Pfannenmarkt – Norbert Woll GmbH

Mein Sohn, 14, findet Bratpfannen nicht wirklich sexy. Er sagt: „Du brauchst einen krassen Anfang, sonst liest diese Geschichte kein Schwein.“ Am besten sei etwas echt Lustiges oder etwas voll Episches. Kein Problem. Beides geben die Pfannen der Firma Woll und ihr Besitzer her.




Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 12/2021.


André Woll mit seiner Mutter Ursula; vorige Seiten: kein Außerirdischer, sondern ein Lackier-Roboter, der Antihaft-Beschichtung aufträgt

• Lustig ist André Woll, 46, geschäftsführender Gesellschafter der Norbert Woll GmbH durchaus. Er holt mich am Bahnhof in Saarbrücken mit dem Auto ab, und wir fahren nach Saarwellingen, wo die Firma jeden Tag 6000 Bratpfannen produziert. Im Pfannenmarkt ist Woll zwar nicht der größte Hersteller (das ist Tefal mit 100 Millionen Pfannen pro Jahr, die Hälfte davon wird im größten Pfannenwerk der Welt im französischen Rumilly produziert), aber ein ziemlich großer, der jedes Jahr überdurchschnittlich stark wächst. Nächstes Jahr will Woll statt 1,4 Millionen Pfannen schon 1,6 Millionen herstellen und den Umsatz von 47 Millionen Euro auf mehr als 50 Millionen steigern. Auf Veranstaltungen finde trotzdem oft dieser Dialog statt:

„Was machen Sie denn so?“
„Pfannen.“
„Häh?“
„Bratpfannen!“

Woll lacht, wenn er das erzählt. Bratpfannen werden oft unterschätzt, ihre Hersteller auch. Dabei sind Pfannen das Universalgerät, um Nahrungsmittel genießbar zu machen. Sie nehmen die Energie der Wärmequelle auf, speichern sie in ihrem Metallkörper und geben sie gleichmäßig an das Bratgut ab. Durch die große Oberfläche verdunstet die Flüssigkeit schnell, und es entstehen Röstaromen.

Während man früher Eisenpfannen auf offener Flamme herstellte, sind die Bratgeräte heute Hightech-Produkte mit Magnetkern für Induktionskochfelder und diversen Antihaftschichten für fettarme Zubereitungstechniken. Wie komplex ihre Herstellung ist, werden wir gleich in der zehn Millionen Euro teuren Veredlungshalle sehen, die André Woll im Jahr 2010 gebaut hat. Hier steuern Computer und Roboter die Pfannen drei Stunden lang vollautomatisch über einen 600 Meter langen Parcours – vom Sandstrahler bis zum Runternehmer. Der Höhepunkt ist die Plasmaanlage, vor der wir jetzt stehen. Hier wird es episch, so episch es bei der Bratpfannenproduktion nur werden kann.

„20 000 Grad!“, ruft Woll vor der hitzebeständigen Schutzscheibe.
„Plasmastrahl!“
„Titan-Aluminiumoxid!“

Damit wird der Aluminiumguss der Pfannen gehärtet und hauchdünn beschichtet. Hinter der Scheibe zucken Lichtblitze in Richtung der Pfannen, die von Roboterarmen durchgereicht werden. „Sieht doch aus wie Raumschiff Enterprise, oder?“, sagt Woll stolz. Außerhalb der Scheibe hängt ein Feuerlöscher.


Die Hitze in der Gießerei muss man erst mal aushalten: Hier werden Pfannen aus Aluminium hergestellt


Schöpferische Arbeit mal anders: Mit diesen Kellen wird flüssiges Aluminium in die Formen gegossen

Wolls Eltern Ursula und Norbert gründeten die Firma in den Siebzigerjahren. Der Vater war Koch und unzufrieden mit den Pfannen, die er zur Verfügung hatte. Vor allem der Griff ging ihm auf die Nerven. Wenn er schnell mal die Pfanne vom Herd nehmen und in den Ofen schieben wollte, war der immer im Weg. Die Lösung für das Problem war simpel, und heute wundert man sich, dass die Welt auf Norbert Woll warten musste, bis der abnehmbare Pfannengriff erfunden wurde. Unterdessen ist er das Markenzeichen der Firma, aber damals musste erst einmal Überzeugungsarbeit geleistet werden.

Die Wolls reisten wie fliegende Händler von Verbrauchermesse zu Verbrauchermesse und priesen ihr Kochgeschirr an. Manchmal trennte sich das Ehepaar, um zwei Messen gleichzeitig besuchen zu können. Dann saß Norbert Woll am Steuer des einen Firmenlasters und fuhr nach Norden, während Ursula mit dem anderen in Richtung Süden unterwegs war. Der kleine André saß neben ihr.

