Was Marken nützt

Von der Pfanne in die Kanne

Der Trend geht hin zu Verfeinerung, auch bei Heißgetränken. Früh erkannt hat das Becking Kaffee, eine der größeren unter den kleinen Röstereien.





• Sönke Plautz, 50, von Haus aus Bau-Ingenieur und einer der Inhaber der Rösterei Becking in Hamburg-Bahrenfeld, tüftelt gern. Ein Ergebnis ist im obersten Stockwerk zu besichtigen, wo verschiedene Rohkaffees in großen Behältern lagern. Wenn man unten in der Rösterei ein bestimmtes Produkt aus dem Sortiment per Knopfdruck auswählt, fährt oben eine mit einer Waage versehene Lore die entsprechenden Stationen an, nimmt die jeweils notwendige Menge an Kaffeebohnen auf und kippt die fertige Mischung durch eine Auslassung im Boden in ein Rohr, sodass sie unten im Röster landet. Der automatisierte Vorgang wird musikalisch begleitet: So erklingt zum Kaffee Soleil von Becking das gleichnamige Chanson.

Sie haben Spaß in der Firma und auch Grund dazu, denn das Geschäft läuft wegen der Pandemie gut. „Seit März 2020 geht es steil nach oben“, sagt Plautz’ Kompagnon Heyko Wychodil, „weil die Leute im Home Office guten Kaffee trinken wollen.“ Die Rösterei zählt zur wachsenden Zahl kleinerer Unternehmen, die den Markt für gehobene Ansprüche bedienen. Seit der Jahrtausendwende ist deren Markt- anteil kontinuierlich gestiegen.

Das Geschäft eignet sich gut für Quereinsteiger, weil das Rösten von Kaffee – ähnlich wie Bierbrauen – ein Handwerk ist, das sich erlernen lässt, sofern man ein gewisses Talent dafür mitbringt. „Im Prinzip reicht zum Kaffeerösten eine Pfanne“, sagt Plautz, der die Technik bei anderen Röstern gelernt hat und nun in Kaffee-Seminaren weitergibt. Wer sich bei Becking bewirbt, werde als Erstes gefragt: „Kannst du kochen und ein Fahrrad reparieren?“ Es kommt also auf Geschmack an und handwerkliches Geschick. Der Rohkaffee wird dort mit einer einfachen Technik in sogenannten Trommelröstern unter Aufsicht langsam veredelt, je nach Sorte dauert das zwischen 17 und 32 Minuten. „Dadurch werden unerwünschte Säuren aus dem Kaffee entfernt“, sagt Plautz.

Anders als die Newcomer hat die Firma eine recht lange Geschichte. Sie wurde 1928 gegründet, damals gab es rund 300 Röstereien in der Hansestadt. Zur Jahrtausendwende stand Becking dann vor dem Aus: Der Eigentümer wollte die Firma liquidieren, weil er weder Nachkommen noch Nachfolger hatte. Sein damaliger Anwalt Wychodil fand das „jammerschade“ und bot an, die Firma weiterzuführen, was der Patriarch aber zunächst ablehnte: „Das wird nicht funktionieren.“ 2002 wurde er weich, und der Deal kam zustande. „Das Unternehmen war kerngesund und hatte 25 000 bis 30 000 Kunden, die monatlich bestellten“, erinnert sich der heute 60-jährige Wychodil.

Darauf ließ sich aufbauen. Die neuen Chefs weiteten das Sortiment von einst 6 auf heute 50 Sorten aus. Sie richteten einen Onlineshop ein, in dem es unter an-derem auch Schokolode, Konfitüre und Nüsse gibt, um das Angebot abzurunden und den jeweiligen Bon zu erhöhen. Man kann auch direkt bei Becking einkaufen, in dem dortigen Bistro essen und von Plautz alles Wissenswerte über Kaffee erfahren. Der Mann, der nie ohne Cowboyhut zu sehen ist, denkt sich ständig Neues aus, unter anderem kompostierbare Kaffeekapseln. Bei der Modernisierung der Marke legten die Inhaber auch Hand an das nicht mehr zeitgemäße Logo, ursprünglich ein dienender schwarzer Junge. Der kommt mittlerweile selbstbewusst daher und hat blaue Augen wie Hans Albers. ---

Mitarbeiter: 22
Umsatz: rund 2,8 Millionen Euro
gerösteter Kaffee pro Jahr: 150 bis 160 Tonnen

… auch diese Rubrik, in der wir in den vergangenen Jahren mehr als 200 Marken vorgestellt haben. Darunter sind bekannte Namen, weniger bekannte, traditionsreiche, neue, dem Tod geweihte – und solche, die wieder auferstanden sind. Dass es so viele werden sollten, ahnte der Autor anfänglich nicht. Aber Marken, das stellte sich heraus, sind vielfältige und nie langweilige Persönlichkeiten mit jeweils individueller Geschichte; darin sind sie Menschen nicht unähnlich. Mit diesem letzten Beitrag erscheinen alle Kolumnen und etliche Illustrationen von Manu Burghart in einem schön gestalteten Buch.

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Hinweis: Vorbestellung – Das Buch wird im März veröffentlicht.

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