Feldberg

Am Feldberg wird es wärmer. Zu warm für den Schnee, der jahrzehntelang für Wohlstand sorgte. Wie eine Zukunft in Zeiten des Klimawandels aussehen könnte, darüber streiten der Bürgermeister, Alteingesessene und Umweltschützer.





Walter Wochner, der Widerständler

• Johannes Albrecht steigt aus der Gondel der Feldbergbahn, er trägt eine Laptop-Tasche in der einen Hand, mit der anderen grüßt er den Mann am Ticket-Schalter. Bis zum Treffen mit einem Bürgermeisterkollegen aus der Nachbargemeinde hat er noch ein bisschen Zeit für eine Runde auf dem Gipfel des Feldbergs, dem höchsten Berg des deutschen Mittelgebirges.

Albrecht, 52, blonde Haare, glattes Hemd, steht mitten in der Natur, blickt über die Fichten des Schwarzwalds bis in die Schweiz und redet von Stakeholdern, von Zielgruppen und Quartilen.

Seit zwei Jahren ist er Bürgermeister von Feldberg, und wer könnte besser geeignet sein für die gewaltigen Herausforderungen, die der Gemeinde bevorstehen, als er, der beim Autokonzern Peugeot zuletzt für Change-Management zuständig war? Vor allem der Wintertourismus muss hier wegen ausbleibenden Schnees neu erfunden werden. Nur: Lässt sich ein Dorf managen wie ein Konzern?

Walter Wochner steigt aus seinem silbernen SUV, den er an der Talstation der Feldbergbahn geparkt hat, und lehnt sich an ein Geländer. Er trägt ein kariertes Hemd, grüßt eine Bekannte, und er hat jede Menge Zeit, denn er ist Rentner.

Wochner, 71, ehemals Angestellter der Sparkasse Hochschwarzwald, mehr als ein Vierteljahrhundert Mitglied des Gemeinderats von Feldberg, saß ebenso lange im wichtigsten Ausschuss: dem Liftausschuss. Den Liften verdanken die Menschen hier ihren Wohlstand. Und daran soll sich nichts ändern. „Im Winter müssen wir abkassieren“, sagt Wochner, „damit ernähren wir unsere Gemeinde.“ Er ist kein Fan des Wandels.


Der Mann, der die Dinge anders machen will – Feldbergs Bürgermeister Johannes Albrecht


Grüne Wiesen und Almdudler locken auch im Sommer Touristen an, die lassen aber weniger Geld da als Skifahrer

Veränderung? Ein Horrorszenario

Der neue Bürgermeister Johannes Albrecht dagegen spricht unangenehme Wahrheiten aus: Der Winter wird seit Jahren immer wärmer, in Gebieten unterhalb von 1500 Metern Höhe fällt immer weniger Schnee. Die Tage, an denen am Feldberg die Skilifte laufen, nehmen ab, denn der Feldberg ist zwar die höchste Erhebung des deutschen Mittelgebirges, aber eben nur 1493 Meter hoch. Albrecht will zwar 40 Millionen Euro in neue Lifte und Schneekanonen investieren. Doch er deutet auch immer wieder an, dass es grundlegende Änderungen im Tourismus brauche. Vor allem solle der nachhaltiger werden.

Albrechts Raunen von einer kommenden Veränderung empfinden viele Dorfbewohner als Horrorszenario: Woher sollen in ein paar Jahren die Einnahmen kommen? Noch ist im Ort nichts passiert – und doch fordert ein Bürgerforum mit Walter Wochner an der Spitze schon den neuen Bürgermeister auf, er solle zu der „über viele Jahre entwickelten und sehr erfolgreichen Politik“ zurückkehren.

Jahrzehntelang ging es in Feldberg wirtschaftlich steil bergauf. Zumindest für die Gastronominnen, Hoteliers, Skiverleiher und wer sonst noch an den bis zu einer halben Million Schneetouristen verdiente, die in der Wintersaison kamen. Während die Privatwirtschaft Kasse machte, schlitterte die Kommune – wie viele Gemeinden in touristischen Zentren – immer tiefer in den Schuldenkeller. Das Parkhaus an der Talstation muss sie jedes Jahr mit einer sechsstelligen Summe bezuschussen, für die Sanierung der Straßen sind bis zu zwanzig Millionen Euro und für die der Wasserleitungen zwölf Millionen Euro nötig. Mit öffentlichem Geld wurde die Infrastruktur von Feldberg zu Deutschlands größtem Skigebiet ausgebaut. Zwölf Millionen Euro Schulden hat die Gemeinde inzwischen, das ist pro Kopf der zweithöchste Schuldenstand in ganz Baden-Württemberg.

