Naturschutz Krüger-Nationalpark

In Südafrika fehlen wegen des Lockdowns die Safari-Touristen. Und ein bislang bewährtes Geschäftsprinzip gerät an seine Grenzen – dass Nashörner oder Löwen ihren Schutz quasi selbst finanzieren. Eine Reportage aus menschenleeren Wildtierparks.




• Südafrikas schönsten Flecken hat sich John Hume nicht gerade ausgesucht, aber auf Schönheit kommt es ihm nicht an. Seine Farm liegt wenige Kilometer außerhalb des tristen Minenstädtchens Klerksdorp, das Land hier ist flach und trocken wie ein Knäckebrot, nur wenige Bäume und Büsche lockern die braunen Grasflächen auf. Dafür ist der Zaun um das 80 Quadratkilometer große Gelände verblüffend hoch und alle hundert Meter mit einer Infrarotkamera bestückt. Auch am Tor hängt ein solches nachttaugliches Gerät, hier haben sich Besucher telefonisch anzumelden. Dann schiebt sich die eiserne Pforte zurück und gibt den Blick frei auf die ersten zwei Nashörner – auf dem Weg zum Farmhaus werden noch ganze Herden an Dickhäutern zu sehen sein. Denn John Hume hält Nashörner wie andere Landwirte Kühe: Mit mehr als 1800 Exemplaren ist er der weltweit größte Rhinozeros-Farmer.

Nach kurzer Fahrt stoßen wir auf drei Geländewagen, die einem Nashorn nachjagen. Eine Frau, die sich später als Tierärztin Michelle Otto vorstellen wird, feuert aus dem ersten Jeep mit ihrem Gewehr einen Betäubungspfeil ab, der im Hinterteil des Dickhäuters stecken bleibt. Der Nashornbulle schreckt kurz auf, läuft ein paar Schritte, torkelt und bleibt schließlich wie angewurzelt stehen. Jetzt eilen aus den beiden anderen Wagen mehrere Helfer herbei, verbinden dem Tier die Augen und schubsen es mit vereinten Kräften um. Einer nimmt die Maße des archaisch anmutenden Wesens, ein anderer steckt ihm ein Thermometer in den Po, ein Dritter macht sich mit einer Stichsäge an seinem Nasenfortsatz zu schaffen. Damit das aus verdichtetem Keratin bestehende Horn beim Sägen nicht anschmort, spritzt ein Vierter während des Sägens Wasser darauf, der Fünfte fängt die Späne auf, denn jedes einzelne Gramm des Horns wiegt in Spitzenzeiten den Monatslohn eines der Helfer auf.

20 Minuten später ist die „Horn-Ernte“ abgeschlossen. Die Tierärztin Michelle Otto spritzt dem zuckenden Koloss ein Aufwachmittel unter die Haut, die Helferschar verzieht sich, und das Tier rappelt sich auf – erleichtert um sein rund zwei Kilogramm schweres Horn. Das endet fein säuberlich markiert in Humes Tresor, dessen Standort der Farmer strengstens geheim hält. Immerhin sollen dort acht Tonnen an Rhino-Hörnern gelagert sein, wofür Hume fast eine halbe Milliarden US-Dollar einstreichen könnte. Ein Kilogramm wirft auf dem Schwarzmarkt bis zu 60 000 US-Dollar ab, weil gemahlenes Rhinozeros-Horn in Asien als medizinisches Wundermittel gilt. Solche Kilopreise erzielen nicht einmal Drogenbarone oder Goldschmuggler. Mit der Horn-Ernte sind Otto und ihre Kollegen tagein, tagaus beschäftigt, bis zu zwölf Dickhäutern entfernen sie täglich ihr Charakteristikum. Das wachse nach, versichert Otto, und zwar um rund zehn Zentimeter im Jahr.

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