Wefarm

Ein Londoner Unternehmen hat ein Netzwerk entwickelt, das Kleinbauern ohne Internet mit Fachwissen versorgt – nur eben offline.





Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 04/2019.

• Eigentlich wollte Kenny Ewan nach dem Studium nur für ein sechsmonatiges Praktikum in Lateinamerika leben. Daraus wurden sieben Jahre, in denen der Schotte für die Hilfsorganisation Proworld Service Corps arbeitete – und eine Geschäftsidee entwickelte. In abgelegenen Regionen baute er mit Kleinbauern Fischzucht- und Bewässerungsanlagen. Einige hatten mit extremen Wetterlagen zu kämpfen, andere mit fehlenden Nährstoffen. An Tipps von Fachleuten gelangten sie nur selten. Die nächste Straße war teilweise bis zu vier Stunden Fußweg entfernt, Internet gab es nicht. „Viele erhielten relevantes Wissen für ihre Betriebe fast ausschließlich über Bekannte in einem Radius von 15 Kilometern“, sagt Ewan.


 

inotiv ist das Netzwerk der Kultur- und Kreativpilot*innen Deutschland, einer durch die Bundesregierung vergebenen Auszeichnung für Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft.

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© Wefarm
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Die Lösungen, die die Organisation mit den Bauern fand, sollten auch Landwirte mit ähnlichen Problemen in anderen Teilen des Landes erreichen, dachte sich Ewan. So kam er 2009 auf die Idee für Wefarm – ein Netzwerk für den Wissensaustausch unter Landwirten, unabhängig von Ort und Sprache.

Eine Hürde gab es aber: der fehlende Internetzugang. In den ländlichen Gebieten Südamerikas und Ostafrikas, wo Ewan ebenfalls Projekte durchführte, sind Anschlüsse noch immer rar und Smartphones sowie Computer kaum bezahlbar. Doch nahezu jeder besitzt irgendeine Art von Mobiltelefon. Viele kommunizieren noch immer per SMS.

Das Netzwerk für Kleinbauern funktioniert so: Wer eine Frage hat, sendet sie per Kurznachricht an Wefarm. Antworten gibt es von fachkundigen Landwirten innerhalb weniger Minuten. Mögliche Ratgeber, die freiwillig ihr Wissen mit anderen teilen, findet das System über einen Algorithmus. Die Kurznachrichten erhält jeder Nutzer übersetzt in seiner Landes- oder Stammessprache.

Die erste Version konstruierte Ewan 2011 in Großbritannien mit einem kleinen Team aus Entwicklern. Der 37-Jährige ist Architekt; ihm gefällt es, an Formen und Funktionen zu tüfteln, auch wenn ihm für den klassischen Architektenberuf die Leidenschaft fehlt, wie er sagt. Den Algorithmus ließ er von Spezialisten entwickeln. Damals war Wefarm nicht mehr als ein Projekt der Hilfsorganisation, das er mit seiner Kollegin Claire Rhodes leitete. Nach erfolgreichen Testphasen machte er daraus 2015 ein gewinnorientiertes Tech-Start-up mit Hauptsitz in London. Zwei weitere Büros sind in Kenia und Uganda, wo Wefarm seine Dienste ebenfalls anbietet. Mitte Februar kam Tansania dazu. Südamerika muss vorerst warten, man wolle sich zunächst auf Afrika konzentrieren. Die Zahl der Mitarbeiter verdoppelte sich im vergangenen Jahr auf 40.


„Warum frisst mein Huhn seine eigenen Eier?“

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„Was sind typische Hasen-Krankheiten?“ Bei der Beratung per SMS von Wefarm (links) helfen sich Kleinbauern auf der ganzen Welt gegenseitig (rechts)

Rund 1,4 Millionen Nutzer haben sich inzwischen registriert, jeder fünfte beteiligt sich regelmäßig am Austausch. Die Kleinbauern suchen Rat zu Viehhaltung, Krankheiten, Schädlingen, Trockenheit oder Pflanzenkreuzungen. „Eine Zeit lang war die beliebteste Frage: Warum frisst mein Huhn seine eigenen Eier?“, sagt Ewan. Das ist häufig ein Anzeichen dafür, dass das Huhn nicht genügend Nahrung bekommt und ihm Kalzium fehlt.

Der Kurznachrichten-Dienst ist für Nutzer kostenlos. Bisher lebt die Firma von Investorengeld in Höhe von 5,8 Millionen Euro. Beteiligt haben sich auch die Gründer von Skype und Wordpress sowie True Ventures aus dem Silicon Valley. Erlöse erzielte Wefarm in den vergangenen Jahren durch den Verkauf von Daten zur Landwirtschaft in Kenia und Uganda an Hilfsorganisationen und Unternehmen.

Haupteinnahmequelle soll künftig ein Marktplatz sein, der im November 2018 zunächst für 20 000 Nutzer in das Netzwerk integriert wurde. Auf ihm erhalten Kleinbauern per Kurznachricht beispielsweise Rabattcodes für Produkte wie Düngemittel, die sie bei ihrem lokalen Händler einlösen können. Am Ende des Jahres soll dies für eine Million Nutzer zugänglich sein und etwa 265 000 Euro einbringen. 2021 soll die Gewinnzone erreicht sein.

Anfangs waren nicht alle begeistert von der Idee. Während der Pilotversuche in Kenia, Tansania und Peru zweifelten Regierungen und andere Hilfsorganisationen an Ewans Ansatz. „Sie hielten uns für verrückt“, sagt er. „Einige fürchteten, dass die Bauern einander falsche Tipps geben würden.“

Das Konzept sei vielversprechend und neu, sagt die Entwicklungsforscherin Heike Baumüller, die sich mit der Digitalisierung der Landwirtschaft in Afrika beschäftigt. Dennoch hätten Vertrauen und der persönliche Kontakt bei den Kleinbauern einen hohen Stellenwert. „Darum muss es eine Qualitätskontrolle geben“, sagt sie.

Um sicherzustellen, dass es sich bei den Ratgebern wirklich um erfahrene Landwirte handelt, versendet Wefarm Kontrollfragen, die Fachwissen prüfen. Zudem arbeitet das Unternehmen mit Agrarwissenschaftlern von verschiedenen Universitäten zusammen. Häufig sei den Bauern gar nicht bewusst, dass sie sich auf einem Fachgebiet sehr gut auskennen, sagt der Gründer. Vertrauen entstehe im Laufe der Zeit von selbst: „Wenn der Inhalt in unserem Netzwerk gut ist, kommen sie wieder.“

Derzeit ist Kenny Ewan mit weiteren möglichen Investoren im Gespräch. Wenn alles nach Plan läuft, sollen die Kleinbauern eines Tages auch ihre Produkte über das Netzwerk verkaufen. Dann könnten sie direkt mit ihren Abnehmern handeln, ohne zahlreiche Zwischenhändler. ---


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