„Mit vier“, sagt er, „kannte ich schon alle Töpfe, Pfannen und Lieferanten.“ Es gab nie einen Zweifel daran, dass er die Firma einmal übernehmen würde, weder bei ihm noch bei seiner Familie. Aber dass es bereits 1997 sein würde, das war dann schon eine Überraschung. Und keine schöne. André Woll war damals gerade 21 und an einer Business Academy im kalifornischen Berkeley, als das Telefon klingelte: „Vater ist gestorben“, sagte die Mutter. Herzinfarkt mit 57. „Komm sofort zurück.“

Ein paar Tage später saß er mit seiner Mutter zusammen und ließ sich von den Steuerberatern erklären, was die Firma wert war. Damals war sie mehr Klitsche als Vorzeigebetrieb: gerade mal 90 000 verkaufte Pfannen im Jahr, 18 Mitarbeiter, 5,9 Millionen Euro Umsatz. Ob der Bub da was draus machen könnte? Er hatte ja noch nicht mal einen Fachhochschulabschluss. Die Berater waren für Verkaufen. André Woll war für Weitermachen. Dass er sich gegen alle Zweifler durchsetzen konnte, war sein erster Erfolg. Die Berater hatten ihn unterschätzt, und sie sollten nicht die Letzten sein, die diesen Fehler machten. Woll fährt immer noch gut damit, sein Licht unter den Scheffel zu stellen und dann aus dem Nichts aufzutauchen und sein Ding zu drehen. Er ist das, was man einen stillen Star nennt.

„Ich übernahm damals Einkauf und Vertrieb“, sagt Woll, „Mama das Controlling.“ Das macht sie heute noch von ihrem schicken Büro im neuen Hauptsitz in Saarbrücken aus, voll verglast, Designer-Möbel, Laptop auf dem Tisch, der betagte Dackel darunter. „Davon hätte ich damals noch nicht mal geträumt“, sagt sie, „als ich mit unserem Laster durch die Lande gefahren bin.“

André Woll musste erst noch seinen Zivildienst absolvieren, in der Krankenpflege, dann fuhr er auf Akquise nach Skandinavien, neue Märkte erobern, ein Jüngelchen aus dem Saarland. „Gar nicht so einfach, die Leute dort zu überzeugen, dass wir besser sind als der Wettbewerb“, sagt Woll. Heute ist Skandinavien einer der wichtigsten Märkte, mit Norwegen an der Spitze. Dort verkauft die Firma in Relation zur Einwohnerzahl mehr Pfannen als sonst irgendwo auf der Welt.

Der nächste Schachzug des jungen Firmeninhabers war das Teleshopping. Warum sich auf Messen herumtreiben, wenn das Fernsehen ohnehin schon bei allen potenziellen Kunden zu Hause ist, die sich für Koch- und Backgeschirr interessieren? „Mein Vater hätte das nie gemacht“, sagt der Unternehmer, „Pfannen im TV verkaufen. Er wollte den persönlichen Kontakt zu den Leuten. Aber meine Aufgabe war es ja nicht, das Lebenswerk meines Vaters zu konservieren, sondern es weiterzuführen.“

Zuerst brachte Woll seine Produkte beim Chanel 21 unter, jetzt ist er beim Platzhirsch QVC, die Pfannen laufen da wie geschmiert. Leider sind sie so robust, dass man sie nicht so oft nachkaufen muss wie die Billigprodukte im Aktionsbereich der Discounter. Die stellt man ein paarmal auf den Herd, heizt auf 300 Grad Celsius, bis das Öl qualmt – und schon sind sie so verzogen, dass sie nie wieder plan auf der Platte stehen. Die Firma Woll wirbt damit, dass ihre beschichteten Qualitätspfannen es locker 2500 Stunden auf dem Herd aushalten (das sind sieben Jahre, wenn man sie jeden Tag etwa eine Stunde benutzt), vorausgesetzt man kratzt nicht mit Metallbesteck darin herum und steckt sie immer mal wieder in die Spülmaschine (ja, nur gusseiserne Pfannen müssen Patina ansetzen und dürfen niemals mit Spülmittel in Kontakt kommen).

