Was Menschen bewegt

Postkarte ins Leben

Wer in den USA als Jugendlicher zu acht Jahren Haft verurteilt wird, hat eigentlich keine Zukunft mehr. Es sei denn, er kennt die wichtigste Regel für Unternehmer: Wo ein Bedürfnis ist, lässt sich was verdienen. So wie Marcus Bullock, der heute Gefangenen zu einem besseren Kontakt nach draußen verhilft.




• 16 Uhr, irgendein Tag, Zelle C 112 in einem Staatsgefängnis in Virginia, USA. Zwei Spinde, ein Waschbecken und eine Toilette. Ein zerkratzter Spiegel an der Wand, ein Fernseher mit 13-Zentimeter-Bildschirm. Marcus Bullock und sein Zellenmitbewohner treten an die offene Metalltür. Die Inhaftierten werden gezählt, wie jeden Tag. Dann kommt das Gold, wie es manche hier drin nennen. Nein, keine reingeschmuggelten Drogen oder das Abendessen. Sie meinen die Post. Briefe, aus Papier, die doch eigentlich niemand mehr schreibt. Hinter Gittern sind sie die Verbindung zum Leben. Zur schönen Vergangenheit. Zur ersehnten Zukunft. Für Bullock ist der Vergleich mit dem Edelmetall sogar noch zu klein: „Post ist mehr als Gold, Post ist Leben“, sagt er rückblickend.

Wir kommunizieren über Chats, Instagram oder Tiktok. Jede ist mit jedem verbunden. Es sei denn, man sitzt in einem US-Gefängnis. Dort ist das Leben bis auf wenige Momente an öffentlich zugänglichen Computern offline. Beim Schreiben und Lesen von E-Mails stehen Inhaftierte oft unter Druck: Die Mitinsassen warten. Jede Minute am Rechner kostet Geld. Die E-Mails werden mitgelesen und dürfen oft nicht länger sein als 1500 Zeichen. Handys sind verboten und die Kosten für offizielle Telefongespräche hoch, weil die Anbieter mit der Not der Gefangenen ein Geschäft machen.

Wie kann eine Gesellschaft, die ständig online ist, mit denen in Kontakt bleiben, die es kaum sein dürfen? Bullocks Antwort ist ausgerechnet eine App: Er hat sie Flikshop genannt. Man wählt einfach auf dem Smartphone ein Foto aus und schreibt ein paar Zeilen dazu, ähnlich wie bei Instagram. Ein paar Tage später landen Bild und Text als ausgedruckte Postkarte in der Gefängniszelle, für weniger als einen Dollar, Porto inklusive.

Fast im Alleingang hat Bullock das Unternehmen gegründet und über Jahre entwickelt. Heute kümmert sich eine Handvoll Mitarbeiter darum, dass die Postkarten in mehr als 2700 Gefängnissen in allen Bundesstaaten der USA ankommen. Im Frühjahr 2021 hatte Flikshop mehr als 170 000 Kundinnen und Kunden. Rund 700 000 Postkarten wurden über die App bislang in Gefängnisse in den USA geschickt. Rechtlich ist Flikshop eine sogenannte C Corporation, vergleichbar mit der Aktiengesellschaft, also ein gewinnorientiertes Unternehmen. Weil die Firma gerade in einer Finanzierungsrunde steckt, möchte Bullock nicht über konkrete Umsatzzahlen sprechen.

Er ist heute 39 Jahre alt, ein großer, breitschultriger Mann. Morgens geht er joggen und trainiert im Kraftraum, bevor er seinen beiden Kindern Frühstück macht. Heute sei er ausgeglichen, sagt er. Das war nicht immer so. Bullock wuchs in Washington D. C. auf. Seine Mutter war alleinerziehend, fuhr täglich fast 50 Kilometer zur Arbeit, machte nebenbei noch ihren College- Abschluss. Sie wollte Marcus und seiner Schwester zeigen, wie wichtig eine Ausbildung ist. Marcus mochte die Schule, gewann Debattierwettbewerbe, war ein talentierter Basketballer. Von seinem Taschengeld kaufte er Süßigkeiten und verkaufte sie in der Schule mit Gewinn weiter. „Marcus war schon immer ein Unternehmer“, sagt seine Mutter.

