Auflockerungsübungen

Es mal locker zu nehmen ist leicht gesagt. Aber wie nimmt man den Druck raus? Ein paar Vorschläge.





Der Filmklassiker „Wasser für Canitoga“ ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Besonders seine Schlussszene hat Geschichte geschrieben. Da singt Hans Albers in seiner Rolle als sich selbstlos aufopfernder Held eines seiner berühmtesten Lieder: „Goodbye Johnny, Goodbye Johnny / Mach’s mir nicht so schwer …“, denn, so die Moral der Ballade, „in hundert Jahren, Johnny, ist doch alles vorbei“.

Take it easy. Da ist was dran. Was Albers angesichts seines bevorstehenden Filmtodes schmettert, hat sich wahrscheinlich jeder schon mal überlegt. Lohnt sich die ganze Mühe? Soll man sich eigentlich so aufreiben und aufregen, über die Arbeit, die Firma, die Politik, die Weltläufte? Oder soll man einfach mal die Luft rauslassen, den Albers ernst nehmen und sich locker machen?

Nur nicht aufregen? Ich reg’ mich aber auf!

Und dafür gibt es mehr als einen guten Grund. Nichts kann mehr empören als der Ratschlag anderer Leute, das, was einem gerade unendlich auf den Zeiger geht, doch ein wenig lockerer zu nehmen. Die Leute machen so etwas ständig. Und es ist nicht selten Quatsch, wie man am Beispiel von „Wasser für Canitoga“ lernen kann.

Wenige Monate nach der Premiere des Films begann Deutschland den Zweiten Weltkrieg. Und als der vorbei war und für Deutschland verloren, hörte 1949 der deutsche Komponist Peter Kreuder im Radio eine Melodie, die sein Kollege Hanns Eisler soeben der Staatsführung der frisch gebackenen DDR als Nationalhymne verkauft hatte. Nur der Text hatte sich geändert: Statt „Goodbye Johnny“ hatte der Dichter und spätere DDR-Kulturminister Johannes R. Becher die Zeile „Auferstanden aus Ruinen“ gewählt, was recht heiter ist, wenn man sich das zugrunde liegende Kreativ-Recycling vor Augen hält.

Natürlich stritt Eisler das Plagiat ab – und Kreuder regte sich auf.

Das können all jene verstehen, deren Arbeit sich – natürlich unzitiert – in Präsentationen, Produkten, Dienstleistungen und Ideen anderer Leute wiederfindet. Es wird ja heutzutage und dank umfassender Vernetzung geklaut, dass sich die Balken biegen, an der Schwelle zur Wissensgesellschaft gilt geistige Urheberschaft als unanständig, während sich die Kopisten als Helden einer neuen Zeit feiern lassen – und alles zum Gemeingut erklären, ausschließlich der eigenen Einnahmen, versteht sich. Aber regt euch nicht auf, denn bald, früher noch als in hundert Jahren, ist alles vorbei, und zwar deshalb, weil das Diebesgut ausgeht – und damit auch die Hehlerei ihr Ende findet.

Habt euch nicht so? Ihr habt sie doch nicht alle.

Zwar hat der britische Öko- nom John Maynard Keynes sicher recht, der sagte: „Auf lange Sicht sind wir alle tot.“ Aber das bedeutet eben nicht, dass alles egal ist. Carpe Diem, nutze den Tag, sagten schon die alten Römer, und das gilt auch für den angewandten Materialismus. Mag sein, dass Menschen, die nie etwas anderes kennengelernt haben als überbordenden Wohlstand, es mit den Sachen anderer Leute locker nehmen. Aber es gilt: Wir haben ein Leben. Es ist überschaubar lang. Und auf lange Sicht sind wir tot.

Man soll sich nicht über alles aufregen. Sondern ganz konzentriert über das, was zählt. Die Betonung bei „Nimm nicht alles so schwer“ liegt auf „alles“. Wer sich aber gegen Dinge, die sein Leben negativ beeinflussen, nicht wehrt, lebt verkehrt. Man muss wissen, wo man den Druck rausnimmt – und wo es Sinn hat, den Kessel unter Dampf zu halten.

