
Der Biostaat
Im indischen Sikkim sind chemische Dünger und Pestizide verboten. Öko aus Staatsräson – kann das funktionieren?
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 04/2018.
• Am Grenzübergang bei Melli stöbert das erste Bioschwein durchs Gestrüpp. Unten am Fluss grasen Bioziegen, ein Biohund liegt faul am Straßenrand. In Sikkim, dem zweitkleinsten Bundesstaat Indiens, ist alles Bio: Im Januar 2016 erklärten der indische Premierminister Narendra Modi und Sikkims Premierminister Pawan Kumar Chamling, dass die gesamte Landwirtschaft im Staat nun nach ökologischen Kriterien erfolge. Seitdem ist kein Gramm Kunstdünger mehr auf den Hängen des Himalaya-Staates ausgebracht worden. Auch chemische Pflanzenschutzmittel sind verbannt. Indien, das Land der Pestizidskandale und Bauernselbstmorde, der Baumwoll-Monokulturlandschaften und giftigen Flüsse – dieses Indien präsentiert sich im Nordosten von einer ganz anderen Seite: naturverbunden, nachhaltig, sauber.
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Bio, das klingt für viele eher nach Romantik denn nach scharfen Gesetzen, nach Idealisten, die gemeinsam die Welt und die Landwirtschaft verbessern und das System von unten her aufrollen. Zwar lässt sich mit ökologischer Landwirtschaft inzwischen auch großes Geld verdienen. Im Jahr 2016 wurden knapp 90 Milliarden Dollar mit Bioprodukten umgesetzt; gut zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor und satte 4,5-mal mehr als im Jahr 2000.Doch Sikkim ist der erste Staat weltweit, der sich aus freien Stücken für eine ausschließlich biologische Landwirtschaft entschieden hat.
Hier sind es weder der Markt noch eine Graswurzelbewegung, die das Land ergrünen lassen. In Sikkim herrscht Bio aus Staatsräson, als Vision und Vorgabe eines mächtigen Landesvaters. Es ist keine Option, sondern Gesetz. Kann das funktionieren? Was halten die Bauern und Händler vom ökologischen Pflichtprogramm? Und wie kann sich gerade dieser Zwergstaat luxuriöse 100 Prozent Bio leisten?



Weltweiter Markt für Bioprodukte 2016, in Milliarden Dollar | 89,7 |
Anteil der Bio-Agrarfläche weltweit, in Prozent | 1,2 |
Zahl der Bioproduzenten 2016 weltweit, in Millionen | 2,7 |
Anteil davon an Bioproduzenten in Indien, in Prozent | 30,9 |
Anteil der Menschen, die im Agrarsektor arbeiten, in Prozent | 44 |
Grund 1: die Mentalität
Von Delhi aus ist es eine gute Tagesreise bis nach Sikkim, immer ostwärts. Das Flugzeug gleitet vorbei am Mount Everest, später kurvt das Taxi über immer enger werdende Sträßchen hinauf in den Himalaya. Freundlich und entspannt geht es zu hier, sogar der Grenzposten lächelt und schüttelt ausgiebig die Hände der Reisenden.
Bis Anfang der Siebzigerjahre war Sikkim ein eigenständiges Königreich. Seit Jahrhunderten hat das Gebiet strategisch wichtige Bedeutung, als Tor Indiens zum heute von China verwalteten Tibet, eingekeilt zwischen Nepal und Bhutan. Die Einwohner: ein bunt gemischtes Völkchen aus alteingesessenen Bhutia und Lepcha, aus eingewanderten Nepali, Sherpa oder Hindi sprechenden Indern. Immer wieder waren sie betroffen von Invasionen und Umstürzen, bis der südliche Nachbar vollends die Macht im kleinen Bergreich ergriff. 1975 wurde Sikkim als Staat der indischen Union assoziiert.
Die dünn besiedelte Gegend hat sich den eigenen Charakter bewahrt. Schon im Jahr 2003 schickte der seit 1994 bis heute ununterbrochen amtierende Premierminister Chamling sein Land auf den Weg zum „total organic state“ – in einer Zeit, in der die großen Unternehmen der Agrarindustrie das 1991 wirtschaftlich geöffnete Indien eroberten. „Der Gebrauch von chemischen Mitteln“, sagte Chamling damals, „gefährdet das Leben von Mensch und Tier.“ Jeden einzelnen Bauern wolle er von den Vorteilen der organischen Produktion überzeugen.
