. Was kann man sich von den Verhandlungen um den Ausstieg aus FCKW für Klimakonferenzen abschauen?





Nachdem FCKW reduziert wurden, verschlimmerte sich das Ozonloch zunächst, da die Stoffe lange in der Atmosphäre bleiben. Erst nach der Jahrtausendwende begann die Ozonschicht sich zu erholen

 

1979
2000
2018

Bildquelle: NASA

• Wenn sie in Australien aus dem Haus gehen, müssen sie sich mit Sonnencreme einschmieren und Hüte aufsetzen. Diese Regel kannte in den Achtzigerjahren jedes Kind, das Problem des Ozonlochs war leicht zu begreifen: Eine schützende Schicht, die die Erde umgibt, ist beschädigt. Das macht sich auf einem fernen Kontinent bereits durch stärkere UV-Strahlen bemerkbar, und bald könnten auch wir direkt betroffen sein.


 

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Der neue brand eins Podcast

Frank Dahlmann von Wirtschaftsmagazin brand eins und Fridtjof Detzner von Impact Investor Planet A diskutieren über eine neue Wirtschaft in planetaren Grenzen. Endlich raus aus der alten Industriegesellschaft hin zu einem neuen Mindset, zu einer neuen Wirtschaft für eine bessere Zukunft für alle. Wir wollen Treiber sein - und nicht Getrieben

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Die Lösung des Problems folgte einer stringenten Logik: Die Wissenschaft fand in den Siebzigerjahren heraus, dass die Ozonschicht angegriffen war, als wichtigste Verursacher machte sie Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) aus. Erste Staaten reduzierten bald darauf die Produktion und die Nutzung der schädlichen Substanzen. In Deutschland stimmte die Industrie 1977 zu, den Gehalt von FCKW in Spraydosen deutlich zu reduzieren. Die USA gingen noch weiter: 1978 wurde der Stoff in Spraydosen verboten.

In nur wenigen Konferenzen einigte sich die Staatengemeinschaft darauf, die schädlichen Substanzen durch umweltfreundlichere zu ersetzen. Im Vergleich zu 1986 sind heute 98 Prozent der Stoffe ausgetauscht. Und die Maßnahmen wirken: Die Ozonschicht erholt sich. Heute warnen Forscher zwar, das Problem sei noch nicht ganz gelöst, die drohende Zerstörung wurde jedoch abgewendet.

Wenn es damals relativ einfach gelang, das globale Problem der schwindenden Ozonschicht zu lösen, warum tut sich die Weltgemeinschaft dann heute so schwer damit, die Erderwärmung aufzuhalten? Was lief in den Verhandlungen damals besser als in Klimakonferenzen?

Der große Durchbruch war das Protokoll von Montreal 1987. Bis heute gilt es als Beweis dafür, dass die Staaten komplexe Probleme gemeinsam lösen können. Viele Hindernisse seien hier überwunden worden, schreiben die Politikwissenschaftler Frederike Albrecht und Charles Parker von der Uppsala University in ihrem 2019 erschienenen Beitrag „Healing the Ozone Layer“: Es sei unter anderem gelungen, ausreichend viele Teilnehmer dauerhaft einzubinden – auch solche, die anfangs skeptisch waren – und die Unterstützung der Öffentlichkeit zu sichern.

Potenzielle Gegenspieler waren Staaten, die FCKW produzierten, und solche, die dies planten. Es stellte sich jedoch heraus, dass sich die Stoffe leicht durch andere ersetzen ließen, die auch noch billiger waren. Die Unternehmen waren zu Recht zuversichtlich, dass die Kunden auch neuartige Deos und Kühlschränke kaufen würden – das Label „ohne FCKW“ war sogar beliebt, weil man sich als Umweltretter fühlen konnte. Verzicht oder harte Einschnitte waren weder für die Kunden noch für die Unternehmen notwendig.

Für die Umstellung habe das Protokoll von Montreal einen klaren und verlässlichen Fahrplan geboten, schreiben Albrecht und Parker. Diplomatie und Glück kamen hier also zusammen – eine ideale Kombination, die sich nicht ganz leicht auf den Klimaschutz übertragen lässt. Hier müssen schließlich nicht einzelne Substanzen ersetzt, sondern ganze Industriezweige und Lebensstile verändert werden.

Hilfreich war damals auch, dass sich jeder Einzelne potenziell betroffen fühlte. Man fürchtete sich vor Hautkrebs und wollte nicht Hüte tragen müssen wie die Leute in Australien, die Verhandlungen hatten in der Öffentlichkeit breite Unterstützung. Was die Erderwärmung bedeutet, blieb dagegen lange schwer greifbar. Dass Extremwetter wie Stürme und Fluten dadurch verursacht werden, dringt erst langsam ins Bewusstsein vieler Menschen. Und dass eine junge Generation auf Politik und Wirtschaft Druck ausübt, begann vor gerade einmal drei Jahren.

