Brillenmanufaktur Hoffmann

Günstige Immobilien und ebenso verwurzelte wie vielseitige Mitarbeiter: Ohne die besonderen Begebenheiten am Firmensitz könnte die Brillenmanufaktur Hoffmann nicht existieren. Ein Besuch in Kelberg.





• Es riecht ein wenig nach Brand und stark nach Tier. Eine Maschine fräst zentimeterdicke Platten von indischem Wasserbüffelhorn in millimeterfeine Scheibchen. Draußen ziehen sich weite Wiesen über sanft geschwungene Hügel der Vulkaneifel. Die Werkstatt der Firma Hoffmann Natural Eyewear befindet sich in Kelberg, auf halbem Weg zwischen Köln und Luxemburg. „Wenn ich aus dem Fenster schaue“, sagt der Chef Wolfgang Thelen, „sind die Kühe das Einzige, was sich bewegt.“

Die Brillenmanufaktur gehört seit dem Jahr 2000 zur Ivko Industrieprodukt Vertriebskontakt GmbH mit Sitz in Baar, 17 Kilometer von Kelberg entfernt. Thelen hat Ivko 1992 mit seiner Frau gegründet. Die Firma, die maßgeblich Brillen produziert und vertreibt, beschäftigt heute 180 Mitarbeiter. Die Hälfte arbeitet für die auf Hornbrillen spezialisierte Manufaktur Hoffmann. Sie vertreibt jährlich rund 10 000 Stück in mehr als 50 Länder. Zur Kundschaft zählen der Dalai Lama oder Elton John.

Die Firma ist eine der größeren in der kleinteiligen Branche. „In Deutschland gibt es etwa 370 relevante Anbieter von Brillenfassungen“, sagt Peter Frankenstein vom Branchenverband Spectaris. „Wenn da einer 10 bis 15 Mitarbeiter hat, ist er schon groß.“ Gemeinsam erwirtschafteten die Betriebe um die 300 Millionen Euro Umsatz. „Da bleibt für den Einzelnen nicht viel übrig, und bei den oft geringen Stückzahlen ist es schwer, Gewinn zu machen“, so Frankenstein. Nicht ohne Grund würde in Deutschland zwar viel entworfen und entwickelt, aber kaum noch gefertigt – „Handarbeit ist hierzulande schlichtweg sehr teuer“. Gefertigt würden Brillen daher hauptsächlich in Asien.

Dass das bei Hoffmann anders ist und die Firma schwarze Zahlen schreibt, hat viel mit dem Standort zu tun. Thelen hat ihn nicht bewusst ausgewählt, „das hat sich eben ergeben“. Der 50-Jährige stammt aus Nitz, einem 30-Seelen-Dorf in der Verbandsgemeinde Kelberg. Seine Vorfahren waren Bauern. Seine Frau und er gingen zunächst in die nahe gelegene Aluminium-Industrie, verkauften Profile, Stangen und Bleche.

1992 stiegen sie frustriert aus und machten mit der Ivko ihr eigenes Ding – Kinder-Aluminiumbrillen, die sie zunächst im Gartenhaus des elterlichen Hofs produzierten. Den Durchbruch schafften sie mit Lizenzprodukten, vor allem mit Janosch-Brillen, die sie andernorts fertigen ließen. Im Jahr 2000 übernahmen sie die damals kränkelnde Hornbrillenmanufaktur Hoffmann vom Schwager von Thelens Schwester, Thelen selbst hatte früher als Vertriebler für die Firma gearbeitet. Er wusste um deren Potenzial und wollte ohnehin „was für Erwachsene im Portfolio“.

2000, 800, 500, 80, 40 – so viele Einwohner zählen die Weiler, auf die sein Unternehmen verteilt ist. Industrie- und Gewerbe belegen in der Verbandsgemeinde Kelberg gerade mal 0,4 Prozent der Fläche, fast 90 Prozent sind Vegetation. Wenn in der Manufaktur in Kelberg mal ein Keilriemen an einer Schleifmaschine reißt, muss ein Mitarbeiter für Ersatz knapp 30 Kilometer in den nächsten Baumarkt nach Mayen fahren. Das klingt umständlich. Aber Thelen sagt: „Die Provinz hat eigentlich nur Vorteile.“


Der Chef: Wolfgang Thelen (links).
Das Produkt: handgefertigte Hornbrillen (rechts).


Die Firmenzentrale: ein Hof in der Gemeinde Baar

1. Das Können

Die Hornbrillen, die im Laden zwischen 690 und 1500 Euro kosten, entstehen in Handarbeit, in rund 280 einzelnen Schritten. Erst wird das Horn zu verschiedenfarbig schimmernden Plättchen geschliffen, bis zu zehn Lagen werden für bis zu 500 verschiedene Farbkombinationen miteinander verschweißt. An der Kopierfräse entsteht die grobe Fassung, bevor sie von Hand zu Hand weitergereicht und fein geschliffen wird, bis sie wirklich auf eine Nase passt und die Gläser spannungsfrei in die Nut gleiten. In der Montage hantieren die Mitarbeiter mit millimeterfeinen Schraubenziehern, und am Ende wird jede Brille mit einem weichen Tuch poliert.

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