Prem Das Rai ist der einzige Abgeordnete, den das kleine Sikkim in der ersten Kammer des indischen Parlaments stellt. Beim Empfang in seiner Dienstwohnung in Delhi serviert er Biotee aus seiner Heimat, blickt aus dem Fenster und seufzt: „Saubere Luft. Sauberes Wasser. Sauberes Essen. Das ist Sikkim.“ Der Premierminister komme aus einer Familie, in der die Natur sehr verehrt würde, sagt Das Rai. Typisch sei das für die Menschen in Sikkim. „In der westlichen Welt würde die Politik von Chamling als grün gelten. Bei uns ist sie ganz normal.“



Grund 2: die Mission
Die Naturverbundenheit der Bevölkerung war sicher hilfreich, dennoch haben der Premierminister und sein Stab für das gewaltige Vorhaben die Ärmel hochkrempeln müssen. In Sikkim wurde seitdem Schritt für Schritt die Einfuhr chemischer Agrarstoffe reduziert. Seit 2005 verzichtet das Land auf die hoch subventionierten Kontingente an Kunstdünger, die Indien seit Jahrzehnten an Bauern vergibt – und die zusammen mit den Zuschüssen für Bewässerung und Elektrizität in manchen Jahren fast ein Viertel des Budgets der indischen Zentralregierung ausmachten.
Sikkim entwickelte Schulungsprogramme für Biolandwirtschaft und investierte in die Infrastruktur, beispielsweise in Kompostierungsanlagen. In einem sogenannten Drittparteien-Zertifizierungssystem beauftragte man private Agenturen, um die ersten 8000 Hektar Ackerland als bio zu zertifizieren – ein teures Unterfangen. Und im Jahr 2010 verkündete Pawan Chamling offiziell die Sikkim Organic Mission (SOM). Die Behörde kümmerte sich fortan darum, dass aus Kompost und Mist Biodünger wird und dass Krankheiten und Schädlinge mit natürlichen Mitteln in Schach gehalten werden. Sie schuf eine staatliche Zertifizierungsagentur und etablierte eine eigene Marke – Sikkim Organic. Ende 2015 waren die gesamten 76 000 Hektar Agrarfläche des Staates offiziell als Bioackerland zertifiziert.
Auf Gebrauch, Einfuhr oder Verkauf von Kunstdünger oder Pestiziden stehen in Sikkim nun empfindliche Strafen von mindestens 25 000 Rupien (circa 320 Euro) und bis zu drei Monaten Haft. Die Einfuhr lässt sich recht einfach kontrollieren. Denn nur wenige Straßen führen in die von Bergketten und Flüssen begrenzte Region. Ausländer müssen die Route über die Grenzstadt Melli wählen, wenn sie beispielsweise nach Rinchenpong gelangen wollen – zum Bauernhof von Thendup Tashi.

Grund 3: die Landschaft
Hätte die Werbeabteilung von Sikkim Organic kein so ausgeprägtes Faible für großformatige Landschaftsbilder, Thendup Tashi hätte gute Chancen als Titelmodell für eine der Imagebroschüren. Die sikkimesische Höhensonne strahlt aus seinem runden Gesicht, der trainierte Körper zeugt von harter Arbeit auf seinem Biohof. Der liegt wenige Kilometer außerhalb von Rinchenpong, einer kleinen Stadt in West Sikkim; hochalpine Landschaften verschmelzen mit subtropischer Vegetation. In Flip-Flops und Daunenweste zeigt der 40-Jährige sein Reich. Stolz führt Tashi vorbei an Bambuswäldern und Teakholzplantagen, an Bananenstauden und Kürbispflanzen, die sich meterhoch in die Bäume ranken, über Lichtungen, die mit buschigem Kardamom und Kurkuma bepflanzt sind. Er bückt sich, pult ein paar schrumpelige Kardamomkapseln aus einem trockenen Blütenstand und sagt: „Man kann riechen, dass die Qualität stimmt.“
Am Berghang gegenüber ziehen sich Reisterrassen bis ins Tal, sein Acker auf gut 1500 Metern Höhe trägt im Wechsel Mais, Linsen und Buchweizen. Zwei Kühe liefern Tashi Milch und Dünger; ihr Urin soll auch gegen Insektenbefall und Pflanzenkrankheiten helfen. Träumte man den perfekten Biotraum, er sähe ziemlich genau so aus.
