40 Tonnen Ketchup? Nehmen wir!
Ein ehemaliger Yahoo-Mitarbeiter will gegen Lebensmittelverschwendung vorgehen und überschüssige Ware mithilfe einer Plattform umverteilen.
• In der Lebensmittelindustrie gehört die Überproduktion dazu: Damit die Regale nie leer sind, produziert jeder Hersteller immer ein bisschen zu viel. Vom Bauern über die Konzerne, die Transporteure, den Großhandel bis zum Einzelhändler und zum Konsumenten: Alle werfen Lebensmittel weg: 1,6 Milliarden Tonnen jährlich, und zwölf Millionen allein in Deutschland. Diese Verschwendung ist laut Weltklimarat für acht bis zehn Prozent der menschengemachten Treibhausgase verantwortlich – das Vierfache des gesamten Flugverkehrs.
Alexander Piutti, 52, möchte das ändern. Der Rheinländer lebte als Schüler drei Jahre in Hongkong, studierte Elektrotechnik in Düsseldorf, Programmieren in Virginia, Entrepreneurship in Philadelphia und hatte eine Führungsposition bei Yahoo in London. Eine Krebsdiagnose – die sich später als falsch erwies – stürzte ihn im Sommer 2015 in eine Sinnkrise.
„Ich habe mich mit vielen Anti-Verschwendungsaktivisten unterhalten – die waren das genaue Gegenteil von mir“, sagt der Techie, der bis dahin immer nur an Wachstum gedacht hatte. „Ich fand heraus, dass es für Lebensmittel keinen echten Sekundärmarkt gibt. Um den Überschuss kümmern sich primär nur ehrenamtliche Helfer.“
Piutti hat deshalb eine Plattform entwickelt, auf der überschüssige Lebensmittel umverteilt werden. Er spricht alle Beteiligten der Lieferkette an und bittet sie, Überhänge zu melden. Piutti holt diese dann ab. Die Bauern werden am Umsatz beteiligt, der Handel spart Entsorgungskosten in beträchtlicher Höhe.
Das alles muss schnell gehen, denn das Mindesthaltbarkeitsdatum sitzt Piutti stets im Nacken. Und er verspricht, alles zu akzeptieren, was ihm angeboten wird: 50 Kästen Bier, 40 Tonnen Ketchup, 3 Tonnen Fleisch? „Nehmen wir.“
Dank Mustererkennung soll seine Software vorhersagen, wann viele Lebensmittel zur Verfügung stehen. Daten über besondere Ereignisse oder Wetterbedingungen fließen mit ein. Fällt ein Sport-Event aus, trinken Leute weniger Bier. Ist das Wetter mies, wird weniger gegrillt.
Ein Teil der Ware geht an wohltätige Organisationen wie die Arche und SOS Kinderdorf. Andere Lebensmittel will er weiterverarbeiten. „Aus Fleisch möchte ich Buletten machen, aus Osterhasen Schokoladen-Eis für den Sommer.“ Den Dingen ein „zweites Leben“ einhauchen, nennt Piutti das – mit längerer Haltbarkeit. Die Waren sollen an Konsumenten und Unternehmen, die mit ihrem Konsum etwas Gutes tun wollen, verkauft werden und so das Geschäft finanzieren.
Im Frühjahr 2019 begann die Testphase in Berlin, im März 2020 gründete Piutti sein Start-up SPRK. Die Corona-Pandemie war für sein Vorhaben förderlich. „Die Lieferketten gerieten ins Stocken, die Warenlager waren voll.“ Zwei- bis dreimal pro Woche fährt er seitdem zu einem Einzelhandelslager und zwei Lagern von Großhändlern am Stadtrand von Berlin. 30 Tonnen Lebensmittel hat er nach eigenen Angaben bereits an die Arche weitergereicht. Dazu kooperiert er mit einem großen Berliner Caterer und darf dessen Kühlflächen nutzen. Weitere Städte sollen bald folgen. ---
SPRK global GmbH
Alexander Piutti
Kontakt: [email protected]
www.sprk.global
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Zusammenrücken, trotz gebotener Distanz – das war das Thema des Jahres 2020. Und es scheint, als habe das Marketing vieler Unternehmen dieses Gebot in ganz eigener Form übersetzt. Nie war mehr Liebe, mehr Nähe, mehr Aufforderung zum Zusammenhalt: Eine Pandemie bedroht die Gesellschaft? Wir, die Wirtschaft und ihre Marken, kämpfen mit euch dagegen an.