Playstation 5

Die Playstation 5 von Sony ist seit Erscheinen permanent ausverkauft. Wie unser Autor sich ein halbes Jahr lang um ein Massenprodukt bemühte.





• Ich stehe auf dem Bahnsteig, als sich mein Leben zum Besseren wendet. Nach Monaten der Suche bin ich endlich am Ziel. Die S-Bahn fährt ein, und gleichzeitig brummt mein Smartphone. „WK bei MM geht wieder!!!“, lautet die kryptische Botschaft. Geschrieben hat sie jemand namens „WhoAmI“. Ich weiß sofort, was ich zu tun habe. Die Website von Mediamarkt (MM) öffnen. In den Warenkorb (WK) schauen. Schnell zur Kasse. Bestätigen, bestätigen, tipptippschnell, jetzt um Himmels willen keine Zeit verlieren. Das Laderädchen dreht sich. Dann die Nachricht, auf die ich so lange gewartet habe: Danke für Ihre Bestellung! Ich habe es geschafft. Endlich. Ich darf Geld bezahlen, um ein Produkt zu kaufen. Eigentlich nichts Besonderes. Es sei denn, es handelt sich um eine Playstation 5. Die S-Bahn ist inzwischen ohne mich abgefahren. Aber das ist mir in diesem Moment des Triumphs egal.

Im November 2020 erschien die aktuelle Version der Spielekonsole Playstation von Sony. Gemeinsam mit der X-Box von Microsoft dominiert die Reihe seit Jahrzehnten den Gaming-Markt. Der Vorgänger, abgekürzt PS4, war sieben Jahre zuvor auf den Markt gekommen und hat sich millionenfach verkauft. Die PS5 wurde mit Spannung erwartet – und war sofort ausverkauft. Ich dachte mir anfangs nicht viel dabei. Die Nachfrage war groß, schließlich stand Weihnachten bevor. Anfang 2021 würde es sicher genug Geräte für alle geben, sagte ich mir. Doch dem war nicht so. Weder die großen Händler wie Amazon oder Saturn noch auf Spiele und Zubehör spezialisierte Ketten wie Gamestop oder der Webshop von Sony selbst konnten dauerhaft liefern. Die seltenen „Drops“ – also punktuelle Verfügbarkeiten kleiner Stückzahlen – waren binnen Sekunden verkauft. Meist hörte man nur gerüchteweise davon, dass Nachschub gesichtet worden sei. Die weißen, futuristisch geschwungenen Konsolen bekamen die Aura von Fabelwesen.

Es gibt Waren, die knapp sind. Der Kunstmarkt lebt von der künstlichen Verknappung. Kommen limitierte Turnschuh-Editionen besonders angesagter Marken in die Läden, bilden sich oft schon am Vorabend Schlangen. Lamborghini baut nicht mehr als 8000 seiner begehrten Sportwagen pro Jahr. Basta. Doch die PS5 ist kein Luxusprodukt. Sie ist nicht limitiert und kein Kunstwerk. Und wir leben auch nicht in der Planwirtschaft, sondern im Kapitalismus. Mit all seinen angenehmen und schlimmen Seiten. Einer der Vorteile sollte eigentlich ein funktionierender Markt sein, der so ziemlich alles regelt. Wo große Nachfrage, so die Logik, da gute Verdienstmöglichkeiten. Und somit ein wachsendes Angebot. Zwar können bei der Playstation aufgrund von Lizenzen keine anderen Hersteller mitmischen – aber würde Sony die Produktion ankurbeln, ließe sich bei dem vorherrschenden Interesse der Umsatz massiv steigern.

Corona, Donald Trump und die Kryptowährungen

Als jedoch auch im Frühjahr 2021 immer noch alle Zeichen auf „ausverkauft“ stehen, beginne ich, mich für die Ursachen der anhaltenden Knappheit zu interessieren. Und stoße auf mehrere Gründe: Zum einen ist da die immens gestiegene Nachfrage aufgrund der Pandemie. Videospiele sind zudem keine nerdige Nische mehr, sondern ein Massenprodukt. Die Konsole ist also nicht allein deshalb ausverkauft, weil Sony zu wenig herstellt, sondern weil zu viele Menschen eine haben möchten. Angesichts der im Lockdown-Winter überschaubaren Alternativen war es kein Wunder, dass sich von November 2020 bis Juli 2021 mit zehn Millionen Exemplaren eine beachtliche Zahl von Konsolen verkauften.