Bestmögliche Qualität, das war übrigens eine der vier Grundsatzentscheidungen, die Woll treffen musste, nachdem er plötzlich der Boss war:


Fertige Wok-Pfannen in Saarwellingen: Die Firma liefert auch nach China


Präzision: Ein Mitarbeiter positioniert eine Pfanne für den finalen Schliff auf dem automatischen Fließband

Klingt wie ein Marketingspruch, aber Woll meint es ernst. Seine Pfannen werden handgegossen aus recyceltem Aluminum und dann Schicht für Schicht poliert, plasmiert, lackiert und versiegelt, in einigen Modellen sogar mit hyperhartem Diamantenstaub. In den meisten Pfannentests liegen sie vorn. Dafür nimmt Woll in Kauf, dass seine Kunden nicht so oft neue Pfannen kaufen. Als Familienunternehmer denkt er langfristig.

Andere Hersteller importieren Pfannen aus Billiglohnländern. Woll gießt und verarbeitet sein Kochgeschirr im Sauerland und im Saarland. Nur die Glasdeckel kommen neuerdings aus Ungarn. Selbst Konkurrenten, die eigentlich im Ausland produzieren, lassen ihre Premiumpfannen heimlich von Woll herstellen. 100 000 Stück pro Jahr macht er für ein deutsches Unternehmen, dessen Name viel bekannter ist als Woll, aber er darf ihn nicht nennen. Schweigeverpflichtung. Auch aus China kommen Bestellungen: Gerade laufen 4000 Wok-Pfannen vom Band – Premiumware für den Fernen Osten. Vor ein paar Jahren saß er im Flieger nach Peking, Business Class, und sein Sitznachbar fragte ihn: „Was kaufen Sie denn in China?“ Woll antwortete: „Gar nichts. Ich verkaufe.“ Das verschlug dem Mann erst mal die Sprache.

Bratpfanne gegen Treuepunkte – „daran geht die Marke kaputt“, sagt Woll. Deshalb gibt es seine Pfannen (beispielsweise mit 28 Zentimeter Durchmesser) selten billiger als für 80 Euro, während andere nur 20 Euro verlangen. Das sind bei Woll gerade mal die Herstellungskosten. Im Pfannengeschäft rechnet man mit dem Faktor 4 bis zur unverbindlichen Preisempfehlung.

Woll ist ein Familienbetrieb, zahlreiche Verwandte arbeiten in der Firma, selbst der TV-Verkäufer ist ein Cousin. Der Vater hat den Betrieb gegründet, der Sohn führt ihn in die Zukunft. „Indem ich das Unternehmen in der Familie halte und weiterführe, verarbeite ich seinen Tod“, sagt er.

Das Erfolgsgeheimnis der Firma, sagt André Woll, „ist schwer zu beschreiben.“ Natürlich spiele die Qualität der Ware eine Rolle und die gute Platzierung in Tests. Aber auch die Unternehmenskultur sei wichtig. „Durch die flache Hierarchie kommen Probleme schnell auf den Tisch, werden angegangen und gelöst“, sagt er.

„Achtung, jetzt wird’s dreckig“, sagt Woll, als wir die Gießerei betreten, eine schmutzige, heiße Halle. In einer Ecke köchelt eine speziell für die Firma entwickelte Aluminiumlegierung bei 680 Grad Celsius vor sich hin. Schwitzende Gießer schöpfen mit einer Kelle eine genau definierte Menge des flüssigen Metalls in Formen, die dann in einer der drei Pressen zu Pfannen werden. Die Maschinen sind 300 Grad heiß und üben einen Druck von 650 Tonnen aus. Jede einzelne Form wird per Hand in die Presse geschoben und herausgenommen. Dazwischen wird das Werkzeug mit einem Lappen abgewischt. Harte Arbeit, für die es schwer ist, Fachleute zu finden. „Die meisten stehen gerade mal einen Tag an der Presse, dann wird es ihnen zu heiß, und sie werfen das Handtuch“, sagt Woll. Jetzt beschäftigt er in der Gießerei hauptsächlich Mitarbeiter aus der Türkei: „Die sind sehr gut ausgebildet.“ In der Pause gibt ihnen eine pensionierte Lehrerin kostenlosen Deutschunterricht.

Die Rohlinge kommen dann nebenan auf das Fließband. Computer und Roboter steuern die einzelnen Schritte: Sandstrahlen mit Edelkorund, einem fast diamantharten Aluminiumoxid, Teflonbeschichtung fixieren bei 450 Grad Celsius. An jeder Station werden die Pfannen mit Sprühnebel gesäubert. Das Wasser wird gereinigt und wieder verwendet, die Schadstoffe ausgefiltert und abtransportiert. „Das ist ein geschlossenes System“, sagt Woll, „wir haben hier gar keinen Abwasseranschluss – außer für die fünf Toiletten.“ Das ist ein Klo für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter, die in der Halle zu sehen sind. Die Anlage läuft vollautomatisch. Nur am Schluss bei der Qualitätskontrolle wird noch das menschliche Auge gebraucht.

