Das geht

Nicht gleich morgens ein schlechtes Gewissen

Wir müssen Energie sparen. Kann man da noch sorglos duschen? Ein Ingenieur aus Hannover hat ein Gerät erfunden, mit dem das möglich ist.




• Das morgendliche Duschen hat seine Unschuld verloren, die schlechten Nachrichten verfolgen uns bis in die Nasszelle: Erderwärmung, Ukraine-Krieg, Energieknappheit. Politiker raten schon zum Waschlappengebrauch im Badezimmer – und man fragt sich: Darf man noch warm duschen?

Es sind goldene Zeiten für Tüftler wie Oliver Baum, dessen Idee seit diesem Jahr in Serie produziert wird: ein Wärmetauscher, der mit der Energie aus dem verbrauchten warmen Duschwasser das kalte Frischwasser vorwärmt. Er ist mit wenigen Handgriffen installiert.

Die Idee dazu hatte der Ingenieur schon vor mehr als sechs Jahren – und wie soll es anders sein – unter der Dusche. „In einer Zeit, wo Klima, Krieg und Frieden mit unserem Energieverbrauch zusammenhängen, schien mir das absurd: die Wärmeenergie einfach abfließen zu lassen“, sagt Baum, der in Cordhose und Norwegerpulli vor seiner Werkstatt im Westen Hannovers in der Sonne sitzt. Also baute er einen ersten Prototyp und installierte ihn in seiner Mietwohnung: eine Fußmatte aus Bambusholz, in die ein Wärmetauscher integriert ist, der die Energie des darauf niederprasselnden Wassers nutzt.

Das Prinzip funktioniert so: Dreht man an der Armatur in der Dusche das Wasser auf, regnet es warm auf das Gerät am Boden. Das heiße Wasser erwärmt nun das frische Kaltwasser, das über einen Schlauch von der Armatur in den Wärmetauscher zuströmt. Dieses fließt dann um 14 Grad erwärmt über einen anderen Schlauch zurück in die Mischbatterie. An dieser kann darauf der Zulauf von heißem Wasser reduziert werden, weil das frische Wasser bereits erwärmt ist. So erzeugt man mit weniger Energie eine angenehme Duschtemperatur.

„Beim ersten Versuch hatte ich gehofft, das Wasser um zwei oder drei Grad zu erwärmen. Stattdessen waren es gleich mehr als zehn Grad“, sagt Oliver Baum. Einige Jahre später hatte er das Gerät fertig entwickelt. „Der Warmduscher“ heißen Produkt und Firma, und das Energiesparversprechen des Erfinders ist groß: „Man kann, je nach Energiequelle und Warmwasserverbrauch, bis zu 40 Prozent der Energie beim Duschen einsparen.“


Auch im eigenen Badezimmer nutzt Oliver Baum, rechts zu sehen in seiner Fabrik, seine Erfindung

Wie viel das im Einzelfall ist, hänge von verschiedenen Faktoren ab, sagt Florian Lörincz, Energieberater für die Klimaschutz- und Energieagentur und die Verbraucherzentrale Niedersachsen. Der Temperaturunterschied zwischen Kalt- und Warmwasser spiele eine große Rolle, ebenso die Temperatur im Badezimmer und wie viel warmes Wasser über die Matte laufe (je fülliger die Duscherin oder der Duscher, desto mehr fließe womöglich seitlich an der Matte vorbei). Lörincz findet die Idee aber sehr vielversprechend: „Die Energiesparangabe und die Zahlen, die das Unternehmen ihren Berechnungen zugrunde legt, sind weitgehend nachvollziehbar und augenscheinlich seriös.“

Wer viel Wert auf Ästhetik legt, könnte sich an den beiden Kunststoffschläuchen stören, die zwischen Armatur und Fußmatte verlaufen. Doch wie wichtig ist so etwas in Zeiten, in denen der Wirtschaftsminister betont, dass die Einsparung jeder Kilowattstunde Strom zähle?

Für den Energieberater Lörincz ist die Antwort klar: „Die Idee ist innovativ und pragmatisch und bietet eine Chance, ein weiteres Energieloch im Haushalt zu stopfen – das könnte für viele Menschen ein Anreiz zum Sparen und zum Klimaschützen sein.“

Neu an dieser Idee ist nicht der Wärmetauscher in Duschen, sondern die einfache Nachrüstung. „Der Aufbau dauert zehn Minuten, das schaffen auch Menschen mit zwei linken Händen“, sagt Oliver Baum. Allerdings: Das Gerät ist mit 549 Euro nicht gerade ein Schnäppchen. Wer in einem Zwei-Personen-Haushalt lebt und mit Gas heizt, kommt nach der Rechnung der Firma auf ein Sparpotenzial von 67 Euro pro Jahr – die Investition amortisiert sich also erst nach acht Jahren.

Weniger kosten werde sein Produkt aber erst einmal nicht, sagt Baum: „Wir wollen nicht mit billigerem Material arbeiten, weil uns die Langlebigkeit des Produktes wichtig ist. Und wir wollen aus ökologischen und sozialen Gründen nicht in China produzieren lassen.“

Seit 2021 fertigt die kleine Firma die Geräte in einer 160 Quadratmeter großen Halle in Hannover. An mehreren kleinen Stationen in der Werkshalle schweißen, montieren und verpacken die acht Beschäftigten die patentierten Duschwärmetauscher. Zwei von ihnen arbeiten in Vollzeit. Derzeit stellt das Team 25 Warmduscher im Monat her, im nächsten Jahr sollen es viermal so viele werden.


„Man kann, je nach Energiequelle und Warmwasserverbrauch, bis zu 40 Prozent der Energie beim Duschen einsparen.“

Der Gründer hat für die Umsetzung seines Konzeptes bereits 100 000 Euro von Privatinvestoren bekommen, 50 000 Euro Förderung der Stadt Hannover und Preisgelder in Höhe von rund 170 000 Euro. Daneben investierte er Erlöse aus seinen anderen Unternehmen, einem Maschinenbaubüro und einer Firma, die eine von ihm patentierte Spezial-Biegetechnik für große Rohre anbietet.

„Insgesamt stecken rund 350 000 Euro in diesem Unternehmen“, sagt Baum. Derzeit mache es rund 100 000 Euro Umsatz, Ende des Jahres soll es schwarze Zahlen schreiben. „Ich habe kein ausgefeiltes Business-Modell. Wer mit mir arbeitet, sieht, was ich leiste – das ist meine beste Empfehlung“, sagt er. Dafür arbeite er „fast immer“: „Wenn ich nur Geld verdienen wollte, würde ich mich einfach anstellen lassen. Aber mir geht’s um die Technik, ums Machen.“

Oliver Baum hat noch viel vor mit seinem Unternehmen: Sein Team arbeitet an einem Mietkonzept für den Wärmetauscher, daneben will der Gründer neue Modelle für Duschbadewannen entwickeln und träumt von einer öffentlichen Förderung für die Nachrüstung von Duschen in Sozialwohnungen. „Damit die profitieren, die am meisten unter den hohen Energiekosten leiden.“ Letztlich, so Baum, gehe es bei seinem Produkt vor allem ums Vertrauen darauf, dass sich die Investition auszahle: „Man muss den Warmwasserhahn einfach viel weniger heiß drehen, um warm duschen zu können – wer das erfahren hat, weiß, dass sich das für den Geldbeutel und für das Klima lohnt.“ ---