Wo er aufwuchs, taten viele Leute Dinge, die nicht legal sind. „Ich wollte einen Weg finden, diese Air Jordans zu kaufen, damit ich beim Basketballspiel cool aussehe“, sagt Bullock. Dass er dafür zu weit ging, erkannte er zu spät: Er verkaufte Drogen und klaute Autos. Sonntags ging er in die Kirche. Alles in Ordnung. So sah das der Teenager Marcus.

Bis zu jenem Samstagabend im Jahr 1996. Zusammen mit einem Freund näherte er sich auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums einem Auto. Die jungen Männer hatten eine Waffe dabei. Sie klopften damit an die Scheibe und zwangen den Besitzer zum Aussteigen.


Seltene Treffen während der Zeit, in der Marcus Bullock im Gefängnis saß

Bei diesem Raubüberfall wurde Marcus Bullock erwischt. Den Polizisten, die ihn in Handschellen abführten, sagte er noch, dass er Angst habe, seine Mutter würde ihm das Basketballspielen verbieten. Einer der Polizisten antwortete, so erinnert sich Bullock: „Junge, du hast ganz andere Probleme.“ Er wurde verurteilt – Autodiebstahl, versuchter Raub und Verwendung einer Schusswaffe im Rahmen einer Straftat. Acht Jahre Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis für Erwachsene, so lautete die Strafe. Bullock war eine Woche zuvor 15 Jahre alt geworden.

Zoom-Anruf bei der Mutter. Sylvia Bullock ist „Mom in Chief“ bei Flikshop, ein augenzwinkernder Titel. „Ich bin da, als Mutter, um Weisheit und Führung zu geben“, sagt sie und lacht. Sie ist ordinierte Pastorin der von ihr gegründeten Kirche „Seek His Face Ministries Church“. Dienstags ist Gebet, mittwochs Bibelstunde, sonntags Gottesdienst. Am Anfang des Prozesses hoffte sie noch, dass ihr Sohn nicht ins Gefängnis käme. Dass er vielleicht in ein Mentorenprogramm der Kirche dürfe.

Er selbst glaubte noch im Gefängnis, dass er bald wieder entlassen würde: „Die werden mich doch nicht über Weihnachten drin lassen.“ Vielleicht war es Naivität, vielleicht sein Selbsterhaltungstrieb. Er konnte sich nicht vorstellen, dass man ihn, einen Teenager, dort wirklich mit all diesen harten Jungs eingesperrt lassen würde. Irgendwann, so dachte er lange, müsse der Richter oder der Staatsanwalt doch etwas tun, um ihn rauszuholen. Die Hoffnung auf eine schnelle Freilassung habe ihn durch die ersten Monate gebracht, sagt Bullock heute. Einmal fragte er auf dem Gefängnishof seinen Kumpel Danny B. beiläufig, wie lange er schon drin sei. Die Antwort: 31 Jahre.

Beim ersten Treffen darauf sagte er seiner Mutter: „Komm mich nicht mehr besuchen, schreib mir nicht, fang an zu trauern, denn ich werde es nicht rausschaffen.“ Er habe sich nicht mehr für das Leben interessiert, sagt Sylvia Bullock. Sie habe geantwortet: „Junge, du hast den Verstand verloren, wenn du glaubst, dass ich dich an das Gefängnis verliere.“ Sie versprach, ihm jeden Tag einen Brief zu schreiben.

Sie hielt Wort: In ihren Mittagspausen schrieb sie die Briefe und steckte sie mit einigen Fotos in einen Umschlag. Bilder aus dem Alltag, von einem saftigen Cheeseburger, vom Briefkasten, von Freunden. Als sie einen besser bezahlten Job fand und sich ein kleines Haus leisten konnte, schickte sie Fotos von einem Zimmer mit Bett, Kingsize, für den abwesenden Sohn.