Still vertraute man darauf, dass jedes Jahr der Schnee fällt und die Gäste kommen. Warnungen wie die vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland wurden abgeschmettert. Der hatte die Entwicklung schon vor Jahren als „zerstörerische Wachstumsspirale“ bezeichnet.

Die Erderwärmung nahm auf die Investitionen keine Rücksicht. Anhand von Daten des Deutschen Wetterdienstes ist zu sehen, dass der Februar am Feldberg in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt 1,6 Grad Celsius wärmer war als in der Zeit von 1961 bis 1990. Mit jedem Zehntelgrad steigt die Schneefallgrenze, und es sinkt die Zahl der skitauglichen Tage. Schon in dreißig Jahren, so prognostiziert das Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam, könnten nur noch die Alpen als schneesicher gelten. Laut Monika Bachinger, Professorin für Tourismus an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg, wären von den etwa 500 Skigebieten in Deutschland dann vermutlich nur noch fünf bis zehn noch rentabel. „Wintersport wird sich in den Höhenlagen des Schwarzwalds bald nicht mehr lohnen, die Region braucht mittelfristig eine Ausstiegsoption aus dem Skitourismus.“


Symbol eines Konfliktes: die Feldbergbahn

„Der führt das Dorf wie einen Konzern“

Der Bürgermeister hat zumindest die Debatte angestoßen. Seit Monaten diskutiert das 1900-Einwohner-Dorf nun über die eigene Zukunft. Jeder Zweite hat einen Job, der direkt oder indirekt am Skigebiet hängt, stellte die Sporthochschule Köln in einer Studie zur nachhaltigen Entwicklung des Sporttourismus in Feldberg bereits im Jahr 2013 fest. Es sind die großen Fragen unserer Zeit, die hier verhandelt werden. Tradition und Zukunft, Alt und Jung, Klimaschutz und Wirtschaft. Viele fragen sich besorgt: Wie wird sich der Ort verändern?

Ein paar Wochen nach dem Treffen am Berg steht Johannes Albrecht am Fenster seines Büros im Rathaus von Feldberg. Er zupft an den Geranien in einem der Töpfe. „Viel zu wenige Blüten“, sagt er. Die Blumen würde er dem Gärtner am liebsten zurückschicken, da hätte er als Manager keine Skrupel gehabt. Als Bürgermeister halten ihn seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen davon ab. Der Gärtner kommt aus dem Nachbarort.

Vor seiner Zeit als Bürgermeister war Albrecht bei Peugeot für die Fusion mit Citroën mitverantwortlich. Er kündigte, weil er näher bei seiner Mutter wohnen wollte, die in seinem Heimatort im Schwarzwald einen Schlaganfall erlitten hatte. Der liegt nur ein paar Kilometer von Feldberg entfernt. Als sie dort einen neuen Bürgermeister suchten, bewarb er sich und gewann als Parteiloser im zweiten Wahlgang mit 67,1 Prozent der Stimmen.

Schon bald danach stellte Albrecht in Jahrzehnten entstandene Traditionen infrage. Einen Vorgeschmack gab er, als er für viele überraschend einen Vertrag des Skigebiets mit der Hochschwarzwald Tourismus GmbH kündigte. Mit deren Kundenkarte konnten Feriengäste, die zwei Nächte oder länger im Hochschwarzwald übernachteten, ohne Aufpreis die Feldberglifte nutzen. Ein Tages-Ticket für Erwachsene kostet sonst rund 40 Euro. Albrecht hatte sich die Zahlen angeschaut, gesehen, dass zuletzt mehr als 40 Prozent der Skifahrer mit der Kundenkarte fuhren, und beschlossen, dass das ein schlechtes Geschäft sei. Nach Jahren endete die Zusammenarbeit mit einem Knall. Der Geschäftsführer der Tourismus GmbH sprach von einem „schwarzen Tag für den Hochschwarzwald“.

Welche Folgen diese Entscheidung hatte, lässt sich bislang noch nicht sagen, denn dann kam die Corona-Pandemie, und die Lifte standen still. Johannes Albrecht blieb bei seiner Entscheidung und schlug mehrere Angebote der Tourismus GmbH aus, den Vertrag neu zu schreiben und die Karten etwas weniger vergünstigt zu verteilen. „Der führt das Dorf wie einen Konzern“, sagt Katrin Eggert, die ebenfalls in dem Bürgerforum aktiv ist und selbst bei einem Konzern arbeitet.