Das hat schon seine Richtigkeit, es ist sozusagen TÜV-geprüft. In den deutschen Ländern begann zur Mitte des 19. Jahrhunderts der Aufbruch in die industrielle Revolution, ein wenig spät und ziemlich krawallig. Der Grund dafür war, dass in den mit Dampfmaschinen betriebenen Fabriken alle Nase lang ein Kessel hochging, zerknallte, wie es in der Fachsprache heißt. Je größer und leistungsfähiger die Maschine war, desto schlimmer die Folgen für Leib und Leben – und auch den Umsatz und die Reputation der jungen deutschen Industrie. Man konnte sich nie darauf verlassen, dass eine Fabrik am anderen Tag noch stand.

Entspannung sieht anders aus. Der Grund für die Explosionen war ein ausgeprägter Schlendrian bei der Prüfung und Wartung der Kessel. Zwar gab es staatliche Kontrollen, doch die waren lasch. Die Unternehmer hatten eine einfache Wahl: Sie ließen die Lage weiterhin eskalieren – mit immer größeren Unfällen und Schäden, oder sie handelten. Eine freiwillige Dampfkesselüberwachung wurde eingeführt, der Vorläufer der späteren Technischen ÜberwachungsVereine, also des TÜV.

Auf dieser Grundlage wurden die Unfälle und Ausfallzeiten deutlich reduziert. Das war ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zur führenden Industrienation. Wo es zu viel Druck gibt und kein vernünftiges Ventil, da knallt es, das ist schlecht fürs Geschäft. Also den Druck rausnehmen, nicht gleichgültig sein.

Man kann jetzt sagen, das ist schön, aber was hat das mit uns zu tun? Hier hat keiner ein Dampfhandy! Sicher nicht?

Was den sorgfältigen Umgang mit Druck angeht, bei dem man es nicht so weit kommen lässt, bis es knallt, sondern vorher prüft, regelt und freiwillig nachjustiert, hat die digitale Wissensgesellschaft das Niveau der 1860er-Jahre noch nicht ganz erreicht. Hier knallt es ständig, unreguliert, ganz besonders in den sogenannten sozialen Medien – eine Bezeichnung, der es an feiner Ironie wahrlich nicht mangelt.

Natürlich sind Transformationszeiten immer auch nervöse Zeiten. Sie werden geprägt von Leuten, die ihr politisches Kleingeld mit den Veränderungsängsten der meisten Menschen machen – und das gilt nicht nur für die sogenannten Populisten, sondern oft genug auch für deren Kritiker, Leute jedenfalls, die davon leben, Druck unkontrolliert aufzubauen, bis es knallt, um sich danach gleich als Notärzte zu empfehlen.

Es gibt gar keine Alternative dazu als eine freiwillige Selbsthilfe, einen sozial-digitalen TÜV der Zivilgesellschaft selbst. Schauen wir in die eigenen Organisationen. In die Gesellschaft, die Medien, die Politik, ins persönliche Umfeld. Welche Aufregung war in den vergangenen Jahren ihr Geld eigentlich wert? An welche Empörung können wir uns noch erinnern? An diesem einfachen Experiment kann jeder teilnehmen. Hinsetzen, fünf Minuten überlegen und die vergangenen drei Jahre zusammenfassen. Aufschreiben und kurz begründen.

Also. Was?

(Sie haben dafür fünf Minuten Zeit.)

So, Abgabe, schauen wir mal, was dabei rauskam. Es ist anzunehmen, dass kein Blatt ganz leer ist, aber voll ist es wohl auch nur in ganz seltenen Fällen geworden. Die meisten Menschen müssen sich ganz schön anstrengen, um das, was sie so schwergenommen haben, beim Namen nennen zu können. Für das, was dann noch dasteht, gibt es gute Gründe. Es sind die Melodien, die man als seine ei-genen wiedererkennt – und darüber muss man sich auch aufregen. Aber wenn man überall ein bisschen Dampf macht, gerät der Kessel nie unter richtigen Druck. Dann bewegt sich auch nichts.

Nimm es nicht so schwer – das fängt damit an, dass man Ordnung im Kopf macht.

Was ist wichtig, was nicht?