Die Voraussetzungen für den Ökolandbau waren in Sikkim auch der Landschaft wegen von Anfang an günstig. Bereits im Jahr 2003, bevor der Premierminister seinen Plan verkündete, lag der Durchschnittsverbrauch von Kunstdünger hier bei sehr niedrigen 5,8 Kilogramm pro Jahr und Hektar Ackerland. Zum Vergleich: China ist internationaler Spitzenreiter mit durchschnittlich 344 Kilo pro Hektar, in Deutschland sind es rund 100 Kilo pro Hektar allein an mineralischem Stickstoffdünger. Der Weg zum gänzlichen Verzicht war also deutlich kürzer als anderswo. Sabine Zikeli von der Universität Hohenheim sieht die Topografie des Staates als wichtigen Grund dafür: „Sikkim ist sehr bergig, die Anbauflächen sind kleinteilig. Eine mechanisierte Landwirtschaft ist da schwierig.“ Mit schweren Traktoren, Mähdreschern und dem restlichen Fuhrpark der intensiven Landwirtschaft kommt man im Himalaya nicht weit.
Dünger hin oder her, schon immer erzielten die Bauern in Sikkim also einen geringeren Ertrag pro Fläche als in anderen Bundesstaaten; ohnehin sind hier nur elf Prozent der Landesfläche kultivierbar. Und wer überschaubare Ernten auf kleinen Flächen einfährt, wer sowieso von Hand säen und pflücken muss, der kann auch eher noch ein paar Unkräuter jäten, statt ihnen mit teuren Pestiziden zu Leibe zu rücken. „Zwischen Bergen und Biolandwirtschaft lässt sich auch in Europa ein Zusammenhang beobachten“, sagt die Hohenheimer Agrarökologin Zikeli. „Auch in der Schweiz und in Österreich gibt es überdurchschnittlich viele Ökobauern.“
Warum also nicht aus der Not eine Tugend machen, mag sich der Premierminister gedacht haben, und Sikkim als grüne Marke etablieren? Die höhere Marge bei Bioprodukten, so die Hoffnung, könnte den Kleinbauern einen entscheidenden Vorteil bringen und der auch in Sikkim grassierenden Landflucht entgegenwirken. Auch das benachbarte Königreich Bhutan verfolgt die Vision des „organic only“, und der indische Bundesstaat Uttarakhand plant, ab April 2018 ähnliche Gesetze wie in Sikkim zu verabschieden.
Zahl der Einwohner von Sikkim | 610.000 |
Anteil der ländlichen Bevölkerung, in Prozent | 70 |
Zahl der Biobauern in Sikkim | 66.227 |
Zahl der Biobauern in Sikkim, die Kardamom anbauen | 8034 |
Menge der indischen Bioprodukte 2016, in Millionen Tonnen | 1,24 |
Anteil davon in Sikkim hergestellter Bioprodukte, in Prozent | 6,5 |



Grund 4: der Import
Nur 35 Kilometer Luftlinie trennen Thendup Tashis Bauernhof von Gangtok, der Hauptstadt Sikkims. Doch der Weg schlängelt sich fast 100 Kilometer in östliche Richtung, gut fünf Stunden lang holpert das Geländetaxi voll beladen über abenteuerliche Bergpässe. Das Hauptstädtchen liegt auf etwa 1650 Metern Höhe, am Horizont thront mit 8586 Metern majestätisch der Kangchendzönga, Indiens höchster Gipfel und dritthöchster Berg der Erde.