Doch in einem Großunternehmen gelten andere Regeln als in einem Rathaus. Im Konzern entscheiden letztlich die Geschäftsführer, wie ihr Produkt wettbewerbsfähig bleiben soll. Sie betrachten es im Detail, vergleichen es mit der Konkurrenz, sie feilen an neuen Konzepten und schauen, wo sie sparen können. Dann überlegen sie, was sich ändern soll. Erst ganz am Ende teilen sie das der Belegschaft und der Öffentlichkeit mit.

In einer Gemeinde läuft es andersherum: Sie muss frühzeitig über Planungen informieren, und Veränderung gelingt in der Regel nur, wenn die entscheidenden Leute mitziehen.

Im Hochschwarzwald fühlten sich Hunderte Hoteliers und Vermieterinnen von Albrechts Entscheidung überrumpelt. Für sie war die kostenlose Nutzung der Skilifte ein überzeugendes Marketinginstrument. Nun sahen sie ihr Geschäft in Gefahr. Auch die Bürgermeister der Nachbarorte kritisierten Albrecht. In einem offenen Brief nannten sie sein Verhalten destruktiv, und die Lokalzeitung titelte: „Gemeinde Feldberg möchte keinen Massentourismus mehr.“

Albrecht hatte mit einem solchen Widerstand nicht gerechnet. Er wolle „Klasse statt Masse“, wiederholte er beständig. Feldberg stelle er sich in 20 Jahren als eine Gemeinde mit naturnahem Tourismus vor, in der Einheimische gern leben und Gäste gern ihren Urlaub verbringen. Wertschätzung ist ein Wort, das er oft benutzt. Bei den Ferienwohnungen will er die Qualitätsunterschiede zwischen den besten und den schlechtesten Angeboten verringern. Konkret sind all diese Vorstellungen nicht.

Walter Wochner, der Widerständler, steigt in sein Auto und biegt von der Talstation ab zu einer Runde um den Berg. Er fährt zu der Alm hinauf, auf der er aufwuchs, über deren Dach er im Winter mit den Skiern bretterte. Zu dem Wandersteig, den er seit Jahrzehnten pflegt und der inzwischen seinen Namen trägt. Er kann kaum einen Satz beenden, ohne den nächsten schon zu beginnen. Zu jedem Teich, zu jeder Kreuzung und zu jedem Haus hat er eine Geschichte zu erzählen.


Eigentlich mit Weitsicht: die Bergstation der Feldbergbahn

Das Lebenswerk in Gefahr

An einer Weide hinter seinem Haus lässt er das Auto ausrollen. Außer dem Muhen der Kühe ist es ruhig. Manchmal kommt Wochner zum Sonnenuntergang her und schaut ins Tal. Wenn er über Johannes Albrecht spricht, kneift er die Augen zusammen. „Der Albrecht bekämpft den Tourismus“, sagt er. Am Feldberg solle es vorwärts gehen und nicht rückwärts. Klar müsse man sich der Zeit anpassen, aber Strukturen ändere man eben nicht innerhalb von einem Jahr, sondern in einer ganzen Generation. Und eines sei klar: Sanfter Tourismus, der funktioniere hier nicht.

Walter Wochner steht für die Generation, die den Feldberg zu dem gemacht hat, was er heute ist. Er sieht sein Lebenswerk in Gefahr.

Heute ist Feldberg ein Ort, in dem jedes Jahr Hunderttausende Menschen Urlaub machen. 2019 verzeichnete die Gemeinde etwas mehr als 702 000 Übernachtungen, im folgenden Jahr waren es 30 Prozent weniger, auch wegen Corona. Die Übernachtungsgäste teilen sich ungefähr zur Hälfte auf Sommer und Winter auf. Dazu kommen pro Jahr anderthalb Millionen Menschen für Tagesausflüge – im Sommer zum Wandern und Mountainbiken, im Winter zum Skifahren.

Auf den Skipisten sind hauptsächlich Familien unterwegs. 95 Prozent der Liftkunden seien Anfänger oder fortgeschrittene Anfänger, sagt Johannes Albrecht. Könner ziehe es eher in die Alpen. Die meisten Gäste kommen aus der näheren Umgebung, manche aber auch aus Basel oder der Vorderpfalz.