Je mehr los ist, je mehr sich verändert, desto wichtiger wird diese Kulturtechnik des Auswählens, des Priorisierens. Wir kommen aus einer Welt der Knappheit, in der sich die Frage der Auswahl nur für einige wenige Privilegierte stellte. Heute leiden viele am genauen Gegenteil. Nein, das ist nicht halb so schlimm, wie unter existenzbedrohender Knappheit zu laborieren. Aber es macht unbeweglich.

Wer viel reist, weiß schnell, was unterwegs wichtig und richtig ist. Leichtes Gepäck ist die Wahl der Profis. Etwas, das genug Platz bietet, robust ist und dennoch handlich. Ein Gepäckstück, das sich in alle erdenklichen Richtungen leicht bewegen lässt. Was für Zeiten der Veränderung eben.

Aber die meisten Menschen sind anders drauf. Sie gehören zu jener Sorte, die man von jedem Check-in-Schalter an den Touristenflughäfen kennt. Leute, die für 14 Tage Mallorca den halben Hausrat mit in den Urlaub mitschleppen. Die Fraktion mit dem leichten Gepäck macht es sich nicht schwer, sie kommt besser voran, hat im Vorfeld bereits geklärt, was wichtig ist – klar. Aber diese Leute können noch etwas: Sie sind zuversichtlich, mit Überraschungen umgehen zu können. Sie trauen sich zu, zu improvisieren, wenn sich unterwegs herausstellt, dass ihre Priorisierung Lücken hat. Wer nicht gelernt hat zu priorisieren, der lebt im Urlaub und sonstwo das Prinzip Ballermann, benannt nach dem Strandcafé und dem berüchtigten Party-und-Trink-Tourismus auf Mallorca, bei dem – mit Ausnahme des Meeres und des Wetters – eigentlich alles von zu Hause importiert wurde, einschließlich der Klischees, die Deutsche über sich selbst verbreiten.

Die Koffer sind prall und schwer gefüllt mit Misstrauen und Scheinsicherheiten. Ein Übergepäck, mit dem man nicht vorankommt, das einem die Beweglichkeit raubt. Man schleppt sich dumm und dämlich.

Im Urlaub ist das wie auf der Arbeit, im Privaten wie in der Organisation. Misstrauen und Scheinsicherheit sind dicht gewebte, schwere Stoffe, große Koffer voller Befürchtungen, was alles schiefgehen könnte.

Vollkoffer sind unbeweglich. Sie schleppen ihren Kram dann in Organisationen, die sich nicht verändern wollen, in Staaten, die sich der Offenheit der Welt verschließen.

Vieles davon sind selbst gewählte Beschwernisse, die zu Sachzwängen umgelogen werden: Ich kann nicht anders, wir haben keine andere Möglichkeit, wir brauchen das alles. Auch Gewohnheit erzeugt gefährliches Übergewicht.

Was, wir sind nicht so?

Wir sind cool, locker, entspannt und unbeschwert? So sieht die Alternative zum Vollkoffer aber gar nicht aus. Sie redet von Dampf ablassen und verzichten – aber das allein ist nicht mehr als Symbolpolitik, die keinen Nutzen stiftet und zu nichts führt außer einem Mehr an Selbstgerechtigkeit.

Die sozialen Medien sind ideal dafür. Twitter ist ein digitales Ablasshandelssystem, bei dem man schnell mal ein wenig Druck abbauen kann, ohne dass das an den Problemen etwas ändert. Es macht einmal Pffff – und der Rest bleibt, wie er ist. Und so wiederholt sich das Empören und Entspannen in einer Endlosschleife.

Nichts verändert sich, aber es gibt immer einen Grund zum Meckern. So gesehen sind die sozialen Medien eine Art digitaler Schreitherapie. Danach geht’s ein bisschen leichter. Bis zum nächsten Mal.

Das Perfide an diesen Ritualen ist, dass es kaum ein Entrinnen gibt. Wer seinen kleinen Koffer nicht immer wieder bis zum Bersten mit Haltungen und Bekenntnissen vollpackt, der gerät schnell unter Verdacht, zu den Gleichgültigen zu gehören, die die Probleme anderer Leute nicht ausreichend wertschätzen. Rückzug und die Entscheidung, nicht bei jedem Problem – ob groß oder klein – aus der Hose zu springen, das wird nicht mehr akzeptiert.