Auf dem Markt von Gangtok wird alles feilgeboten, was die Felder Sikkims hergeben. Und auch, was aus dem Nachbarstaat Westbengalen importiert wird – konventionell produziert. Mit dieser meist billigeren Konkurrenz müssen die einheimischen Biobauern bislang leben. Denn der Import von Dünger und Pestiziden ist zwar verboten, nicht aber der von konventioneller Ware.
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Viele Geschäftsmodelle unserer Wirtschaft basieren auf der Idee des Teilens. Der ökonomische Vorteil liegt auf der Hand: Werden Güter oder Dienstleistungen gemeinsam genutzt, lassen sich auch die Kosten aufteilen. Die Idee ist alles andere als neu – in Bibliotheken etwa werden schon seit tausenden von Jahren Bücher bereitgestellt und gemeinsam genutzt.
Für den Produktionsumfang setzt die bergige Landschaft klare Grenzen. „Wir werden nie in der Lage sein, die Bevölkerung autark zu ernähren“, sagt Laxuman Sharma, Experte für Gartenbau an der Sikkim University in Gangtok. Momos etwa, gefüllte Teigtaschen aus Weizen, sind eine der Leibspeisen der Sikkimesen. „Das Problem ist nur: Sikkim produziert kaum Weizen“, sagt Sharma. Um die Nahrungsversorgung zu sichern, muss Getreide also auch in Zukunft importiert werden – etwa aus indischen Flächenstaaten wie Punjab oder Haryana, die berüchtigt sind für ihren Pestizideinsatz.
Doch die Marktfrau Sunita Gurung von der „Women’s Co-Operative Maneybong“ ist überzeugt, dass die Menschen schon allein der Gesundheit wegen heimisches Biogemüse wollen. Das Geschäft laufe gut, sagt sie fröhlich. „Viele Menschen auf dem Land waren früher arbeitslos. Heute sind sie Biobauern.“
Laut einer Studie des renommierten indischen Wissenschaftsjournals »Current Science« büßen Farmer mit der ökologischen Landwirtschaft im Schnitt knapp zehn Prozent ihres Ertrags ein. Dennoch liegt ihr Gewinn gut ein Fünftel über dem des konventionellen Anbaus. Das liegt vor allem am Preisaufschlag von bis zu 40 Prozent, den sie für Bioware verlangen können, und an Einsparungen für Spezialdünger um fast 12 Prozent.
Eigentlich sollte im April 2018 die nächste Stufe der Biomission zünden: der Einfuhrstopp für Gemüse ohne Biosiegel; Getreide und die meisten Obstsorten aus Nachbarstaaten sollten vorerst frei verkäuflich bleiben.
„Als ich hörte habe, dachte ich zuerst: ‚Das ist ja Wahnsinn‘“, sagt Frank Eyhorn. Der Landwirtschaftsberater arbeitet bei der Schweizer Entwicklungshilfe-Organisation Helvetas und ist Vizepräsident der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbewegung (IFOAM). Doch nach seinem Besuch im vergangenen Herbst ist Eyhorn zuversichtlich: „Klar, es ist eine große Herausforderung für Sikkim, wenn dieser Puffer durch den restlichen indischen Markt wegfällt. Aber die Gemüseproduktion wird jetzt mächtig gesteigert. Und man merkt, dass die Regierung einige Jahre an Erfahrung gesammelt und das gut durchdacht hat.“
Doch offenbar nicht gut genug: Ende Januar zog Sikkims Regierung ihren Gesetzesentwurf spontan zurück. Nun bleibt der Import bis auf Weiteres erlaubt. Das geplante Gesetz soll im Lauf des Frühjahrs erneut verhandelt werden – ob Sikkim bis dahin bei Gemüse autark ist, wird sich zeigen.

Grund 5: der Export
Gemüse wird in Sikkim fast ausschließlich für den eigenen Verzehr angebaut. Für den aufwendigen Transport in andere Bundesstaaten sind hauptsächlich Gewürze bestimmt, hochwertige Produkte mit geringem Volumen: Ingwer und Ingweröl, Kurkumapulver oder die getrockneten, extrascharfen Fireball-Chilis. Zusammen mit Buchweizen und Schwarzem Kardamom sind es diese Produkte, mit denen die Sikkimesen das meiste Geld im Export verdienen. Aber inzwischen experimentieren sie auch mit hochpreisigen Früchten, die im subtropischen Bergland gedeihen: Avocados aus Sikkim etwa sind teilweise schon auf Märkten in Delhi oder Kalkutta zu haben, und auch die in Indien wenig verbreitete Kiwi soll als Luxusprodukt aus dem hohen Norden etabliert werden.
