Hier stehe ich und kann nicht anders

Manchmal ist es unmöglich, sich an die Regeln zu halten. Weil sie nicht eindeutig sind. Weil ungeschriebene Gesetze schwerer wiegen als formelles Recht. Oder weil es mit dem eigenen Gewissen nicht vereinbar wäre, bestimmte Vorschriften zu befolgen.

Vier Menschen erzählen, warum sie Regeln biegen, brechen oder bekämpfen.





1– Aus Versehen Lobbyistin

„Das ist eine ziemlich dumme Regel“

Juliane Kronen, 58, will mit ihrem Unternehmen Innatura dafür sorgen, dass Firmen Waren aus Überproduktion an soziale Institutionen spenden.

Dabei steht der Kölnerin eine Steuer-Regel im Weg: Für Unternehmen ist es teurer, Waren zu spenden, als sie zu entsorgen. Denn gespendete Ware wird steuerlich genauso behandelt wie verkaufte Ware, Unternehmen müssen für jedes gespendete Produkt Umsatzsteuer bezahlen. Kronen hat dieser Regel den Kampf erklärt.

„Wenn man etwas Neues, Innovatives machen will, kommt man ja immer in Konflikt mit bestehenden Strukturen. Ich habe lange als Unternehmensberaterin gearbeitet, deshalb ist mir das klar.

Für Sozialunternehmen gilt es ganz besonders: Firmen, die nicht profitorientiert arbeiten, aber gut genug verdienen wollen, um am Markt zu bleiben, sind dem Staat, Banken oder Verbänden erst mal suspekt. Sie passen nicht ins Raster. Ein guter Bekannter sagt immer: Als Sozialunternehmer wirst du irgendwann ‚Lobbyist by Accident‘. Eigentlich hast du nur eine Idee, mit der du etwas Gutes bewirken willst. Und dann merkst du, wie viele Regeln es gibt, die verhindern, dass du das tun kannst. Und du siehst es nicht ein – also versuchst du das zu ändern.

Wenn das Steuerrecht dafür sorgt, dass es für Unternehmen billiger ist, Produkte wegzuschmeißen, statt sie zu spenden, dann ist das eine ziemlich dumme Regel. Mir hat sie noch keiner wirklich einleuchtend erklären können. Es gibt eigentlich keinen guten Grund, die Steuersystematik sieht es eben so vor. Jedes Jahr werden deshalb in Deutschland einwandfreie Waren im Wert von schätzungsweise sieben Milliarden Euro weggeworfen.

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