Das Ergebnis ist eine Welle des Opportunismus und der Heuchelei. Doch die ist schnell vorbei. Deshalb ist jedes Problem, auch jedes ernste, heute bald langweilig. Vordergründig wird alles sehr ernst genommen. Hintenrum macht man’s genau umgekehrt.

Eine der wichtigsten demokratischen Lockerungsübungen ist es aber, sich für oder gegen etwas zu entscheiden. Das gilt nicht nur für Haltungen, sondern eben auch für die Frage, wo die Arbeit anfängt und wo das Vergnügen.

Urlaub als gesetzlichen Anspruch gibt es bekanntlich aus einem ganz einfachen, pragmatischen Grund: Es geht um den Erhalt der Schaffenskraft. Man zieht sich zurück, schafft Distanz zwischen sich und einer Fülle von Alltagsproblemen, um sich zu erholen. Dieses Szenario beschreibt den Idealfall, also Menschen, die das, was sie tun, eigentlich sehr gern machen. Sehr schnell wird daraus aber die reale Umsetzung des bekannten Zitats von Theodor W. Adorno, nachdem es „Kein richtiges Leben im falschen“ gebe. Der Urlaub macht nur kurz das Druckventil auf. Das Material ermüdet trotzdem.

Vor der Arbeitsgesellschaft hatte man dafür andere Lösungen, wenigstens für die Privilegierten. Um sich im Kopf zu erleichtern, den Druck rauszunehmen, schloss man sich ein – man ging in Klausur. Der ursprüngliche Ort dafür war das Kloster, aber es ging im Wesentlichen darum, dass man tätig ruhte, also nicht einfach nichts tat, sondern die Zeit nutzte, um sich zu sortieren. Menschen, die das früher taten, gehörten zur damals schmalen Elite der Wissensarbeiter, von denen es heute, in der digitalen Transformation, immer mehr gibt. Es wird also immer wichtiger, sich die alten und bewährten Techniken zur Lösung neuer Erschwernisse wieder einmal anzusehen.

Der Verschluss, so die wörtliche Übersetzung von Klausur, ist immer auch ein bewusster Ausschluss von all dem unnötigen bürokratischen Beifang, der einen im normalen Alltag der Organisation vom Arbeiten abhält. Wie die Lage ist, kann man schön an der Konjunktur des Begriffs Sabbatical erkennen, der ursprünglich ein Forschungs- oder Freisemester eines Hochschullehrers an amerikanischen Universitäten bezeichnete.

Bereits zur Mitte des 20. Jahrhunderts war die bürokratische Belastung von Spezialisten in größeren Organisationen dramatisch angestiegen. Man war nicht nur Wissenschaftler, Forscher oder Lehrer, sondern in erster Linie Teil eines Systems, das unaufhörlich zeitlichen Tribut forderte, der mit der eigentlichen Arbeit nichts zu tun hatte. Diese Entwicklung ist heute bei allen angekommen.

Konzentriertes Arbeiten ist ausgerechnet in der Wissensgesellschaft zu einem Privileg geworden. Wer sich damit abfindet, der kapituliert vor einer selbstreferenziellen Bürokratie, die sich immer größerer Teile unseres Lebens bemächtigt – und uns Zeit und Ressourcen stiehlt. Das fehlt dem Fortschritt.

Nehmt das nicht locker. Der Begriff Sabbatical leitet sich aus dem hebräischen „schabat“ ab, das bedeutet so viel wie ruhen. Heute heißt das, den tausend Ablenkungen und Nebensächlichkeiten zu entsagen. Ruhe ist die Voraussetzung für Denken.

Vor einiger Zeit erregte die Debatte über eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Aufzeichnungspflicht von Arbeitszeiten die Gemüter. Der EuGH hatte verkündet, dass jeder Arbeitgeber künftig genau Buch über die tatsächlichen Arbeitszeiten seiner Arbeitnehmer führen müsse. Das ist gewiss sinnvoll, wenn es um Fernfahrer oder prekär beschäftigte Arbeitnehmer geht, denen die Bezahlung von Mehrleistungen und Überstunden vorenthalten wird. Menschen, die primär ihre Lebenszeit verkaufen, sollen dafür auch korrekt entlohnt werden. Absurd wird die Entscheidung allerdings, weil sie nicht zwischen dieser Gruppe und der täglich mehr zur Arbeitsnormalität werdenden Wissensarbeit unterscheidet.

