Menschenbilder
Selbstständige Arbeit ist die Normalarbeitsform der Wissensgesellschaft.

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Gartenzwerge
Es war einmal ein Land, das wurde geeint und groß durch Fabriken und Schichtarbeit, gründlich, ordentlich, anständig, wie sich das gehört. Stellt man sich dieses Land als kleines Haus vor, ist es blitzsauber, auf festem Grund. Es steht an einem See, und drum herum ist eine hohe Hecke. Die ist so hoch, dass niemand ins Haus hineinsehen kann. Zwischen Haus und Hecke ist ein kleiner Garten, in dem einige Blumen wachsen und – umringt von akkurat geschnittenem Rasen – eine Gruppe Gartenzwerge steht. Allen Zwergen ist zwar gemein, dass sie sich nicht bewegen, aber dennoch alle Hände voll zu tun haben.
Einer schiebt eine Schubkarre, ein anderer arbeitet mit eine Spitzhacke, ein dritter mit einer Schaufel, ein vierter schleppt zwei Eimer, ein fünfter präsentiert eine riesige Heckenschere, und ein sechster stützt sich auf den Stiel seines gewaltigen Hammers. Nur ein Zwerg steht da und guckt einfach nur in Richtung der Hecke, und manchmal zuckt sein großer Zeh, aber das merken die anderen nicht.
Dieser Zwerg heißt Willy, und er ist neugierig. Seine Mitzwerge bemerken bald, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Er fragt Sachen wie „Warum blühen Blumen?“ oder „Was ist eigentlich jenseits der hohen Hecke?“. Und er fragt seine Mitzwerge, warum sie denn ständig so angestrengt ihre Werkzeuge herzeigen, obwohl sie doch unbeweglich im Vorgarten stehen. Dann antworten die anderen, ohne ihre Lippen zu bewegen, damit ihnen keiner nachweisen kann, dass sie etwas gesagt haben: „Das verstehst du nicht! Das ist unsere Aufgabe! Wir müssen das tun. Wir haben gar keine andere Wahl.“
„Tut ihr das gerne?“, setzt Willy nach. Antwort: „Wir wollen, was wir sollen.“
Und überhaupt. Hinter der Hecke, so der Oberzwerg, der sich auf den Stiel seines Vorschlaghammers stützt, sei „nichts, rein gar nichts“.
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