Der arrangierte sich mit dem Gefängnis. Seiner Mutter erzählte er nicht, dass er auch im Sommer manchmal eine mit alten Magazinen gefütterte Winterjacke trug, zum Schutz vor Messerangriffen. Denn obwohl Waffen im Gefängnis verboten sind, werden welche hineingeschmuggelt. Manchmal, wenn es Ärger gab, eine Schlägerei etwa, kam Bullock in Einzelhaft, ins „Loch“. „Das waren die schlimmsten Momente, weil ich nicht mit ihm sprechen konnte“, sagt Sylvia Bullock. In normalen Zeiten teilte er sich eine wenige Quadratmeter große Zelle mit einem anderen Inhaftierten, schlief im unteren der Doppelstockbetten. Wenn er auf dem Rücken lag, sah er all die Fotos, die seine Mutter geschickt hatte. Er stellte sich vor, wie er Unternehmer würde und seine Mutter und seine Schwester unterstützen könnte.

Seine Mutter war es, die Bullock die Gegenwart ertragen ließ. Jay-Z ließ ihn von der Zukunft träumen. Exzessiv hörte er die Musik des Rappers. Auch der hatte mit einer alleinerziehenden Mutter und als Drogendealer einen schweren Start ins Leben gehabt. Auch als Musiker hatte Jay-Z zunächst nur „Nein“ gehört. Dann gründete er ein Label und wurde mit Musik und Geschäftssinn zum wohl ersten Hip-Hop-Milliardär. Sein Leitspruch: „I’m not a business man, I’m a business, man.“ Der Rapper wurde Bullocks Vorbild. Um sich auf das Leben in Freiheit vorzubereiten, belegte der Teenager im Gefängnis College-Kurse in Wirtschaft und Computer-Software und brachte sich bei, wie man einen Businessplan entwirft.

Nach seiner Entlassung schrieb Bullock Dutzende Bewerbungen. Auf jedem Formular stand aber die Frage: Wurden Sie jemals wegen einer Straftat verurteilt? Er kreuzte Ja an, die Unternehmen sagten ab. Bis er einmal die Frage las: Wurden Sie innerhalb der vergangenen sieben Jahre verurteilt? Wurde er nicht.

Als Management-Trainee bei Duron Paints & Wallcovering rührte er für den Mindestlohn Farbe an. Einmal hörte er dabei die Maler, die über fehlende Aufträge klagten – und die Kunden, die nicht nur Farbe wollten, sondern auch jemanden, der damit die Küche streicht. Der Mann, der über Jahre hinter Gittern auf eine Chance gewartet hatte, sah die Marktlücke. Anfangs brachte er Maler und Kunden gegen eine Gebühr zusammen. Bald wurde ein Unternehmen für Malerarbeiten und Renovierungen daraus. Es sprach sich herum, dass seine Leute zuverlässig arbeiteten, sodass er sogar Aufträge von McDonald’s-Filialen und dem Flughafen Baltimore-Washington bekam. Bullock wurde zum Unternehmer – und nutzte diese Position, um ehemalige Inhaftierte einzustellen.


Mom in Chief bei Flikshop: Sylvia Bullock


Unterstützt Flikshop: der Gefängnismitarbeiter Anthony Gangi

Alter, schick Fotos!

In seinem neuen bürgerlichen Leben kaufte Bullock Autos, reiste viel, hatte bald das erste Smartphone. Er wurde ehrgeizig – und zuversichtlich, seine Ziele erreichen zu können. Bei einem Trip nach New York blickte er vom Hotel aus auf den Times Square und sagte zu seiner späteren Frau: „Eines Tages werde ich auf einem solchen Bildschirm zu sehen sein.“

Doch die Jungs hinter Gittern fehlten ihm. Bei ihrer Entlassung hören Inhaftierte oft, dass sie den Kontakt zu denen da drinnen besser abbrechen sollten. Der Knast sei kriminell, wer draußen bleiben will, sucht sich neue Freunde. Bullock aber kam mit 15 Jahren ins Gefängnis. Die Freundschaften aus dieser Jugend im Knast wollte er nicht beenden, er hielt Kontakt, ließ die Freunde an seinem Leben teilhaben. Sie antworteten: „Alter, erinnerst du dich an die Bilder deiner Mutter? Schick uns Fotos aus deinem Leben!“ Diese auszudrucken und in einen Umschlag zu stecken war ihm zu aufwendig. Als er nach einer App suchte, mit der er Kontakt zu seinen Freunden halten könnte, fand er nichts – die Idee für Flikshop war geboren.

