Ich habe versucht, über Geld zu reden. Und war nur mäßig erfolgreich.

Ein Erfahrungsbericht.





Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 09/2019.

• Ich weiß von meinen Freunden nicht, was sie verdienen. Und ich frage lieber nicht. So ein Gefühl. Mich fragt ja auch keiner.

Dabei würde es mich schon interessieren. Was verdient die Programmiererin in meiner Bürogemeinschaft? Mein Nachbar, der Physiker ist, aber im Marketing arbeitet, oder die Freundin, die in der Chefetage einer Werbeagentur sitzt? Oder die Künstler, von denen ich zwar weiß, dass sie wenig verdienen – aber was heißt das schon: wenig?

Dass Fußballprofis viel verdienen, ist bekannt. Oder Manager. Aber im Privaten scheint das Gehalt ein Tabu zu sein. Es gibt Soziologen, die sagen: Geld ist ein größeres Tabuthema als Sex.

Neulich stand ich mit einer Freundin am Bahnsteig. Sie ist freischaffende Künstlerin und alleinerziehend. Ich hatte mich schon mal gefragt, wie sie das macht, die vielen Ausstellungen, die vielen Reisen, der Kindsvater in einer anderen Stadt. Gefragt hatte ich sie das bis dahin nie. Sie zögerte kurz, zählte dann ein Stipendium auf, Kindergeld, ein paar andere kleine Posten, am Ende eine Summe. Ich dachte, hm, geht ja gerade noch. Vielleicht hatte ich weniger erwartet. Dann kam der Zug, und am Abend eine Nachricht, dass sie ein komisches Gefühl habe, jetzt, da ich wüsste, was sie verdient, sie aber umgekehrt keine Ahnung habe von meinem Gehalt.


 

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