Bis wann darf man denken? Und um wie viel Uhr darf einem nichts mehr einfallen, was mit Arbeit zu tun hat? Ist ein Einfall, der einem um 22.45 Uhr kommt, der 30 Sekunden dauerte und eine profunde Problemlösung bringt, illegal?

Lasst mal locker, liebe Industrialisten. Die Welt hat sich verändert. Der klassische Urlaub und der klassische Acht-Stunden-Tag bauten auf der Erfahrung mit schwerer körperlicher Arbeit auf. Man teilte den Tag in drei mal acht Stunden, die Ressource Mensch wurde dabei geschont und auf Routine getrimmt. Der Tag war planbar. Arbeit und Freizeit waren getrennt. Die Arbeit hatte ein Ende.

Kopfarbeit jedoch kennt keinen Schichtbetrieb. Und niemand wird auf Knopfdruck kreativ oder geht in den Freizeitmodus. Die Balance in Work-Life-Balance steht nicht für Barriere, sondern für Ausgleich, Gleichgewicht. Die Balance ist variabel.

Das richtige Maß zwischen ernst und locker verlangt allerdings nach eigenem Denken, nach freiwilliger Selbstkontrolle. Dann wären wir wieder beim TÜV, und gern sagen wir es noch mal: Die Wissensgesellschaft muss sich selbst gute Regeln geben, mit denen sie die Luft rausnimmt – ohne zu viel Dampfdruck zu verlieren. Dazu muss man die Welt nicht neu erfinden, aber der, die es schon gibt, zuhören wollen. Ohne Vorurteile.

Locker sein, das ist was für die Jungen. Wer „locker“ sagt und „unbeschwert“, der sieht fröhliche Jugendliche durchs Gelände springen, ohne Sorgen, ohne Nöte, weltoffen und der Zukunft zugewandt. Wirklich?

Die Jugend steht für Easy Living, aber auch für das, was man Idealismus nennt, in dem der Geist der Kompromisslosigkeit schlummert. Leidenschaft heißt, für seine Sache Kopf und Kragen zu riskieren, wenn schon nicht den eigenen, dann den anderer Leute.

Für die einen ist das Alter die Zeit zwischen Arbeit und Tod. Für die anderen eine Möglichkeit, „die Dinge locker zu nehmen, ohne dass einem alles egal ist. Mit seiner Erfahrung die Welt zum Besseren zu wenden, ohne sich dabei blutige Nasen zu holen“, sagt der Freiburger Karl-Wilhelm Strödter, dessen Active Aging Agentur abseits des Marketing- geredes vom Silver Ager die Babyboomer der Jahrgänge 1950 bis 1965 anspricht. Diese Leute sind zum Punchingbsall geworden, zum Entlastungsgerinne einer Gesellschaft, die wieder in Generationen denkt – also in Gegensätzen, in Extremen, in Konflikten.

In der Wissensgesellschaft wird Know-how und Erfahrung wieder zur wichtigen Sache, und beide Fähigkeiten entwickeln sich nur in entspanntem Zustand. Die coolen Alten und die coolen Jungen müssen sich von den Klischees befreien, vom geistigen und kulturellen Übergepäck, das sie sich selbst übergestülpt haben: „Das ist nicht mehr die Generation Flakhelfer, das sind die Leute, die Woodstock erlebt haben“, sagt Strödter. Man kann es auch noch mal kurz zusammenfassen: keine Menschen, die alles tödlich ernst nehmen, sondern dem Leben mit heiterer Gelassenheit entgegentreten.

Das ist die wichtigste Übung. Die Zukunft regt sich nicht auf. Sie wartet ab, bis wir so weit sind. In hundert Jahren ist alles vorbei? Mag sein, sagt Karl-Wilhelm Strödter. Aber bis dahin haben wir noch gut zu tun. ---

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