Doch warum stellt Sony nicht einfach mehr her? Das Problem sind die Chips, offiziell Halbleiter genannt. Zahlreiche Hersteller leiden unter einer andauernden Knappheit, die nicht nur Computerhersteller trifft. Der Autohersteller Daimler zum Beispiel musste zeitweise die Produktion unterbrechen und Tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Sony scheint von der Halbleiterflaute besonders hart getroffen zu sein. Die Chips in der PS5 werden von der US-Firma Advanced Micro Devices (AMD) entwickelt. Hergestellt werden sie jedoch von Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC), dem größten Chip-Hersteller der Welt. Sony konkurriert deshalb mit zahlreichen Computer-, Smartphone- und Fernsehgeräteherstellern von Apple bis Qualcomm, die alle eine steigende Nachfrage durch Corona verzeichneten. Weitere Konkurrenten um die begehrten TSMC-Chips sind Firmen wie Bitmain oder Canaan Creative, die leistungsstarke Rechner an Miner verkaufen, die damit Kryptowährungen wie Bitcoin schürfen (siehe auch Interview mit Michael Seemann: „Ich würde nicht in Kryptowährungen investieren“, S. 70). Die Bitcoin-Bros ruinieren also nicht nur das Klima, sondern auch mein Privatleben. Herzlichen Dank.

Ein weiterer großer Halbleiter-Produzent, die chinesische Firma SMIC, die TSMC in der Produktion entlasten könnte, wurde im Herbst 2020 von der US-Regierung unter Donald Trump auf eine schwarze Liste gesetzt. Geschäftsbeziehungen sind nur noch mit spezieller Erlaubnis möglich. Dass die weltweiten Lieferketten sich in den vergangenen Monaten doppelt und dreifach verknotet hatten, dass Container knapp waren und sich vor den Verladehäfen Staus bildeten, half Sony vermutlich ebenfalls nicht, die Liefermengen zu erhöhen.

Der Bot, der schneller kauft als sein Schatten

Das Coronavirus, Donald Trump, Crypto-Miner und zu guter Letzt auch noch Logistik-Albträume wie das quer stehende Frachtschiff im Suez-Kanal: Fast alle globalen Entwicklungen der vergangenen Zeit scheinen sich gegen mich verschworen zu haben. Mit meiner bisherigen Strategie, alle paar Tage einige Onlineshops durchzuklicken, komme ich nicht weiter, entscheide ich im März. Ich höre von Twitter-Bots, die Verfügbarkeiten von Konsolen bei verschiedenen Händlern melden. Ich folge zweien davon und erlaube ihnen, was ich sonst nur meiner Frau und dem Onlinebanking zugestehe: mir Benachrichtigungen auf mein Telefon zu schicken. Doch auch wenn in den nächsten Tagen immer wieder Meldungen kommen, wo die Konsole zu haben sei und ich sofort reagiere: Ich bin immer zu langsam.

Wie kann das sein? Ich lerne, dass es nicht nur Bots gibt, die Leute wie mich auf Verfügbarkeiten aufmerksam machen. Sondern auch Bots, die selbst zuschlagen. Diese Programme scannen sekündlich Tausende von Onlineshops, und falls eine PS5 verfügbar ist, wird diese automatisiert gekauft, schneller, als ich dies je könnte. Die Betreiber dieser Bots haben oft mehrere Kundenkonten bei den verschiedenen Shops mit Kreditkartendaten ausgestattet. Einer dieser sogenannten Scalper, die vor der Pandemie vor allem den Markt für besonders gesuchte Konzert-Tickets leer kauften, prahlte damit, an einem einzigen Tag 2000 Konsolen ergattert zu haben.

