Heiliger Milchmann

Das Geschäftsmodell der wiederkehrenden Zahlung ist älter, als man glauben mag. Wer sich mit einem zehn Jahre alten Spotify-Account schon als Veteran der Subscription-Szene wähnt, der werfe einen Blick auf die wahren Pioniere der Branche.



Illustration: Interfoto/Sammlung Rauch


Das Fitness-Studio des Mittelalters
Der Kirchenzehnt

Neben Vermietern, die Mieter zu Wohnungs-Abonnenten machten, zählen die Geistlichen des frühen Mittelalters zu den Ersten, die ihre Follower in Beitragszahler verwandelten. Der Kirchenzehnt als Abo-Modell fürs Jenseitige fußte vertraglich auf der Erwähnung im Alten Testament und kam spätestens seit Karl dem Großen im 8. Jahrhundert mit einer stattlichen Gebühr daher. Für die Mitgliedschaft fielen jährlich zehn Prozent der Einkünfte an, zu zahlen an die nächste Pfarrei. Materielle Gegenleistungen waren rar, dafür gab es Glockengeläut, Seelsorge und Vergebung der Sünden – und die Option auf ein besseres Leben im Jenseits. Der Kreis der freiwilligen Zahler war anfangs überschaubar, und auch später wurden aus Beitragspflichtigen nicht unbedingt Abgabe-Fans.

Mit der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts setzte sich hierzulande die Kirchensteuer durch, die schließlich in der Weimarer Verfassung festgeschrieben wurde. Damals wie heute sind unter den zahlenden Mitgliedern etliche, die ihren Vertrag gern loswerden würden – wenn auch unter veränderten Bedingungen. Die Hürde zum Austritt ist nun nicht mehr das Fegefeuer, sondern das Hoffen auf einen Behördentermin vor dem Übertritt ins Jenseits. Dennoch gibt es heute nicht wenige, die das Gotteshaus so selten besuchen wie das Fitness-Studio und doch beides bis in alle Ewigkeit bezahlen. So gesehen ist es sicher nicht zu weit gegriffen, den Bauernkrieg des 16. Jahrhunderts mit seiner Auflehnung gegen die kirchlichen Zwangsgelder als frühen Wegbereiter von Abo-Alarm zu lesen.

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