Es sind allerdings auch kritische Stimmen über Sikkims Biomission zu vernehmen. Mitarbeiter der indischen Umweltorganisation Centre for Science and Environment (CSE) etwa stellten im November 2016 eine nicht repräsentative Studie an, für die sie 16 größere Farmen im Bundesstaat besuchten. „Die Erfahrungen der Bauern mit dem Biolandbau sind alles andere als zufriedenstellend“, wird die Studie in einem Artikel des dem CSE nahestehenden Umweltmagazins »Down to Earth« zitiert. Die Erträge lägen noch weit unter den Werten aus der Präbio-Ära; biologische Schädlingsbekämpfungsmittel seien wenig effektiv und viel zu knapp; und die versprochenen Schulungen für die Bauern fänden zu selten statt. Fast 80 Prozent des Budgets der Organic Mission seien stattdessen in die Zertifizierung des Ackerlands geflossen.
Auch Laxuman Sharma sieht für die Organic Mission noch deutliches Verbesserungspotenzial – obwohl er voll und ganz hinter dem Projekt steht, wie er betont. 2003 war Sharma an der Zertifizierung des ersten Biodorfs in West Sikkim beteiligt. Als Universitätswissenschaftler kann er die Mission heute mit etwas mehr Distanz beurteilen: „Vor allem bräuchten wir dringend ein Public-private-Partnership, um die Regierung zu entlasten. Es gibt kaum einen freien Markt für Saatgut, Kompost oder Biopestizide. Was bei den Bauern ankommt, stellt ihnen die Regierung zur Verfügung.“ Auch im Biostaat sind die Bauern abhängig von Agrarsubventionen.


Grund 6: die Touristen
Auch Thendup Tashi ärgert sich auf seiner Farm in Rinchenpong oft über die Fehler im System. Er könne nie wissen, wann und wie viel biologisches Spritzmittel bei ihm ankommt, wenn er Probleme mit Schädlingen hat, erzählt er. Manchmal liefere das Landwirtschaftsministerium eine Tinktur aus Blättern des Niembaums, gegen Pilzbefall. „Aber die hilft nicht viel“, sagt er. Die Engpässe beim Saatgut oder Kompost kennt er auch, und Schwarzen Kardamom und Kurkuma, seine für den Export bestimmten Produkte, kann er manchmal nicht rechtzeitig verkaufen. Trotzdem ist Thendup Tashi überzeugter Biobauer. „Die Produkte sind gesünder. Und für die Umwelt viel besser“, sagt er.

Sein Vater habe früher Kunstdünger und Pestizide benutzt. Und obwohl der Ertrag damals höher gewesen sei, vermisse er die Chemie nicht. Sein Hauptgeschäft macht er inzwischen allerdings in einer anderen Branche: mit dem Tourismus, wie viele seiner Landsleute. Auf Tashis Farm gibt es nicht nur Gewächshäuser und Felder, sondern auch ein komfortables Gästehaus für naturverbundene – und zahlungskräftige – Touristen. Aus ganz Indien kämen sie angereist, erzählt er, immer öfter auch aus Europa und den USA. Nicht zuletzt wegen der frischen Biomahlzeiten aus eigener Ernte, die ihnen hier serviert werden. „Es ist harte Arbeit, Gemüse anzubauen“, sagt der Landwirt, „und es bringt wenig Geld. Das Gasthaus hilft mir, den Bauernhof zu finanzieren.“
Auch das ist ein erklärtes Ziel der SOM: mit der Marke Sikkim Organic den Tourismus zu stärken. Zwischen 2012 und 2016 sind die inländischen Besucherzahlen um rund 40 Prozent auf mehr als 800 000 pro Jahr gestiegen, und die Zahl der ausländischen Besucher hat sich in diesem Zeitraum fast verdoppelt. In touristischer Hinsicht ist die Ökomission also bereits ein Erfolg. ---