Die meisten davon dürften auf dem Schwarzmarkt landen. Also regelt der Markt am Ende doch alles – über den Preis. Wer mehr zahlt, kann jederzeit eine Konsole bei Privatverkäufern auf Ebay kaufen. Anfangs betrugen die Schwarzmarktpreise das Dreifache, inzwischen sind sie beim Anderthalbfachen der 400 Euro, die die Konsole offiziell mindestens kostet, angekommen. Solange es Geld zu verdienen gibt, sorgen die Geschäftemacher für zusätzlichen Andrang bei den offiziellen Händlern.

Ein anderes Geschäftsmodell nutzen die Twitter-Bots, deren Hinweisen ich folge: Teilen sie beispielsweise ein Amazon-Angebot der PS5, erhalten sie beim Kauf eine Provision, oft auch für alle anderen Einkäufe, die ich binnen 24 Stunden im entsprechenden Shop tätige. Sie verdienen also auch, wenn ich mir aus Frust nur neue Kopfhörer in den Einkaufswagen lege.

Hilfe aus der Community

Zeit für die nächste Eskalationsstufe: Auf der Chat-Plattform Discord, die überwiegend von Gamern genutzt wird, finden sich dezidierte Chat-Gruppen (bei Discord „Server“ genannt), in denen es nur um PS5-Verfügbarkeiten geht. Außerdem werden Tipps weitergegeben: Bei welchen Shops lohnt es sich, eine PS5 auf der Wunschliste zu speichern, weil man von dieser aus im Ernstfall schneller bestellen kann? Welche Seiten sollte man sich merken, um schnell darauf zugreifen zu können? Die Links sind, soweit ich das beurteilen kann, keine Affiliate-Links, also nicht mit Provision verbunden. Meist wird nur der Name des Shops gepostet, der gerade Konsolen anbietet. Gefolgt von einem aufmunternden „Go! Go! Go!“ oder „F5, F5, F5“ – die Taste, mit der sich beim PC die aktuelle Website neu laden lässt. Sie ist die stärkste Waffe im Kampf um eine PS5. Inzwischen ist es Mai, und ich kann immerhin ab und zu eine Konsole in meinen Warenkorb legen. An der Kasse bin ich dann aber stets zu langsam.

Sonys Finanzchef Hiroki Totoki mahnte jüngst: „Ich glaube nicht, dass sich die Nachfrage in diesem Jahr beruhigen wird. Und selbst wenn wir im nächsten Jahr viel mehr produzieren würden, könnten wir nicht mit der Nachfrage Schritt halten.“ Auch Jim Ryan, der Vorstandsvorsitzende von Sony International Entertainment, sagt, das Unternehmen verkaufe zwar mehr Exemplare der PS5 als von allen vorigen Versionen, werde aber des Andrangs trotzdem nicht Herr: „Die Konsolen sind innerhalb von Sekunden ausverkauft. So etwas habe ich noch nie gesehen.“

Ich auch nicht. Und ich beginne zu zweifeln, dass ich jemals erfolgreich sein werde. Doch am 14. Juni ist es schließlich so weit. Da ich von einem früheren „Drop“ noch eine PS5 in meinem Warenkorb bei Mediamarkt habe, hilft mir die kryptische Discord-Nachricht „WK bei MM geht wieder!“, endlich allen anderen den entscheidenden Schritt voraus zu sein.

Ganz sicher fühle ich mich dennoch nicht: Zwei Tage verharrt die Bestellung im Status „in Bearbeitung“. Dann kommt die Bestätigung. Die Konsole, auf die ich nun ein halbes Jahr hingearbeitet habe, ist endlich bereit. Als ich die Filiale betrete, erwarte ich einen Sekt-Empfang oder ein kleines Feuerwerk zu meinem Sieg, stattdessen schiebt mir die Mitarbeiterin den reser- vierten Karton desinteressiert über den Tresen. „Tragetasche kos- tet 30 Cent.“ Immerhin muss ich um die nicht kämpfen. ---

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