Halloren Kugeln
Das Geheimnis der Kugel

• Klaus Lellé, Chef der Halloren Schokoladenfabrik in Halle an der Saale, ist gerade ein Zahn gezogen worden – der erste überhaupt, wie er betont –, weshalb er bei den hauseigenen Produkten leider nicht wie gewohnt zugreifen kann. "Normalerweise esse ich 100 bis 150 Gramm Schokolade täglich." Das ist dem schlanken, leger mit Dreitagebart daherkommenden 51-Jährigen ebenso wenig anzusehen wie seine Vergangenheit als Banker.
Nach elf Jahren im Finanzgewerbe war der Pfälzer für Lebensmittelfirmen tätig und wurde 1997 vom Halloren-Eigentümer Paul Morzynski als Geschäftsführer und Mit-Gesellschafter an Bord geholt. Die Marke hat bei Ostdeutschen ein großes Ansehen und immer noch eine Bekanntheit von fast 94 Prozent – "größer als die von Angela Merkel", sagt Lellé.
Er nahm den Verdrängungswettbewerb auf: Der Schokoladenverbrauch stagniert; Konzerne wie Ferrero dominieren den Markt. Der Zwerg musste sich etwas einfallen lassen. Sein Trumpf war ein einzigartiges Produkt – kein Konkurrent hat so etwas wie die Halloren-Kugel mit der zweigeteilten Füllung im Sortiment – und einen geduldigen Hauptgesellschafter. Um im Westen Fuß zu fassen, wo die Marke nur etwa jedem Vierten bekannt ist, übernahmen die Hallenser dort einen großen Pralinenproduzenten. Und eine Firma, die unter anderem Weihnachtsmänner und Osterhasen herstellt. Mittlerweile deckt Halloren das gesamte Schoko-Spektrum von billig bis gehoben ab.
Geadelt wurde der einstige DDR-Vorzeigebetrieb durch einen Auftrag des schwedischen Königshauses: Halloren durfte die Hochzeits-Pralinen für die Kronprinzessin Victoria und ihren Angetrauten herstellen, weil sie über eine Technik für sehr dünnwandige Leckereien verfügen. Weil auf solche PR-trächtigen Glücksfälle kein Verlass ist, braucht es auch eigene Ideen. So hat Lellé ein Museum gegründet, in dem ein fast vollständig aus Schokolade hergestelltes Zimmer steht – Anknabbern verboten. Die Weihestätte für Schleckermäuler lockt jährlich mehr als 100 000 Besucher an und ist, auf so etwas achtet der Chef, profitabel.
Für seinen Expansionskurs brauchte er Kapital, und weil der Ex-Banker weiß, "dass nichts ungünstiger ist, als von Banken abhängig zu sein", besorgte er sich das Geld bei den Kunden. 2004 legte er eine Anleihe auf, die von Halloren-Fans überzeichnet wurde und zehn Millionen Euro einbrachte. 2009 folgte die nächste. Beim klassischen Marketing hält sich die Firma zurück. Stattdessen ging der Winzling 2007 an die Börse – nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Aufmerksamkeit. "Zur vorigen Hauptversammlung kamen mehr als 900 Aktionäre", sagt Lellé. "Das sind alles Markenbotschafter." Zwar gab es für die keine steigenden Kurse, aber eine ordentliche Dividende.
Was Lellé bedauert, ist, dass die Stadt, die mit der Marke so eng verbunden ist wie Niederegger Marzipan mit Lübeck, so wenig von sich hermacht. Auch daran arbeitet der Zugezogene, der mit seiner Familie in der Gegend lebt und sich beim Verein Pro Halle engagiert: "Propheten kommen fast immer von außerhalb." •