Zwischen 1985 und 1987 wurde das Protokoll von Montreal in mehreren Konferenzen vorbereitet. Daran waren anfangs 21 Staaten beteiligt, vorwiegend reichere. Die Einsicht, dass man die gesamte Staatengemeinschaft einbinden sollte, setzte sich erst nach und nach durch. Albrecht und Parker zufolge war dieser Schritt hin zu einer globalen Lösung entscheidend: Wenn einzelne Staaten sich abgewendet und andere zum Beispiel die Produktion dorthin verlagert hätten, wäre nichts gewonnen gewesen.

Das Prinzip, möglichst viele Mitglieder einzubinden, wurde beibehalten – 195 Staaten haben das Klimaschutzabkommen von Paris ratifiziert. Auch heute versucht man zu verhindern, dass Staaten mit hohen Emissionen ihre Lasten auf solche mit niedrigeren abwälzen. Im European Green Deal ist zum Beispiel vorgesehen, Industrien finanziell zu unterstützen, die ansonsten versucht wären, ihre Produktion in andere Regionen zu verlegen, um die Emissionen dort zu verursachen. Ein solcher Carbon Leakage, der das Problem nur verlagern würde, soll so vermieden werden. Die Frage, in welcher Form ein internationaler Emissionshandel zulässig sein sollte, ist auf Klimakonferenzen immer wieder ein Streitpunkt.

Vergleicht man die Verhandlungen um die Ozonschicht mit jenen um das Klima, fällt auf, dass es bereits viele Parallelen gibt: Um ärmeren Staaten den Ausstieg aus FCKW zu erleichtern, richtete die Staatengemeinschaft 1990 etwa einen gemeinsamen Fonds ein. So vermied sie, dass einzelne ausscherten, weil sie sich die Umstellung nicht leisten konnten, die Kosten dafür wurden geteilt. Nach diesem Vorbild wurde der Green Climate Fund eingerichtet, der ärmeren Ländern den Ausstieg aus fossilen Energieträgern ermöglichen soll. Albrecht und Parker geben sich allerdings skeptisch, dass der Fonds schon ausreiche, um „diese monumentale Herausforderung“ zu meistern.

Was das Protokoll von Montreal auch zeigt: Ein langer Atem kann sich lohnen. Als die Forschung erkannte, dass die vereinbarten Ziele nicht ausreichen würden, um die Ozonschicht zu reparieren, wurde nachjustiert. Ursprünglich hatten sich die Vertragsstaaten verpflichtet, die Produktion und den Verbrauch von FCKW bis 1999 auf die Hälfte der Menge von 1986 zu reduzieren. Unter anderem bei der Konferenz in Kopenhagen 1992 wurde dieses Ziel verschärft: FCKW sollten nun bis 1996 gar nicht mehr produziert und eingesetzt werden. Zuletzt einigten sich die Staaten auf der Konferenz von Kigali 2019 darauf, weitere Stoffe zu verbannen.

In Bezug auf den Klimawandel haben die allermeisten Staaten anerkannt, dass sich die globale Temperatur nicht um mehr als 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erwärmen sollte. Sie sind sich auch einig, dass die bisherigen Anstrengungen nicht ausreichen, um dieses Ziel zu erreichen, und dass jeder einzelne Staat bis 2030 deutlich mehr unternehmen muss.

Im Abschlussbericht der Klimakonferenz in Glasgow hätte die Staatengemeinschaft dazu fast einen Durchbruch erreicht: Es war vorgesehen, dass die Staaten sich dazu bekennen, ganz aus der Kohleverbrennung auszusteigen. Im letzten Moment verhinderten Indien und China die Formulierung und verwässerten somit den Beschluss.

Doch Nachverhandeln ist möglich, das hat das Ringen um die Ozonschicht bewiesen. Die nächste Weltklimakonferenz findet noch in diesem Jahr in Ägypten statt. Es braucht einen langen Atem. ---

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Die neueste Folge #4

Frank Dahlmann von brand eins und Fridtjof Detzner von Planet A diskutieren über eine neue Wirtschaft in planetaren Grenzen. In dieser Folge geht es um die Biodiversität. Mit dabei:

• Ulrike Pfreundt, Mitgründerin von Rrreefs
• Martin Wikelski, Direktor der Abteilung für Tierwanderungen am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie
• Sonja Stuchtey, Mitgründerin von The LandbankingGroup

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