2012, drei Jahre nachdem Bullock erstmals gegoogelt hatte, wie man eine App baut, kam die erste Flikshop-Postkarte im Gefängnis an. Dass die Umsetzung schwierig würde, war dem Gründer klar. „Ich bin ein schwarzer, vorbestrafter Mann, der mit einer neuen Technik etwas in die sichersten Einrichtungen der Welt bringen wollte“, sagt er und lacht. Die Menschen, mit denen er darüber verhandelte, die Gefängnisdirektoren und Vertreter der Ministerien, das waren meist weiße Männer über 50, die keine Ahnung von Apps hatten. Ihnen ging es vor allem um Sicherheit, und deshalb sagten erst einmal alle Nein.

Marcus Bullock war das gewöhnt. Im Gefängnis sei ein Nein die Antwort auf fast jeden Wunsch, jede Frage. „Ich schnipste das Nein-Männchen von meiner Schulter und machte weiter“, sagt er. Mit Erfolg. 2018 stand er wieder am Times Square und blickte auf den riesigen Nasdaq-Bildschirm. Darauf sah er sein Foto und einen Text über seine Geschichte und die von Flikshop. Ein Jahr später erzählte er im Weißen Haus dem damaligen Präsidenten Donald Trump von seinen Plänen.

Da hatte er seine Renovierungsfirma längst verkauft, sein Freund Anthony Belton ist dort heute im Führungsteam. Belton traf den jungen Marcus im Brunswick Correctional Center in Virginia, da war der gerade 18 Jahre alt. Statt mit den anderen Gewichte zu stemmen, lief Marcus mit Wirtschaftsbüchern über den Gefängnishof. „Er hatte einen Geschäftssinn“, sagt Belton. Die beiden freundeten sich an und sprachen darüber, wie sie nach der Entlassung Geld verdienen könnten. Nach mehr als 13 Jahren im Knast gründete Belton einen Hausmeisterservice. Und auch er muss immer wieder an den Mail Call denken. „Wenn im Gefängnis die Post gebracht wird, steht da ein Haufen erwachsener Männer, die wie Welpen darauf warten, gefüttert zu werden“, sagt er.

„Post kann für die Stimmung im Gefängnis sehr beruhigend sein“, sagt Anthony Gangi, der seit 18 Jahren im Strafvollzug arbeitet. Er überwacht als Supervisor die Abläufe in einem Gefängnis mit etwa 2400 Inhaftierten in New Jersey. „Flikshop macht unsere Arbeit leichter“, sagt er. Denn klassische Post bedeute für ein Gefängnis immer Arbeit und Risiko. Briefe werden gescannt und gelesen, oft auch kopiert. Die Inhaftierten bekommen nicht das Original – da unter Fotos oder zwischen dem Papier Drogen versteckt sein könnten. Wenn Flikshop ausgedruckte Karten schickt, hat das Gefängnispersonal weniger Arbeit.

Die Firma ist nicht allein auf diesem Markt. Nach Bullocks Gründung haben andere ehemalige Inhaftierte Apps auf den Markt gebracht, die nach gleichem Muster die Kommunikation zwischen Drinnen und Draußen erleichtern. Frederick Hutson etwa, der mehr als vier Jahre wegen Drogenhandels im Bundesgefängnis gesessen hatte, nannte 2013 sein Start-up Pigeonly nach den historischen Brieftaubendiensten. Kunden abonnieren die App für eine monatliche Gebühr von weniger als 20 Dollar, um Fotos und Nachrichten zu versenden und Zugang zu billigen Telefon-Tarifen zu haben.

Die Pandemie hat den Kontakt für Inhaftierte weiter erschwert. Über Monate waren Besuche, wenn überhaupt, nur eingeschränkt möglich. Corona hat auch die Arbeit von Flikshop verändert. Bullock trägt beim Zoom-Gespräch den Laptop durch die Büroräume in Washington, ein paar Blocks vom Potomac River entfernt, alle Plätze sind leer, die Mitarbeiter im Home Office. Doch der Eindruck täuscht, denn die Pandemie hat dem Unternehmen einen Schub gegeben. Im ersten Monat des Lockdowns stieg der Umsatz um 60 Prozent und wuchs auch danach.