Im Feldberger Ortsteil Falkau wohnen Dagmar und Michael Schäfer in einem Holzhaus. Sie haben es selbst gebaut. Im Eingang hängt ein Che-Guevara-Banner, und Michael Schäfer erzählt stolz, dass er der einzige »Taz«-Abonnent Feldbergs sei – das sage zumindest der Briefträger.

Für manche im Ort, darunter Walter Wochner, sind sie die „radikalen Grünen“. Michael Schäfer durchleuchtet ehrenamtlich für den Landesnaturschutzverband jeden Bebauungsplan im Hochschwarzwald auf seine Umweltbilanz. Oft bemängelt er etwas. Dagmar Schäfer hat so ziemlich alle Initiativen in Feldberg gegründet, die sich für Naturschutz einsetzen. Auf Festen werden sie oft ignoriert. „Umweltschützer“, sagen die beiden, sei hier ein Schimpfwort.

Zwar bekenne sich jeder gern zum Naturschutz, sagt Dagmar Schäfer. Doch tatsächlich werde die Umwelt eben nicht geschützt. Sie klagen über die Macht der Investoren, den Einsatz schwerer Maschinen im Wald und über einfach zu viele Gäste an manchen Orten.

Die Schäfers schätzen Johannes Albrecht für seine analytische Art, auch wenn er kein Grüner sei, sondern ein klassischer Liberaler. Nur bei seinen Plänen für das Liftgebiet – da sind sie völlig anderer Meinung.

40 Millionen Euro will Johannes Albrecht – trotz seines Mantras von Klasse statt Masse – in den kommenden Jahren investieren. In neue Lifte, in Schneekanonen und gern auch in einen Teich mit Wasser für die Beschneiung, der 20-mal so groß werden soll wie der derzeit vorhandene „Tümpel“. „Die Zeiten des Skitourismus sind doch vorbei“, sagt Michael Schäfer.

Bislang galt der Feldberg als einer der letzten Schneegaranten unter den Mittelgebirgen. Auch für die kommenden Jahre sagen die Prognosen dort zwar eher mehr als weniger Niederschlag im Winter voraus. Doch der könnte immer öfter als Regen vom Himmel fallen – und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts abnehmen.

Durch Schneekanonen könnte diese Entwicklung zumindest eine Zeit lang ausgeglichen werden, schreiben drei Klimaforscher in »Fd Snow«, einer Fachzeitschrift für den Skisport. Doch wegen der häufigeren Wetterextreme – nicht nur Kälteeinbrüche, sondern auch warm-nasse Perioden – seien die Investitionen riskant.

Johannes Albrecht kennt die Prognosen. Er fragt: „Ist es besser, wenn die Leute schon jetzt alle zum Skifahren Hunderte Kilometer in die Alpen fahren?“ Albrecht ist überzeugt, dass es diese Investition für die Skilifte und Schneekanonen noch braucht, um den Wintertourismus aufrechtzuerhalten. Mit den daraus erzielten Millioneneinnahmen will er den Übergang zu einem nachhaltigeren Ganzjahrestourismus finanzieren, etwa mit barrierefreien Liften für Sommergäste. Die Argumentation erinnert ein wenig an Automananager, die heute möglichst viele SUV verkaufen wollen, um damit die E-Mobile von morgen zu finanzieren.

Eine solche Haltung ist auch am Feldberg verständlich, denn noch ist völlig unklar, wie man mit Wanderern genauso viel Geld verdient wie mit Skifahrerinnen. Wintergäste lassen im Schnitt dreimal so viel Geld im Schwarzwald wie Sommergäste. Sie leihen sich Schuhe und Stöcke aus, buchen Skikurse und kehren öfter ein. Kein Wunder, dass man das Geschäft noch mal pushen will, solange es möglich ist.

Die Tourismus-Forscherin Monika Bachinger sagt, es seien in kürzester Zeit große Veränderungen notwendig, um attraktive Angebote für Sommergäste zu schaffen. In Baiersbronn im Nordschwarzwald etwa verbindet man Sternegastronomie mit Mountainbike-Touren. In Bad Peterstal-Griesbach hat die Gemeinde über Jahre hinweg ein Genusswandernetz aufgebaut. Im Allgäu gibt es Skigebiete, die inzwischen genauso viele Liftkarten an Winterwanderer verkaufen wie an Skifahrerinnen. Das hätte im Schwarzwald auch Potenzial, sagt Bachinger, vor allem weil es dafür nicht so viel Schnee braucht.


