
Neuer Traumjob
Jedes Jahr verliert die französische Landwirtschaft weitere Höfe, trotz hoher Subventionen aus Brüssel. Eine Expertin, die zuvor den französischen Präsidenten beriet, will das ändern – mit einer Schule, die eine ganz neue Landwirtschaft lehrt.

Die Kühe in Hectars Milchviehbetrieb leben im Freien. Der Tierpfleger David Hollier treibt sie zur Melkanlage (oben). Dort übernimmt die Mitarbeiterin Bérénice Giot. Produziert werden Bio-Käse und -Joghurt
• Zwischen den Wiesen und Wäldern des Naturparks Haute Vallée de Chevreuse liegt ein Landgut, in dessen Ställen keine Kühe stehen, sondern große Apple-Rechner auf eleganten Bürotischen. „Die Häuser und Stallungen sind aus dem 18. Jahrhundert. Anfang des 20. Jahrhunderts lebten und arbeiteten hier 30 Menschen. Am Ende waren es noch zwei. Dieser Ort ist für mich ein Symbol für den Wandel in der Landwirtschaft“, sagt Audrey Bourolleau, die das Gut Ende 2019 gekauft hat, um hier Hectar zu gründen, eine Schule, die Menschen für die französische Landwirtschaft gewinnen will.
Der Agrarsektor ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Frankreichs, eng verknüpft mit der Politik in Paris und in Brüssel. Das Land bekommt jährlich neun Milliarden Euro an Agrarsubventionen von der Europäischen Union. Fast ein Fünftel der landwirtschaftlichen Erzeugnisse der EU werden hier produziert.
Doch die Branche steckt in einer Krise. Viele Landwirtinnen und Landwirte verdienen weniger als den gesetzlichen Mindestlohn von 1645,58 Euro im Monat. Jedes Jahr verschwinden mehr Höfe. „Die Hälfte der Landwirte ist älter als 50 und wird in den kommenden zehn Jahren in den Ruhestand gehen. Fast 160 000 Betriebe stehen zur Disposition“, sagt Audrey Bourolleau. Schon jetzt herrsche ein Mangel an Fachkräften. Auch weil das Image des Berufs viele abschrecke: harte, schlecht bezahlte Arbeit, auch am Wochenende. „Wenn du die Zeitungen aufschlägst, berichten sie jede Woche mindestens einmal vom Selbstmord eines Landwirts, weil er Schulden hatte. Diese Realität gibt es, aber es ist nur eine Seite. Der Beruf kann unglaublich erfüllend sein und ist für unsere Gesellschaft wichtig. Wir müssen diese Seite zeigen. Wir müssen den Job attraktiv machen. Deshalb habe ich Hectar gegründet.“
„Ist deine Idee gut, setzt sie sich am Ende durch.“Audrey Bourolleau
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