Bei den Postkarten soll es nicht bleiben. „Ich hatte meine Mutter, hatte meine Träume, die Musik von Jay-Z. Aber manche Leute haben absolut niemanden“, sagt Bullock. Er will Flikshop zur Plattform machen. NGOs und Anwaltskanzleien sollen sich hier austauschen können, Unternehmen neue Mitarbeiter und Mitabeiterinnen finden, Inhaftierte Zugang zu Behörden bekommen. Das Ziel: ein besserer Einstieg ins Leben nach dem Knast. Die Flikshop School of Business bietet schon jetzt Kurse in Gefängnissen an und hilft frisch Entlassenen, sich weiterzubilden. Anthony Belton gehört heute zu dem Team, das die Kurse entwickelt. Viele der Inhaftierten, die sich seit Jahren ihre Zukunft ausmalen, können hier zum ersten Mal ihre Ideen vorstellen. Marcus Bullock sagt: „Diesen Ehrgeiz, diese Kraft braucht die Gesellschaft.“ ---

Kostbare Verbindung
In den USA ist es für Gefangene schwierig, den Kontakt nach draußen zu halten. Die Insassen leiden darunter – auch weil Unternehmen aus ihrer Notlage Profit schlagen. „Es gibt ein unerbittliches Bestreben, Inhaftierte zu Einnahmequellen für private und öffentliche Kassen zu machen“, heißt es in einem Bericht der Prison Policy Initiative (PPI).

Die Gefängnis-Telefonie ist ein Milliarden-Dollar-Markt. Denn Inhaftierte können nicht einfach einen billigen Festnetzvertrag abschließen oder Vorwahlnummern nutzen, die die Kosten niedrig halten. Handys sind ohnehin verboten. Das macht es privaten, gewinnorientierten Telefongesellschaften leicht. Zwei Unternehmen, Global Tel Link und Securus, beherrschen nach PPI-Recherchen den Markt. In staatlichen Einrichtungen sind die Telefonkosten mittlerweile auf maximal 21 US-Cent pro Minute gedeckelt. In lokalen Gefängnissen in Arkansas kosten 15 Minuten am Telefon dagegen fast 25 Dollar. Und auch bei E-Mails oder Videotelefonie-Programmen für Gefängnisse ist der Zugang begrenzt, die Kosten sind hoch.

In Deutschland gibt es mit Telio einen Quasi-Monopolisten, der nach einer Recherche von Netzpolitik.org Verträge mit 15 der 16 Bundesländer geschlossen hat. Lokale Gespräche kosten etwa in Sachsen rund vier Cent pro Minute, bei Anrufen ins Mobilnetz sind es bis zu 20 Cent, bei Gesprächen ins Ausland sogar bis zu 1,19 Euro. Keine amerikanischen Verhältnisse, aber doch Preise, die deutlich über dem liegen, was man außerhalb von Gefängnissen zahlt.

Hierzulande haben Inhaftierte keinen Anspruch auf das Schreiben von E-Mails oder Videotelefonie. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betonte 2017 zwar die Bedeu- tung von modernen Medien im heutigen Alltag, erklärte aber in seinem Urteil, dass die Vertragsstaaten Häftlingen keinen pauschalen Zugang zum Internet ermöglichen müssen. Wenn sich Inhaftierte allerdings vor der Entlassung nicht online um eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz bemühen können, erschwert das den Start ins neue Leben.

Das Gefängnissystem der USA
Es gibt rund 2,3 Millionen Inhaftierte in den USA. Kein Land der Erde steckt prozentual einen so großen Teil der Bevölkerung in seine Gefängnisse, Schwarze und Latinos sind dabei deutlich überrepräsentiert. Nach Recherchen der Bürgerrechtsorganisation NAACP werden fünfmal so viele schwarze wie weiße US-Amerikaner inhaftiert.

600.000 Menschen werden in den USA jedes Jahr aus den Landes- und Staatsgefängnissen entlassen. Doch der Weg zurück in die Gesellschaft ist für viele schwer. Viele Vorbestrafte haben mit dem Schuldspruch ihr Wahlrecht verloren, ihren Anspruch auf eine Sozialwohnung oder Lebensmittelmarken. Mehr als zwei Drittel der Gefangenen werden innerhalb von drei Jahren nach ihrer Entlassung erneut verhaftet und die Hälfte erneut inhaftiert.

Werkstatt artikel

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