Woll liefert sein Kochgeschirr in mehr als 60 Länder. Der größte Markt mit 50 Prozent Umsatz ist allerdings immer noch Deutschland. 40 Prozent der Pfannen werden im Einzelhandel verkauft, der Rest durch Teleshopping, Onlinehandel und den eigenen Webshop. Jeweils 15 Prozent der Produktion gehen in europäische Länder, nach Asien und Nordamerika, fünf Prozent nach Ozeanien. Das Geschäft in Russland läuft wegen der dortigen Wirtschaftslage nicht mehr gut, dafür das in Dubai super. Da werden die Pfannen auf Homepartys wie Tupperware verkauft und den Präsentatoren aus der Hand gerissen. Er wisse nicht, warum die Marke gerade dort so gehyped wird, sagt Woll.

Auch sonst gibt es länderspezifische Unterschiede: Wenn die Pfanne einen Griff aus Holz haben soll, mögen die Italiener eigentlich nur Olive, Amerikaner bevorzugen Walnuss, und in Deutschland muss es natürlich Eiche sein. Den Chinesen ist der Griff egal, die möchten nur irgendwo die Prägung „Made in Germany“ sehen.

Lunchtime bei Woll. Es gibt Salat mit kurz angebratenen Hähnchenstreifen. Low Carb, ein Sportlergericht. Woll joggt regelmäßig (sieben Kilometer), taucht unregelmäßig (45 Meter) und fährt passabel Ski. Am besten findet er die Zeit unter Wasser. „Da kann man kein Handy mitnehmen und taucht im wahrsten Sinn des Wortes ab.“ Das braucht er manchmal: weg sein, Akkus aufladen, neue Ideen entwickeln. Geht Bratpfanne auch ohne das unbeliebte Teflon? Woll experimentiert zurzeit mit Silikonbeschichtungen. Auch beim Kochgeschirr achten die Kunden immer mehr auf Nachhaltigkeit.

André Woll ist ein guter Koch. Sein Signature-Gericht ist der Sauerbraten, mindestens vier bis fünf Tage eingelegt. Aber er hat auch ein Rezept für das perfekte Steak, ein Gericht, das mir fast nie gelingt. Meine Familie lacht schon, wenn ich das Wort Steak verwende, für sie ist es ein Synonym für zäh wie Leder. Jetzt probiere ich es mal mit Wolls Empfehlung:

Fleisch mindestens fünf Stunden vor dem Braten aus dem Kühlschrank nehmen. Bei 60 Grad 20 Minuten im Ofen erwärmen. Fünf Minuten ruhen lassen, in dieser Zeit Grillpfanne ohne Fett stark erhitzen. Steak salzen und zwei bis drei Minuten auf jeder Seite anbraten. Pfanne vom Herd nehmen, in den ausgeschalteten Ofen stellen, ein paar Minuten bei Resthitze ruhen lassen. Fertig.

Funktioniert das? Ziemlich gut. Mein Sohn sagte danach: „Geht doch, das war butterweich.“ Auch wenn die Bratpfanne immer noch nicht besonders sexy ist, ein perfektes Steak ist es sehr wohl. ---

Norbert Woll GmbH
Geschäftsführender Gesellschafter: André Woll

Produzierte Pfannen: 1,4 Millionen
Umsatz: 47 Millionen Euro
Gewinn (EBIT): 5,5 Prozent
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 110

(Alle Zahlen beziehen sich auf das Geschäftsjahr 07/2020 bis 06/2021.)

Marktübersicht
Das Marktsegment, zu dem auch die Pfannenproduktion gehört, nennt sich GPK/Haushaltswaren. GPK steht für Glas, Porzellan und Keramik. Der Markt entwickelte sich zuletzt unterdurchschnittlich mit nur 2,9 Prozent Zuwachs von 2010 bis 2019 und brach im Corona-Jahr 2020 um 5 Prozent ein. Besonders schlecht geht es dem Haushaltswarenfachhandel, dort gab es teilweise zweistellige Rückgänge und Betriebsschließungen. Der Versand- und Onlinehandel dagegen stieg seit 2010 um 62,5 Prozent.

Marktvolumen GPK/Haushaltwaren 2020, in Millionen Euro: 8301
Marktvolumen GPK/Haushaltwaren 2019, in Millionen Euro: 8749
davon Koch-/ Backgeschirr / Pfannen, in Millionen Euro: 869
Durchschnittliche Pro-Kopf-Ausgabe für Koch-/ Backgeschirr / Pfannen 2019, in Euro: 10,63

(Quelle: Marketmedia 24)

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