Worauf Elstern fliegen

• Die Firma lebt vom schönen Schein, aber Roland Werner, Vorstandsvorsitzender von Bijou Brigitte, kommt zurückhaltend daher. Das einzig Auffällige an dem 42-Jährigen ist seine Rolex. In der schmucklosen Firmenzentrale in Hamburg-Poppenbüttel spricht er gelassen über Zahlen – die schon mal besser waren. So sind Umsatz und Gewinn des Modeschmuck-Konzerns im vergangenen Jahr gesunken, trotz 42 neuer Ladengeschäfte (die Bilanz wird erst nach Redaktionsschluss veröffentlicht). Werner macht dafür die "desolate Wirtschaftslage in Spanien und Portugal" verantwortlich, wo man mehr als 300 Filialen betreibt – "und die Leute an allen Ecken und Enden sparen müssen". Zudem haben Konkurrenten "das margenträchtige Geschäft entdeckt".
Erfunden hat dieses Geschäft sein Vater Friedrich-Wilhelm Werner. Es beruht auf der unwiderstehlichen Anziehung, die Glitzerndes auf die meisten Mädchen und Frauen - darin Elstern nicht unähnlich ausübt. Bei Bijou Brigitte finden sie Klunker in großer Auswahl zu kleinen Preisen (im Schnitt zwischen fünf und zehn Euro): Strass-Broschen, Perlen-Armbänder, Blümchenketten, Schmetterlingshaarclips, Chif-fon-Colliers. Die Filialen, ausschließlich in 1A-Lagen angemietet, sind wie Schatzkästchen, vollgestopft mit mehr als 9000 Artikeln, sodass frau garantiert das passende Accessoire findet. Die Auslagen sind Bijou Brigittes beste Werbung; klassisches Marketing spart sich die Firma.
Das Geschäftsmodell ähnelt demjenigen großer Textilketten. Im Sortiment sind Basics sowie Stücke, die gerade (wieder) in sind wie derzeit beispielsweise solche im verspielten Mille-Fleurs-Stil. Trends zu wittern und schnell in Fernost umsetzen zu lassen ist die Kunst. Zu Werners Bedauern sind Moden nicht berechenbar. So erzählt er von Klebe-Tattoos, die irgendwann gingen "wie geschnitten Brot und dann gar nicht mehr", sodass man sie nur noch als Gratis-Zugabe loswurde.
Herzstück der Firma ist ein Warenwirtschaftssystem, das täglich Auskunft darüber gibt, welche Produkte sich in welchem Laden wie verkaufen. 2010 wurde am Firmensitz in Hamburg zudem ein modernes, 7500 Quadratmeter großes Lager errichtet, von wo aus die eigenen Filialen und Kaufhäuser beliefert werden.
Zwar wachsen die Bäume beim europäischen Marktführer nicht mehr in den Himmel, aber das Geschäft ist nach wie vor sexy. So machte der Accessoire-Aldi 2009 bei 390 Millionen Euro Umsatz 109 Millionen Euro Gewinn vor Steuern. Man ist unabhängig von Banken und auch gegenüber den Aktionären in einer komfortablen Lage, weil Friedrich-Wilhelm Werner 50,4 Prozent der Anteile hält.
So lässt sich auch die gescheiterte Expansion in die USA verschmerzen, wo Bijou Brigitte probeweise sechs Filialen betreibt. Doch zu stark ist der dortige Platzhirsch Claire's und zu speziell der Geschmack der Amerikanerinnen, die es gern schriller mögen. Deshalb konzentriere man sich auf Europa, sagt Roland Werner: "Der Markt ist gut für 2000 Filialen." Expandiert werde aber ganz ohne Hektik, "denn wir wollen noch in 50 Jahren ein kerngesundes Familienunternehmen sein". •