Die Umweltschützer Dagmar und Michael Schäfer vor ihrem Haus


Schneekanonen am Fuß des Feldbergs

Ideen auf der Papier-Tischdecke

Auf einem Gemälde im großen Saal des Feldberger Feuerwehrhauses sieht man einen Teil des Dorfes von oben. Die Ansicht muss ein paar Jahrzehnte alt sein. Es sind darauf nur ein paar Häuschen zu sehen, die Kirche und viel, viel Grün.

Vor dem Gemälde sitzen an einem Juli-Abend 35 Menschen und versuchen, die Zahlen in einer Tabelle zu entziffern, die Johannes Albrecht mit einem Beamer an die Wand strahlt. Der Bürgermeister will die Leute mitnehmen auf die Reise. Will ihnen die Angst nehmen vor Veränderungen. Es geht um die Zukunft des Tourismus. Der Gemeinderat hatte zuvor beschlossen, dass sich Bürgerinnen und Bürger mit dem Gemeinderat künftig regelmäßig in einem Ausschuss austauschen sollen.

Albrecht spricht wieder von qualitativen Unterkünften und einem breit gefächerten Angebot für die Gäste. Manchmal verfällt er in Business-Jargon, dann redet er von Sinus-Milieus, Performern und Privacy. Alle Wichtigen sind da: die Hoteliers, Skiverleiher, auch Walter Wochner. Es könnte die große Versöhnung sein. Ein Nachmittag, der den Aufbruch einläutet, bei dem Ideen zusammenkommen, wie man mit weniger Schnee auskommt und trotzdem den Wohlstand im Ort behält. Doch daraus wird nichts. Nicht an diesem Nachmittag.

„Wer den Tourismus nicht will, der sollte auswandern“, sagt ein Hotelier. „Im Winter muss es knallen“, ruft ein anderer, als läge der Feldberg gleich neben Ischgl. Eine Vermieterin sagt: „Die Natur ist unser Kapital. Wir sollten nicht den Ast absägen, auf dem wir sitzen.“ Die meisten finden aber, das Miteinander von Natur und Mensch funktioniere doch ganz gut.

Alle Ideen darf man mit bunten Stiften auf die Papier-Tischdecke schreiben. Am Abend steht dort: „Sommerangebote erweitern“, „Alternativen im Winter für schlechtes Wetter“, „Belebung durch Cafés“. Konkrete Vorschläge, wie man mehr Geld mit den Sommertouristen verdienen könnte, fehlen. Dafür steht da eine Frage, die eigentlich eine Antwort ist: „Warum wird gefragt, wohin wir wollen, ist das, wo wir waren, denn so schlecht?“

Nachdem die meisten gegangen sind, steht Johannes Albrecht vor dem Rolltor des Feuerwehrhauses. Er ist unzufrieden mit den Ergebnissen, gesteht er später. Nichts Konkretes, keine Aufbruchstimmung. Dabei sei die Zukunft Feldbergs doch eine „gmahde Wiesn“, etwas, das nicht schiefgehen kann. Eigentlich. ---

Der Feldberg war einst ein Gletscher, überzogen von einer Eiskappe, die sich bis zu 25 Kilometer weit ins Tal streckte. Das Eis verschwand mit dem Ende der jüngsten Kaltzeit, vor gut 10 000 Jahren. Fichten breiteten sich bis auf den Gipfel aus, von wo aus man die Vogesen sieht, das Jura und an guten Tagen die Zugspitze. Sein kahles Gesicht bekam der Berg vor etwa 100 Jahren: Bauern begannen, die Hänge abzuholzen, sie brauchten Platz für ihre Kühe.

Skisport entwickelte sich im Schwarzwald von 1891 an. Da bestieg im Winter ein Mann den Feldberg, an den Füßen trug er zwei Holzlatten. Norwegische Schneeschuhe nannte er sie im Gästebuch des Feldberger Hofs, damals und heute das größte Hotel am Berg. Der Mann hieß Robert Pilet, und seine Tour gilt als der erste Skilauf in Mitteleuropa.

Heute liegt der Berg in einem Naturschutzgebiet von mehr als 4000 Hektar Größe – mittendrin die Piste am Feldberg. In den Sechzigerjahren einigte man sich darauf, dass hier die Regeln des Naturschutzes in Teilen ausgesetzt werden. Fünf Lifte stehen allein auf der Hauptabfahrt, fast drei Dutzend weitere im Rest des Skigebiets.